Der Hobbit – Ein Hörspiel zu hören

Der Hobbit zu hören,
sie alle zu finden,
ans Endgerät zu treiben
und achtmal zu binden!

Hallo Mitwelt

Inmitten in die weihnachtsfeierliche Stimmung hinein, so sie nicht wie eine candle in the wind längst ausgepustet ist, ein Hörtipp par excellence: DER HOBBIT tritt seine unerwartete Reise an über Berge hinweg und drunter hindurch!:))

WICHTIG: In acht Episoden ist das Kinderhörspiel, das auch adultistische Erwachsene (wieder-)hören können, nur bis zum 24.01.2024, also nur noch für einen Monat AB JETZT abrufbar. Von da an nur wie wie seither käuflich zu erwerben. Zum Zeitpunkt, wenn der Beitrag hier online geht, ist der erste Block aus vier Folgen linear schon gesendet, hintereinander weg. Am zweiten Feiertag folgen Folgen 5 bis 8. Nicht verpassen! Falls doch: schnell klicken und genussvoll sichern! Es lohnt sich!

Schon mehrfach bekundet, dass Tolkiens Machwerke eine besondere Bedeutung für mich haben, was bis in die Schulzeit zurückreicht. Ja noch zwei Jahrzehnte später lese ich mit Interesse und Freude des Königs Erläuterungen unter dem Berge, obwohl inzwischen 20 Jahre unaktualisiert veraltet, und bin von Neuem wieder einmal begeistert gefesselt vom linear ausgestrahlten und pausen- wie atemlos mitgehörten HERR DER RINGE-Hörspiel.

Das Hobbit-Hörspiel, 1980 vom WDR produziert und ebenda erschienen, folgt der deutschen Erstübersetzung, die zu der Zeit alleinig verfügbar war: Kleiner Hobbit und der große Zauberer, wie es zunächst allen Ernstes freistil geheißen hat, um dann zum prägenden <Der kleine Hobbit umtituliert zu werden. Walter Scherf übersetzte und zwanzig Jahre nach der englischsprachigen Originalpublikation kam es in Deutschland 1957 heraus. Eine Übersetzung, die es so bis heute gibt, obwohl sie gekürzt ist. Als Kinderbuch erschienen, vom Vater für seine Kids ersonnen und gedichtet, mutete man dem deutschen Nachwuchs nicht die Geschichte in Gänze zu. Erst 1997 – anlässlich 60 Jahre The Hobbit – ist eine vollständige Übersetzung, diesmal von Wolfgang Krege, herausgebracht worden, die – endlich – dem Originaltitel folgt: Der Hobbit oder Hin und Zurück (The Hobbit or There and Back Again). Dem Hörspiel folgte dann nur noch das Hörbuch als vollständige Lesung sowie zu unguter Letzt eine leider dreiteilig gewordene Verfilmung, die überambitioniert war. Jenseits diverser Buchausgaben und analoger Buchverspielungen zu Brett haben sich Adaptionen des Hobbits bedeckt gehalten. So prägend, wie diese Geschichte geworden ist, ist das irritierend; dafür, dass es vergleichsweise doch nur ein relativ kurzes Kinderbuch ist, verwundert es dann doch nicht.

Zum Sprecherensemble – und in den Hauptrollen sind es ausnahmslos Männer – nur so viel: es gibt ja mehrere Arten von Hörspielen, wo bisweilen gar kein Erzähler zugegen ist, alles aus der akustisch oder in direkter Rede zu hörenden Handlung hervorgeht. Und wo es eine Erzählperson gibt, die nicht notwendig Erwin Erzähler heißen muss;-), kann sie sich sehr zurückhalten, nur überbrückend erzählen, das eigentlich nur Sichtbare gleich einer Audiodeskription mitteilen. Oder sie kann wie Martin Benrath, der zu meiner Überraschung so nur als Pseudonym geheißen hat, die Erzählung prägen. Wunderbarer Erzähler, großartige Erzählstimme FÜR EIN KINDERHÖRSPIEL, beeindruckende Betonungs- und Sprechweise. Da lebt und blüht die Handlung auf, da imaginieren sich ganze Welten und fühlt man sich durch die feinen, zart kommentierenden Betonungen in die Geschehnisse hineingezogen. Formal müsste man von einem „auktorialen Erzähler“ sprechen, der irgendwie immer einen Schritt beiseite steht und wissend beobachtet und kommentiert. Das aber immer so gutmütig, so nahe dranbleibend – einfach schön. Für meine gealterten, nicht mehr kindlichen Ohren sind einige der übrigen Stimmen nostalgisch weiterhin famos, aber heutzutage hätte ich sie wohl anders besetzt. [Also davon ab, dass ich nicht in der Position bin, irgendjemanden kompetent irgendwo hin zu besetzen …] So empfinde ich – BISWEILEN – den guten Mister Beutlin und Thorin zu stimmähnlich, auch wenn der olle Zwirbelbart durchaus älter klingt, der haarstrubbelige Hobbit hingegen einfach nur gut besittet spießbürgerlich;-) Dennoch hätte man da mehr kontrastieren können. Aber das ist zeterndes Gezänk auf hohem Niveau, das die besinnliche Nostalgie ohnehin nicht ankratzen kann.

Ich wünsche gute Reise auf dem Weg zum Erebor, dem Einsamen Berg inmitten der Einöde jenseits des Nebelgebirges und der Wipfel des Düsterwaldes, wo Smaug der Drache droht!

Wirklichkeit und Ich

Es gibt ein Spiel, das Kinder spielen, wenn die Flut kommt. Sie bauen um sich herum eine vermeintlich undurchdringliche Sandmauer, um das Wasser so lange wie möglich draußen zu halten. Natürlich sickert das Wasser von unten durch und irgendwann durchbricht es die Mauer und überflutet alle.

Erwachsene spielen ein ähnliches Spiel. Sie umgeben sich mit
einer vermeintlich undurchdringlichen Mauer aus Argumenten, um die Wirklichkeit draußen
zu halten. Doch die Wirklichkeit sickert von unten durch, durchbricht irgendwann die Mauer
und überflutet uns alle.

James Keys alias Spencer Brown in „Dieses Spiel geht nur zu zweit“

Die Wirklichkeit muss durch das Nadelöhr des Ichs.Heinz Bude

Etiam si omnes – ego non!“ „Und wenn alle mitmachen – ich nicht!Matthäus-Evangelium

Der Schwarm

Hallo Mitwelt!

Ja, dieses Blog ist noch ein existierendes, das noch nicht an seinen Beiträgen in bloßer Zweistelligkeit zum schwarzen Löchlein kollabiert ist. Schreibblockade das anhaltende Zauberwort, das tiefschwarze Magie ist. Inzwischen hatte ich überlegt, ob das stille Schweigen nicht ein Ausdruck von Menschlichkeit ist, ein lebendiger Nachweis der Zugehörigkeit zu Homo sapiens. Denn verstummte Wortkargheit ist das Problem von ChatGPT freilich nicht und würde es auch nur jemals, wenn denn schlicht der Strom wegbliebe. Mensch kann schweigen, obwohl er reden könnte und etwas zu sagen hätte, derweil ChatGPT textet, wie ausufernd langatmig endlos man es abfragt. Und dann auch noch innerhalb viel kürzerer Zeit, als manche Menschen auch nur die Gedanken zum Thema grob geordnet haben. Und Tippfehler oder beharrliche Schreibfehler kommen dann auch noch massenhaft hinzu, die ChatGPT weitestgehend fremd sind (oder sein könnten, so es einmal korrekt gedeeplearnt hat).

Das Blog war also wiedermal abgetaucht, in die Untiefen des Ozeans der Stille, der Unschriftlichkeit, ohne die es in einem Blog ziemlich trist ist. Schriftlos schreibt sich schlecht, wie schon die Schriftweisen des Zweistromlandes wussten.

Vom Ab- und Auftauchen

Apropos abgetaucht. Diesen bemüht mühseligen Wortwitz kairosesk am Schopfe gepackt, sind wir auch schon beim Anlass des Tages: DER SCHWARM. Ausdrücklich die Serie, Event-Serie korrekt bezeichnet, die heute Abend linear auf ZDF zweiteilig anlaufen wird, um dann im Tagesrhythmus vollendet zu werden – Sendetermine live und linear:

  • Montag, 6. März 2023, 20.15 Uhr: „Der Schwarm“, Folge 1 und 2
  • Dienstag,7. März 2023, 20.15 Uhr: „Der Schwarm“, Folge 3 und 4
  • Mittwoch, 8. März 2023, 20.15 Uhr: „Der Schwarm“, Folge 5 und 6
  • Donnerstag, 9. März 2023, 20.15 Uhr: „Der Schwarm“, Folge 7 und 8

Wer sich von der medialen Disswelle nicht schon in die Flucht hat schlagen lassen, kann die Abende dieser Woche gut verbringen. Denn im Gegensatz zu dem Hohn und Spott, der massenmedial ausgeschwärmt ist, empfehle ich, mutig wenigstens heute die ersten beiden Folgen anzuschauen (je nach Abspielgerät auch mit Audiodeskription, wer ein „visuelles Hörspiel“ aus Angst vor CGI lieber doch nur hören will).

Das Ganze zuzüglich Dokumentationen und – mir zu – kleinschnipseligen Making Ofs findet sich selbstredend auch in der Mediathek, ZDF-Mediathek, die keinstenfalls anverwandt ist mit der von ARD. So eng und dicke sind die Öffentlich-Rechtlichen sich dann doch nicht, dass sie da gemeinsam am Strang ziehen würden. Für die Mediathek sind wir jedoch schon fast zu spät dran, die Einstelltermine dort waren:

    li>Mittwoch, 22. Februar 2023, ab 10.00 Uhr: „Der Schwarm“, Folge 1, 2 und 3

  • Mittwoch, 1. März 2023, ab 10.00 Uhr: „Der Schwarm“, Folge 4, 5 und 6
  • Mittwoch, 8. März 2023, ab 10.00 Uhr: „Der Schwarm“, Folge 7 und 8

>OBACHT: Alle Folgen original auf Englisch mit konnotierenden Akzenten, auf Deutsch sowie dieses mit besagter Audiodeskription als MP4 downloadbar via mediathekviewweb.de. Da wie dort für EIN JAHR LANG verfügbar!

Für mich etwas kontraintuitiv, wieso man nicht erst linear sendet und alle, die einst Interesse hatten, darüber bindet und anfixt. Wer nicht an allen Wochenabenden kann, kann ja Mediathek. Und dort ist das Finale schon zu schauen, während Folgen 6 & 7 linear erscheinen. So wurde irgendwie so vor sich hingebinget, haben die einen nur teilweise oder schon alle geguckt oder noch nicht. Am Ende ist ein konfuses Durcheinander rausgekommen, wo die einen schon übers Ende keifen, wo andere nicht mal den Anfang selber und unbetreut mit allem Wagemut gesichtet haben. Und wegen der vorzeitigen Zu-Ende-Gucker das dann auch lieber gleich sein lassen.

An der spöttischen Kritik, an der sich vorlagengebende Romanautor Frank Schätzing auch fleißig beteiligte und als Kronzeuge vielzitiert wurde, kam ich auch nicht vorbei. Der Schwarm versenkt oder journalismusstudierter Wortwitz ZDF-Serie Der Schwarm Der Schmarn. Unreime Rhymestyler als professionelle Journalisten. Angemerkt: Während man durch längst bezahlte GEZ wenigstens die Serie freizugänglich einsehen und beurteilen kann, verschanzen sich beide gelinkte SZ-Artikel hinter der Narrenkappe einer Antiallmendischen Schutzmauer (PayWall auf Neudeutsch). Das ist nicht ohne Amüsement, dass man Der Schwarm schon bezahlt hat, die Kritik dazu aber noch zusätzlich bezahlen soll. Erst recht wenn die Serie so untergegangen wäre, wie es heißt, zahlte ich doch keinen Pfennig mehr dafür, dann auch noch mehr dazu zu lesen.

Spannender und sachdienlicher hingegen der Beitrag bei Scala Hintergrund auf WDR5: „Der Schwarm“ und die Climate Fiction: Climate Fiction ist ein neuer Trend in Literatur und Film. Frank Schätzings Thriller „Der Schwarm“ zählt zu den ersten Romanen des Genres. Zum Start der ZDF-Serienadaption seines Stoffs hat sich Christel Wester im „Schwarm“ in der Climate Fiction umgesehen. . Dabei möchte ich dazu kritisch einwerfen:

  1. Der Schwarm, als Roman 2004 erschienen, ist KEINE Climate Fiction, weil Klima da noch gar keine Rolle gespielt hat (bzw. höchstens am Rande). Der Schwarm ist wenn dann ÖkoFiction, Ökothriller oder etwas derart, wo es um den Menschen und sein toxisches Verhalten dem Planeten und seiner – ozeanisch unbekannten – Bewohner gegenüber geht. Eine extraktivistische Landnahme um jeden Preis, daneben und dahinter die Sintflut, ist, woran sich der namensgebende Schwarm stört, der seinen Albert Schweitzer gelesen hat: Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will! Doch „leben lassen“ ist des Menschen Tugend nicht, weshalb es zur 1300-seitigen Eskalation auf Erden kommt. Die Außerirdischen bloß als Außerlandliche, die aus dem unbekannten Universum Ozean emporsteigen und dem Menschen die Grenzen aufzeigen. Klimawandel, akute Klimakrise sind da als Erzählrahmen noch gar nicht von Nöten, WÄREN aber eine vortreffliche Aktualisierung des beinahe 20 Jahre alten Romanstoffs gewesen.
  2. Wer eine Orientierung über die ClimateFiction haben will, höre unbedingt obig gelinkten Scala Hintergrund, vertiefend aber bitte auch: Auf der Sturmhöhe der Zeit – Wie Climate Fiction vom aufgeheizten Planeten erzählt, Beitrag von Thekla Dannenberg beim Deutschlandfunk. Demnach ist Der Schwarm keine Kipppunkt-Erzählung, die dieses Subgenre der Science Fiction erschaffen oder ausformuliert hätte. Das tut allem keinen Abbruch – nicht erst, wenn und weil Der Schwarm subgenreformend gewesen wäre, taugt er.

Nochmal zur Serie

Wer heute die ersten beiden Folgen beäugt UND den Roman kennt, sollte eigentlich erstaunt bemerken, wie doch ziemlich romannah der Beginn umgesetzt ist. Ja, in Folge 1 taucht gleich eine Person auf, die es im Roman nicht gibt: Charly, meereskundliche Doktorandin, die sich kurz darauf mit Douglas, lokalem Fischer, … bondet;-) Kurz fürchtete ich auch, die für Frank Schätzing vermutlich wichtigste und für mich als Leser sehr zentrale Figur des Sigur Johanson käme gar nicht vor, wäre zu Gunsten Charlys (und eines zu kostspieligen Weinverbrauchs^^) rausgeschrieben worden. Nein, Folge 2, wo auch Tina Lund auftritt. Andere Namen, die Romanlesende kennen, sind ebenso dabei: Leon Anawak, Samantha Crowe, Greywolf O’Bannon usw. Das ist zunächst einmal sehr gut gemacht, da soweit auch alle an den „richtigen Orten“ auftauchen und romanbekannte Rollen einnehmen. Wer schon hier abwinkt und das mit dem Roman begründet, sollte nochmal nachlesen – ALLE EINTAUSENDDREIHUNDERT SEITEN 😛 Oder das seinerzeit zehnteilige Hörspiel nachhören, das der sehr namhaften Sprecher*innen wegen sicherlich auch überteuert produziert wurde. Für die „Event-Serie“ ist die Rede von 40-44 Millionen Euro. Selbstredend in Kriegs- und Inflationszeiten mehr als viel Geld, mit dem vermutlich selbst gelbe Verkehrsminister hätten Brücken bauen (lassen) können. Was hierbei zumeist untergeht: das ist eine internationale Produktion gewesen, wo mehrere europäische Länder und auch fernes Japan beteiligt waren. Wenn man zum Urteil kommt, die Serie tauge nichts, dann bestimmt nicht allein der in der Oberstube zuletzt etwas desorganisierten Angehörigen es Öffentlich-Rechtlichen wegen, sondern weil man itnernational einen schlechteren Serienproduktionsgeschmack zu pflegen scheint als die Kritiker.

Ich belass es für heute dabei, komme aber nochmal auf den Schwarm zurück (auch wenn solche Versprechen in diesem Blog auf tönernen Füßen stehen, leider). Allein zum Brettspiel „zum Roman“ habe ich nämlich noch massenhaft etwas zu notieren – hier wäre produktive Kritik hilfreich gewesen … Bis dahin: veni, vidi, vici! Mögen die Yrr mit dir sein!

😀 EDIT: menschliche, allzu menschliche Falschschreiber, die mangels Lektorat erst posthum korrigiert wurden. ChatGPT wäre das nicht passiert;-)

Namárië Aragorn – Hans Peter Hallwachs in memoriam

Hallo Mitwelt!

Der Schreibblockade erreichtes Ende noch nicht in Sicht, gäbe es über
„Ein Hörspiel zu hören …“, noch zu Weihnachten wärmstens hörempfohlen, dennoch der schreibfreudigen Worte viele.

Die 30, in Worten: dreißig Episoden sind samt und sonders noch als MP3 downzuloaden, werden hierzu auf WDR5 auch noch regelmäßig beworben – und zwar zurecht! Sendetermine waren 1. und 2. Weihnachtsfeiertag je von 16 bis 22 Uhr, also je stolze 6, in Summe gar 12 Stunden Hörgenuss – und ein solcher war es. Denn ZUM GLÜCK ließ ich mich aufs altmodische, ganz und gar lineare Hören, so wie es von WDR5 gesendet wurde, ein, was ein lange nicht abverlangtes Sitz- aka Halbliegfleisch erforderte. Andersherum ließ ich mich nicht aufs „Streaminghören“ ein, Hören bloß nach Laune. Dann wären es vielleicht drei oder vier Folgen (je etwa 23 Minuten) pro Abend geworden, eventuell auch bis zu sechs bei Zeit und Muße am Tage. Dann hätte es sich aber über Tage weit jenseits von bloß zweien gestreckt und dramaturgisch dramatisch verdünnt. Über den Äther ging das Hörspiel allerdings nicht nonstop und auch nicht ungekürzt, sondern mit je zwei Unterbrüchen. Es begann, wollen wir mal korrekt sein, auch nicht mit dem Geläut zu 16Uhr, sondern nach den regulären Nachrichten um16:04Uhr. Zwei weitere, je rund 4-minütige Nachrichten erfolgten um 18 sowie 20Uhr – die besagten Unterbrüche, die zu hasthektischem Klorennen und Getränkenachholen führten. Je Hörtag also drei rund 2-stündige Hörblöcke, die ein- und ausgeleitet wurden von …

Gollum spricht

…von Gollum höchst persönlich. Also genauer gesagt Recherche und Archiv Bob Andrews, soll heißen: Andreas Fröhlich mit seiner besten Hörbuchstimme (nicht zuletzt einige der 5-bändigen Anhalter-Trilogie-Bücher). Jawohl, freudig überraschenderweise niemand geringeres als eben dieser, der Andy Serkis‘ Gollum ins Deutsche überführte und ihn dermaßen kongenial synchronisierte. Erst noch etwas zurückhaltend ob seiner rühmlichen Rolle, gestand er sein stimmliches alterego dann doch ein, zollte hiesigem Gollum-Intonator Dietmar Mues großen Respekt und gab den Romantiktipp, der Verehrten mit den Worten „mein Schaaatz“ doch mal morgens das Frühstück ans Bett zu bringen. Ihr zu wünschen, dass sich ihr das Bild von Gollum dann nicht zu sehr über den bis dato Geliebten legt und ihn zu sehr überdeckt;-) Das war in jedem Fall großes Hörkino, obwohl sich Andi Fröhlich jeweils kurz hielt und pro Block vielleicht gerade einmal 5 Minuten zu uns sprach.

Je Hörtag also 12 Minuten Nachrichten, zusammen 24; je Hörtag etwa 15 Minuten dem Gollum sein Synchronisateurs Worte, zusammen mindestens deren 30 – sind wir sicher bei 54, aufgerundet 60 Minuten, eine Stunde von zwölfen, in denen de facto gar kein Hörspiel lief. Bis kurz nach 21:30Uhr am 1. Weihnachtstag hatte ich davon jedoch nichts mitbekommen, hätte ich schwören können, alles wäre genauso, wie ich es nostalgisch begeistert auf die Ohren bekam. Erst als etwa um 21:30Uhr nächtens die Gemeinschaft am Amon Hen zerbrochen, Boromir von Pfeilen niedergestreckt und Frodo-Sam entflohen waren, fiel es mir auf: ohne Pausensequenz, ohne überleitende Worte des großartigen Erzählers waren wir sofort bei den Drei Jägern inmitten Rohans und – zu hastiger Schnitt – kurz hierauf bei Merry und Pippin, die sogleich auf Baumbart stießen (statt zuvor durch den beängstigend finsteren Fangorn zu stolpern). Da war doch was zusammengeschnitten!? An Tag 2 umso deutlicher, da nun das Hörspiel – an der szenischen Darstellung des Films orientiert – nur so zwischen den verbliebenen Bruchstücken der Gemeinschaft hin- und herwechselte. Und das so gut aneinandergefügt, dass es sich bedeutend dramatischer aufbaute und zuspitzte, als dass es im Original der Fall ist. Hier stand (und steht weiterhin) jede Episode für sich, fokussiert auf diesen oder jenen Teil der Gemeinschaft auf dem Wege nach oder schon in Mordor bzw. im Ablenkungskampf der Freien Völker, Saurons Auge auf sich zu lenken. Ab und an, aber wirklich nur selten ahnte ich mehr, als dass es mir klar im Hörgang war, dass im Zuge dessen gekürzt worden war. Stimmig durchweg allerdings.

Abbitten

Jetzt nicht bis ins letzte Detail, aber Abbitten muss ich doch leisten. In meiner Empfehlung rang ich um Worte, das Hörspiel doch bitte unbedingt vom Film zu scheiden, außer Konkurrenz anzuhören und nicht mit dem Maßstab der Film-Trilogie zu bemessen. Alles richtig, aber ich habe mir mit solchen Worten selber „Mut“ zu gesprochen, das bloß nicht zu tun. Ja tatsächlich, im Vergleich zu Baumbarts holzdröhnender Stimme im Film klingt der Hörspiel-Baumbart „abgespeckt“, aber mitnichten wie „ein älterer Mann der Stimme nach“. Allemal kräftig und sehr wohl mit Wumms – niemand, dem man im dunklen Wald begegnen möchte. Oder Gimli, der Erinnerung nach viel zu brav statt zwergenbärtig. Nun in der Tradition des Hobbit-Hörspiels stimmlich relativ nahe zu Thórin Eichenschilds Stimme, genau wie diese auch die von Gimli an Schärfe und Entschiedenheit zulegen kann. Noch weniger in Moria, aber sodann im Goldenen Wald, als er – zunächst als einziger – eine Sichtbinde anlegen soll, woraufhin er sich ingrimmig ereifert. Von hieran kommt der Zwergenzorn noch mehrfach hervor und passt nur zu gut. Legolas abgeklärt, der schon ziemlich weise, ruhige Elb, der folglich so gar nichts mit Orlando Blooms Superheld-Interpretation zu tun hat. Aber im Sprecherensemble ist auch das nur zu treffend. Apropos – Boromir! Beeindruckend, auch diese Stimme hatte ich nicht mehr so im Ohr. Stolz, entschieden, herrisch. Zu Hochform läuft er mit wechselnden Tonlagen und Unterstimmen auf, als er sich den Ring von Frodo „ausleihen“ möchte und nach Zurückweisung ausrastet.

Bezogen auf ihre Rolle sowieso schon, aber erst recht im Kontrast zu einander exzellenial: Rohans König Theoden versus Gondors Truchsess Denethor. Jener ein älterer Mann, anfangs gebeugt, dann aufgerichtet, stolz, aber großväterlich zuvorkommend und nett (vor allem Merry gegenüber). Dieser unbeugsam, dabei zu stolz und am Ende von Zukunftslosigkeit gepackt in schwarzer Depression versunken, zerfressen von den vergangenen Chancen. Ich litt körperlich mit! Insbesondere in Denethors Parts von düsterer Musik unterlegt, ein Klangteppich kontinuierlicher Bedrohung aus Mordor, von verschlingender Hoffnungslosigkeit ohne Aussicht trotz Palantir.

MEHRFACH war ich atemlos gefesselt und lauschte heißohrig der Geschichte, die für mich doch gar keinerlei unverhoffte Wendungen mehr bereithält. Aber die Intensität auf den Hügelgräberhöhen, wie die Hobbits im dichten Nebel in ihre Gräber tappen – wow. Noch nicht der Kampf an der Wetterspitze, dafür umso packender die letzten Meter vor der Furt nach Imladris, als die Ringgeister zu Rappen auf die Gefährten zustürmen und gedolchter Frodo ihnen zu entkommen sucht. Und sodann in Moria, als die Trommeln in der Tiefe zu schlagen begonnen haben und aus Feuer und Flamme der Balrog hervortritt und es zum Duell der Magiebegabten auf der Brücke von Khazad-dúm kommt. Bewegungsloses Lauschen! Trotz der Schlachten um die Hornburg, auf den Pelennor-Feldern oder vorm Schwarzen Tor war Tag 2 nicht mehr auf diese Weise szenisch in Besitz nehmend wie vom Ring ergriffen. Hier war es vielmehr die sich stetig steigernde, exzellent musikalisch untermalte, verzweifelter werdende, bedrückende Stimmung, die rund um Denethors Aussichtslosigkeit gipfelte.

Muss ich betonen, explizit ausdrücken, dass ich hellauf begeistert war und anhaltend bin? Ich bin heilfroh, das Hörspiel genauso, live und mit allem Drum und Dran inklusive Kürzung süchtig inhaliert zu haben, gebannt im Klang versunken. Beeindruckend, was 1991 entstanden ist, das ohne Filme bestimmt größere Kreise gezogen, mehr Aufmerksamkeit bekommen und Respekt erhalten hätte. So ist es bei den allermeisten vermutlich durch die Filme völlig überprägt worden oder seiner ganz anderen Erzählweise und Tonalität wegen nur schwer als eigene Spielart anzuerkennen. Hoffentlich hat es sich jetzt geändert!

Der Abgang des Königs

Und noch eine Stimme ist zu erwähnen, hervorzuheben, derer ich mir aber auch nach Jahren des Nichtmehrgehörthabens felsenfest sicher war, so felsenfest sie mir noch in den Ohren nachklang: Streicher – Aragorn, Arathorns Sohn, Stimme gegeben durch Hans Peter Hallwachs. Anfangs zwielichtig anmutend, als Streicher mehr sich herumtreibender Lump als zuverlässig wirkender Ehrenmann, der dann aber doch durch Tatkraft und Wissen hervortritt und sich von Mal zu Mal auszeichnet. Eine prägnante, prägende Stimme …

TOT

Eine Stimme, die von uns gegangen ist. Wie heute durch die Medien gegangen ist, ist Hans Peter Hallwachs bereits am 16.12. diesen Jahres im Alter von 84 Jahren verstorben. Bekannt vor allem durch Krimis, im Fernsehen meist in Nebenrollen beim TATORT und Co, in Hörspielen bei Umsetzungen von 5 Raymond Chandler-Krimis. Wie schon beim Terraner Volker Lechtenbrink kenne ich auch Hallwachs gerade nicht durch seine Auftritte, für die er allseits bekannt ist. Für mich ist er, jetzt mehr denn je, Aragorn, ein stolzer Nachfolger Isildurs, prophezeiter König von Gondor und ein Heiler. Im Ohr ist er mir noch als Stationsforscher Sartorius aus dem 2-teiligen Hörspiel zu Lems SOLARIS. „Unfreundlich, aber dafür entschlossen und geistig gegenwärtig“, so wird Sartorius‘ Präsenz beschrieben, auch die Hallwachs wie angegossen in Stimme bringen konnte!:)) Wo ich sein Lebenswerk bei Wiki so durchklicke, fällt mir noch das WDR-Hörspiel aus dem Jahr 2002 auf, das irgendwann während Corona wiederholt worden ist: Ins Herz der Nacht – eine Science Fiction-Interpretation von Joseph Conrads „Herz der Finsternis“, auch hier Hallwachs einen Wissenschaftler stimmt. Wäre ich mit Bernhard Hennens Fantasy-Welten bekannter als nur dem Namen nach, wäre ich mit Hans Peter Hallwachs quasi auf Du, der da einige der Vielbände (gekürzt) als Hörbuch eingesprochen hat.

Am Tag, als die Welt den Tod des größten Fußballers betrauert, hat uns auch einer der Gemeinschaft verlassen: der Abgang des Königs, der nach erfülltem Leben ohne Wiederkehr von uns gegangen ist:-(

Namárië! Nai hiruvalyë Valimar. Nai elyë hiruva. Namárië! Mellon Erulisso Ondonir

Ein Hörspiel zu hören – DER HERR DER RINGE

Hallo Mitwelt!

Unverkennbar, dass dieses Blog in eine schreibblockierte Starre verfallen ist und das über Monate hinweg. Das soll wieder anders werden und liegt gewiss nicht an einem Mangel an Input und interessanten Themen – ganz im Gegenteil, die haben sich kraftvoller angestaut als Wasser hinter einem Staudamm, schlechter geschützt als der Hauke-Haien-Koog hinter dem Deich.

Als Fingerübung zur Revitalisierung daher pünktlich zum heutigen konsumbesinnungslosen „Feiertag“ ein weiterer Hörspiel-Tipp, jedoch nicht irgendeiner, sondern ein ganz besonderer. Mit dem könnt ihr selbst mit der buckligen und könntet erst recht mit der lieben Familie den ersten sowie zweiten Feiertag akustisch verzieren und euch vom Nachmittag an in eine wundervolle Hörwelt zurückziehen und sie gemütlich vom Sofa aus mit Warmgetränken und Lembas durchwandern. In sparsamer Beleuchtung ganz auf das Hörspiel konzentriert, dem mit feuereifrig roten Ohren gelauscht wird!

Ein Hörspiel zu hören, sie alle zu finden, ins Audio zu treiben und ewig zu binden

Es ist mir ein großes Vergnügen und eine – nach langer Hörpause – ebenso große Vorfreude euch wärmstens und dringend bei WDR5 das Hörspiel anzuempfehlen, das vor 31Jahren erstgesendet worden ist: Der Herr der Ringe!!!

Sendetermine sind am 1. sowie 2. Feiertag je ab 16Uhr, jeweils über sechs Stunden bis 22Uhr. Das Hörspiel ist summa summarum also stolze zwölf Stunden lang, besteht aus 30 Episoden, die danach auch als MP3-Download bereitstehen! Die epischen Ausmaße lassen sich mit weiteren Infos von Wiki erahnen:

Mit etwa 70 Haupt- und 35 Nebenrollen, acht Chören und über zwölf Stunden Laufzeit handelt es sich bei dieser Aufnahme um eine der aufwendigsten Produktionen der deutschen Hörspielgeschichte. Allerdings werden die ersten Kapitel teilweise exzessiv detailliert behandelt, die späteren zunehmend immer stärker gekürzt und es wird das Ende des Buches sogar ganz ausgelassen und dadurch der Schwerpunkt der Geschichte merklich verändert. Fans ärgerten sich teilweise auch über die weitgehend falsche Aussprache der Tolkien’schen Eigennamen.Wiki über Der Herr der Ringe, Abschnitt 4.3

Statt das Augenmerk auf die Auslassungen zu richten – so fehlt zugegeben im zweiten Teil von Die Rückkehr des Königs die gesamte Befreiung des Auenlands genauso wie im Film -, sollte man vielmehr ausdrücklich betonen: Tom Bombadil und seine Frau Goldbeere kommen vor :)) (Die Gefährten, Kapitel 6 Der Alte Wald sowie 7 In Tom Bombadils Haus).

He, Tom Bombadil! Tom Bombadonne!
Hör den Ruf, eile her, bei Feuer, Mond und Sonne!
Komm, bei Wasser, Wald und Flur, steh uns nun zur Seite!
Komm, bei Weide, Schilf und Ried, aus der Not uns leite!

wird sogar rezitiert von Frodo, als die Hobbits – ebenfalls im Film ausgelassen – vom guten alten Tom von den Hügelgräberhöhen errettet werden mussten:-)

Ich würde es daher andersherum sagen: das Hörspiel hält sich viel mehr ans Buch, ist viel näher dran, zitiert stellenweise sogar (und zwar die bessere deutsche Übersetzung von Margaret Carroux, nur diese 1991 allerdings auch vorlag). Gerade weil der Beginn, der Aufbruch Frodos und Freunde aus dem Auenland so liebevoll umgesetzt ist, erhören wir auch nur hier und nicht im Film, wie gen Westen wandernder Gildor Frodo weitsichtig zum Elbenfreund erklärt und ihn so für die weitere Reise in die große weite Welt wappnet. Selbst Lutz kommt vor, das treue Pony, das die Gefährten von Bree an bis vor die Tore Morias begleiten wird.

Zu Risiken und Nebenwirkungen

Was stattdessen ins Ohr geht: das Hörspiel ist klanglich, akustisch nicht die Film-Trilogie! Das klingt trivial, doch alle, die von der Trilogie optisch sowieso, aber genauso von der Intonierung her geprägt sind, über die Filme eventuell erst nach Mittelerde gefunden haben, oder von ihr in vorhergegangenen Hörspieleindrücken überprägt wurden, könnten sehr, sehr stark irritiert sein! Das Hörspiel bedient sich nicht realakustischer Klänge, die das Setting realistisch vertonen. Es wird viel komponiert, ja, aber auch mitnichten als Foreshadowing auf den Stil von Howard Shore. Wie auch? Klar! Aber wer die hoffnungsstiftenden Töne für die Hobbits oder das Ringmotiv in seiner düsteren, Finsternis verheißenden Vorahnung im Ohr hat, hat einen Ohrwurm wie einen Tinnitus. So prägend sind die „Shore-Scores“, dass selbst die Milliardärsserie Ringe der Macht Anleihen nimmt und so mittelirdisch wiedererkennbar ist.

Für mich lange prägend war insbesondere der Episodenauftakt, der für mich als Knilch Größe und Tiefe verhieß, bedeutungsvoll und geheimnisvoll zugleich war. Mit der Tonalität wird auch hier schon gespielt, so viel flötenfröhlicher sind daher die orchestralen Klänge noch im Auenland während und nach Bilbos Abschiedsfeier. Immer düsterer wird Klang und Stimmung, je weiter sich Frodo und Sam gen Mordor schleppen, wenn von dort himmelverschattende Düsternis aufzieht. Das ist gut gemacht, aber ebenso völlig anders als der ausgezeichnete Film-Score.

Gleiche Lage bei den Stimmen, nur um ein paar Beispiele zu nennen:

  • Gollum: unwiderstehlich weltweit ins Ohr gesäuselt, geschrien, geplappert, gehaspelt und gejammert von Andy Serkis im Original, im Deutschen genauso kongenial intoniert von Recherche und Archiv Bob Andrews (auch unter dem Pseudonym Andreas Fröhlich bekannt). Geht das besser? Vermutlich nicht. Kann der gute Dietmar Mues da mithalten, der diesen zwiespältigen Charakter voller Inbrunst intoniert? Seit 2001 und erst recht 2002 nicht mehr wirklich. Dabei wandelt er seinerseits auf den Tonspuren desjenigen Gollums – es gibt schlicht viele von ihm;-) -, der im wunderbaren Hobbit-Hörspiel die geschundene Kreatur hinausbrüllte, als ihr Schaaaatz ihr entschwunden wart. Gollum klingt da wie dort weniger wie ein hobbitkleines, gekrümmtes Wesen als viel mehr wie ein garstig großes Monster, das so viel gewaltiger als die Hobbits – Bilbo oder Frodo und Sam – ist und durch die Stimme schon physisch bedrohlich wirkt. Der arme Kerl hat’s aber auch nicht leicht, müsste mal aufs Sofa.
  • Sam Gamdschie: Gesprochen von Edgar Hoppe. Klingen die vier Hobbits im Film und speziell Sam jung und dadurch klein wie ihre Körpergröße, eher wie Kinder als Erwachsene, eben wie zumeist nur 90Zentimeter kleine Hobbits und nicht wie Angehörige des Großen Volkes, klingt unser Sam, bester aller treuen Freunde, schlicht wie ein Mensch. Ein eher größerer, vor allem auch älterer Mensch, ein gemütlich fülliger Mann vielleicht. Aber wie ein wuseliger Hobbit? Merry Brandybock (Tobias Lelle) und Pippin (legendärer Rufus Beck) sind da besser, hobbitesker getroffen. Frodo wiederum (Matthias Haase) liegt stimmlich dazwischen, kann meines Erachtens nach hinten raus immer besser die niederdrückende, beugende Last verstimmlichen, die sich in ihn hinein psychosomatisiert, je näher der Ring der Schicksalsklüfte kommt. Sam würde ich anhand der Stimme als ruhig und bedächtig sowie besonnen charakterisieren. Einen Schritt vor den anderen setzend, erst die Lage erfassen, nicht einfach so drauflos handeln. Das vermittelt Zuverlässigkeit, das nur zu gute Grundlage für Treue ist, für die niemand so wunderbar einsteht wie Sam. In diesem Sinne ist Sams Stimmbesetzung trefflich – man muss sich nur vor allem bei ihm hineinhören, dass er ein eigentlich junger, etwa gleichalter Hobbit wie Frodo sein soll, der aber wie ein eher 50-jähriger Mensch klingt.
  • Aragorn: Gesprochen von Hans Peter Hallwachs. Auch hier kann es zu einem Clash of Voices kommen, wenn man des Film-Aragorns Stimme (original oder synchronisiert) im Ohr hat. Der Hörspiel-Aragorn klingt lebenserfahren, ziemlich alt (wie er es nach Jahren sehr wohl auch ist, nur dank numenorischer Herkunft sich noch in den besten Jahren befindet). Dieser Aragorn hat schon viel erlebt, war hörbar ein vom Leben gezeichneter Waldläufer, der schon vielen Gefahren gegenübergestanden hat. Weniger dynamisch und vorpreschend, niemals wegen irgendwelcher Warge eine Klippe hinunterstürzend. Ein besonnener Fels in allen Brandungen Mittelerdes, zielgewiss und beharrlich. Aber auch doppelt so groß wie Sam? Mitnichten, sie könnten nahezu gleichalt und ziemlich gleichgroß sein. Hierauf, wie körpergroß Stimmen wirken, achtete man leider so überhaupt nicht bei der Besetzung. HP Hallwacvhs war für mich Aragorn – Punkt aus! Zäh wider alle Widerfahrnisse, denen er widerstand, um stetig weiterzumachen. Anfangs klingt auch er unheimlich zwielichtig, so wie er als „Streicher“ ja auch eingeführt, von Butterblume im Tänzelnden Pony beschuldigt wird. Erst mit der Zeit wird die Stimme passend zur Rolle die eines anerkannten Anführers, königlich sozusagen.

Und so könnte man die gesamte Besetzung durchgehen. Gimli, der ruhig bis brav wirkt und mitnichten den axtschwingend grollenden, steinbärtigen Spurtzwerg des Films verkörpert. Baumbart, der auch nur ein älterer Mann der Stimme nach ist und kein ‚lebender Baum‘ mit einem Körpervolumen wie sonst kein Lebewesen weit und breit. Wesentlicher ist meiner Meinung nach, dass das Hörspiel dem Buch allen voran in der Dramatisierung folgt. Hier dürfte man am Irritiertesten sein, dass die Schlachten an der Klamm um die Hornburg, auf dem Pelennor-Feldern oder final vor dem Schwarzen Tor selbstredend samt und sonders vorkommen, aber an die inszenatorisch epischen Ausmaße der Filme nicht heranreichen. Ja, die kampfwütige Intensität wildwüsten Schlachtengetümmels wird hier nicht tondetailreich zum Leben erweckt. Wie auch schon nicht in den Büchern, die eben nicht mit mordlüsternen Kampfdetails aufwarten und wo die Kapitel mit den besagten Kämpfen auch nicht länger sind als insbesondere solche in Die Gefährten, wo geografiereich die Welt durchwandert wird. Kämpfe sind, aber doch nur narrative Mittel zum Zweck, nicht zu inszenierender Selbstzweck der bombastischen Szenerien und lautstarken Kampfgeräusche wegen.

Kurzum: man müsste sich, so man will, auf eine Hörwelt vor den Filmen einlassen, die im Gegensatz zum Hobbit-Hörspiel längst kein reines Kinderhörspiel mehr ist und sein will. Es beginnt aber noch gutmütig wie ein Kinderhörspiel, um sich dann Folge für Folge zu steigern. Ja und die Aussprache – das ist ein eigen Ding. Wer will, kann nebenher ja auf sindarin.de kritisch mitlesen und zwischen warmem Kakao und Keksen die Zunge in die richtige Vokalisierungsposition bringen:-)

Zurück in die Kindheit

Für mich wieder einmal ein Hörspiel der Kindheit. Im Urlaub in Bayern, morgens noch im Bett liegend, lauschte ich dem Bayrischen Rundfunk, wie er das Hörspiel wiederholte. Obwohl doch schon 9 Jahre alt, war ich erst neun Jahre klein und ziemlich verängstigt und furchtsam, als die Ringgeister ihre Jagd aufgenommen hatten und den vier Hobbits nachspürten. Erst die Szene auf der Straße, wo die Hobbits gerade so noch in die Büsche und hinter Bäume gelangen konnten; am Gruseligsten für mein jüngerego aber, als die Schreie der Ringgeister zu hören waren, wie sie durch den lichtschluckenden, schweren Nebel drangen und sie suchend am Anlegesteg erschienen, schnüffelnd wie ein Suchhund, kaum dass die Hobbits abgelegt und übergesetzt hatten. Von kindlicher Furcht gepackt, HOFFTE ich, diese Folge ginge zu Ende, zu spannend sie für mich damals noch war. Es ist zu lange her, dass ich es das letzte Mal hörte, um die Folge zu benennen: entweder schon Nr.03 „Der Feind regt sich“ oder doch schon Nr.04 „Hinaus in die Welt“. Du kannst es ja selber erhören!

In jedem Falle hörte ich im Urlaub nur wenige der Folgen und sehr sicher nur welche vom Beginn, nicht aber die Auftaktepisode selber. Daher, mit kindlich gründlicher Konsequenz, gehörte das Hörspiel in Gänze erstanden und seither ungezählt oft gehört! Das war lange für mich Mittelerde, bis ich erst mit Zeitverzug zu den Büchern respektive den Hörbüchern gelangte. Eiderdaus, auf einmal endete es ganz anders, ums Auenland wurde gekämpft, die Ringkrieg-Veteranen mussten eine (vor-?)letzte Mut- und Willensprobe bestehen, um in der Heimat wieder ankommen zu können. Doch weder dieser Ort, der die alte Heimat war, noch sie, die sie doch nur Hobbits waren, waren noch dieselben, selbst nachdem auch dieses Übel durchgestanden war. Der Ring hatte sich wie ein Siegel in Bienenwachs in ihr Leben eingeprägt und alles verändert, obwohl er doch vernichtet wurde. Das ist wahrlich die, zuerst reichlich verkannte, zunehmend verstandene letzte Poante der Geschichte, die sowohl Heldin- als auch Entwicklungsreise für ihre Protagonisten gewesen ist. Heldin- gegenüber (klassischer) Heldenreise in dem Sinne, dass der Held klassischerweise alleine loszieht und die Prüfungen zum Aufstieg selber zu meistern hat, von Gelegenheitsfiguren Rat und bisweilen Tat erhält. Bei der Heldinreise gibt es keinen singulären Held, dem bloß angelegentlich zugearbeitet wird und werden muss, von dessen schicksalhafter Schwerkraft alles abhängt; eine Heldinreise dauert fort und fort, weg von der Tür, wo sie begann, weit über Land, von Ort zu Ort, eine Gemeinschaft folgt ihr, so gut sie kann. Als ein Vieles läuft sie dem Geschehen rascher Füße nach, bis die Geschichte sich wundersam verflicht‘ mit Twist und Wendnis tausendfach. Doch am Amon Hen wendet’s sich, die Gemeinschaft zerbricht.

Ich wünsche ein gutes Hörspiel inmitten trotz aller Umstände guter Tage!

Radikale Intelligenz – Intelligenz des Radikalen

Hallo Mitwelt!

Heute ein assoziativer Einwurf nach Lektüre eines – leider in der käuflichen Trutzburg eingemauerten – SZ-Artikels: „Kluger Kopf, dummer Gedanke“. Autor ist Sebastian Herrmann, dessen Psychologie-Beiträge größtenteils nur SZplus zugänglich sind. Doch worum geht es und wie kann es sein, wenn der ganze Kopf klug sein soll, dass in ihm dumme Gedanken spuken?

Intelligenz scheint extreme politische Positionen zu begünstigen – selbst wenn diese manchmal etwas unterkomplex wirken. Wie kommt das?
Zu den in weiten Kreisen beliebten Breitband-Bösewichten zählt „der Kapitalismus“. Dieser Wirtschaftsordnung verpassen viele laut meinende Menschen den Stempel des Grundübels der Gegenwart. Zwar wird in den entsprechenden Äußerungen kaum je spezifiziert, was mit „der Kapitalismus“ genau gemeint ist, aber das hält niemanden von lautem Wortkrawall ab. Man floskelt sich halt so durch den Zeitgeist und raunt von „kapitalistischen Strukturen“, die Sexismus, Rassismus, Umweltzerstörung, Populismus, Kriege und alles übrige Blöde dieser Zeit mindestens begünstigen.Sebastian Herrmann im SZ plus-Artikel

Dem zugrunde liegt die Studie in Intelligence (Volume 95): „Sophisticated deviants: Intelligence and radical economic attitudes“. Das Ergebnis ist demnach, dass in signifikanter Tendenz ein Mehr an Intelligenz mit radikaleren Ansichten einhergeht und die Träger*innen dieses Leidens verstärkt -ismus-Ideologien (Kommunismus, Neo-/Liberalismus, Faschismus, … usw.) zuneigen. Die britische Studie, in die 13.000 Proband*innen einbezogen wurden, fokussierte sich speziell jedoch auf wirtschaftspolitische Ansichten und deren Korrelation mit sich ballender Intelligenz im Oberstübchen. Daher der zitierte Bezug auf den Kapitalismus, gegen den sich dann mit allen Mitteln der Intelligenz konfrontiert wird. Das gelte interessanterweise in beide (politischen) Richtungen, verschont weder linke noch rechte Intelligentia.

Eine weitere – nicht gelinkte – Studie wird referiert, die einen gleichförmigen Zusammenhang zwischen Intelligenz und der Einnahme radikaler Positionen zur Coronapandemie diagnostiziert. Faustformel auch hierbei: je intelligenter, desto gestrenger, unnachgiebiger, sprich radikaler wird die Position des eigenen Lagers vertreten und ausgelegt. Je intelligenter, desto weniger moderat steht man pro oder contra Coronamaßnahmen ein, versteht vielmehr alle Argumente für die eigene Sichtweise zu vereinseitigen. Es geht dabei also ausdrücklich nicht um Verquergedachte mit ihrer radikalen Lesart, sondern schließe genauso vehemente Befürworter einer jeden Coronamaßnahme zugunsten der Sicherheit ein. Das muss sich dann nicht unbedingt von links nach rechts aufspannen, sondern dürfte sich charakterlich verankern und durch habituelle Dispositionen speisen. Wer beispielsweise introvertierter als extravertiert ist und eventuell auch noch gewissenhaft, wird mit Bedacht vorsichtshalber pro Coronamaßnahmen sein und würde, so diese Studienlage, eher entschiedener bis radikal dafür eintreten, je intelligenter so eine Person ist. Oder wenn als Intro keine nach außen hin entschiedene Meinung kundgetan wird, denkt man sie sich dennoch still und heimlich und bedenkt maßnahmenschlampige Mitmenschen radikal kritisch. Mit „habituellen Dispositionen“ ist soziologisch sperrig gemeint, dass wir alle sozial geprägt sind. Das üblicherweise bereits vom Elternhaus her, wo wir in elterlicher Primärsozialisation fürs Leben mehr mit- und in den Rucksack gepackt bekommen haben, als wir meist gerne hätten; und das auch noch vermittelt, als wir als Kleinkinder noch voll und ganz im Bann dieser alleswissenden Erwachsenen standen und es geprägsam so hinnahmen, es für die Wahrheit über die Welt hielten. Und diese „lange Leine“ erweist sich dann immer mal wieder im Leben, wenn sie den Radius dessen umkreist, was unsere Prägungen =habituelle Dispositionen sind. Nochmal anders: Habituelle Dispositionen sind die kindheitlichen Langzeitnachwirkungen, die uns nach oftmals nicht bewussten Mustern handeln lassen.

Zurück zu den Studienergebnissen: Kognitive Befähigung in messbarer Form der Intelligenz scheint demnach Radikalität zu befördern bzw. diesen Personen dazu zu verhelfen, ihren Anliegen und Standpunkten auf radikal(er)e Weise Ausdruck zu verleihen. Und wenn dann innere Intelligenz noch mit verbalem Mundwerk eine konspirative Affäre eingeht, vermögen sich derart intelligente Menschen auch noch an ihren Worten aus dem Sumpf des S(t)umpfsinns zu ziehen. Sozialpsychologisch vermögen sie durch intelligent eingesetzte Rhetorik ihr Umfeld mehr als andere auf ihre Ansichten und so über die Maßen auf die außenseitig(er)en Perspektiven aufmerksam zu machen. Hierin läge dann wohl auch EIN Grund, wieso die radikalisierteren Ränder sich kommunikativ größer zu machen verstehen, als sie anteilig sind – weil in ihren Reihen verstärkt die dafür nötige Intelligenz ansässig ist, um diese Klaviatur zielführend zu bespielen.

Nehmen wir das mal so hin, setzen das als Axiom (so sei es), dann …

Soziale Zentrifugalkraft der Intelligenz

Dann stellt sich mir die soziologische Folgefrage, was dieser Befund über Einzelne, die mithilfe ihrer Intelligenz (tendenziell!) zum Radikalen und ins Extreme neigen, hinaus für die Gesellschaft bedeutet. Wir haben also zwei (oder gar mehr?) Pole des Radikalen, der Extreme und dazwischen aufgespannt eine Mitte, die sich sowieso immer als „die (eine) Mitte“ versteht und ihrerseits genauso gegenüber ihren Außenseiten verabsolutiert. DIE Linke – DIE Rechte – DIE Mitte! Wobei mir das auch schon zu politisiert althergebracht benannt wäre und Falsches assoziieren lässt. Gesellschaft ist nicht bloß linear von links nach rechts – mit einer Ausbeulung in der Mitte – begreifbar, müsste vielmehr sozialstrukturiert dreidimensional gedacht werden. Der Einfachheit halber imaginiere ich zweidimensional eine scheibenförmige Gesellschaft mit der sog. „Mitte“ im Zentrum, deren extreme Ränder in 360° ringsherum zu finden sein können. Extrem ist demnach, was aus einer angenommenen Mitte heraus kontrastfern ist. Und da sich i.a.R. kaum wer für extrem und radikal hält, sondern stets besonnen und mit Gründen, gibt es demnach viele Mittel-Punkte (im Plural). Inmitten der Gesellschaftsscheibe, die die Welt bedeutet, ist also eine vielpunktige Mitte-Fläche, wo sich die meisten wiederfinden (wollen). Niemand hat die Absicht, radikal zu sein…

Ich habe dieses Bild auch deshalb gewählt, so wenig es üblichen Darstellungsweisen gesellschaftlicher Sozialstruktur entspricht, um im Folgenden meine Assoziation über die Wirkkraft der Intelligenz besser veranschaulichen zu können. Denn wenn, wie die Studien gemäß Sebastian Herrmann nahelegen, der Intelligenz eine Kraft zur „Polarisierungsbeschleunigung“ innewohnt, wünschte man sich Homo sapiens freilich (NOCH!) dümmer. Wenn angelegentliche Intelligenzinfektionen bei Homo sapiens bewirken, dass er vermehrt zum extremen Radikalisieren neigt, wirkt Intelligenz innergesellschaftlich als Zentrifugalkraft. Intelligenz soll also eine solche soziale Kraft meinen, die ein relativ homogenes, relativ ruhendes Zentrum wirkmächtig in Rotation versetzt und so dafür sorgt, dass bisherige Bestandteile aus diesem Zentrum hinausfliehen und sich nunmehr heterogen rings um das Zentrum anlagern. Intelligenz als der „Treibstoff“ für eine gesellschaftliche Zentrifuge, die die Trägheit des Gesellschaftssystems aufmischt und in (kreisende) Bewegung versetzt.

Daher Gesellschaft außergewöhnlich als Scheibe gedacht und konzipiert, da aus ihrem trägen Inneren die Intelligenz nach außen drängen und drücken lässt und – prinzipiell gleichermaßen in alle Richtungen – so für eine nach außen hin immer schnellere Drehbewegung sorgt. Scheint Gesellschaft in ihrem Zentrum konservativ bewahrungsträge, dreht sie sich zu den Rändern hin intelligenzgetrieben immer schneller und scheint vom zentralen Standpunkt aus gar zu überdrehen. Intelligenzverursacht teilt sich eine zentrifugierte Gesellschaft in mehrere umeinander gelegte Ringe, die nach außen an Eigengeschwindigkeit zulegen. Analog zu nebeneinander liegenden Rollbändern mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, wo von Nachbarband zu Nachbarband das Tempo anzieht, erhöht sich das gesellschaftliche Tempo vom Gesellschaftskern aus ringweise.[1]

Intelligente Ränder – und die Mitte?

Obiger Artikel hinterfragt also kritisch das Loblied auf die Intelligenz, wenn aus ihr zunächst einmal Extremes und Radikales erwächst und noch lange nichts Gutes. Dabei bleibt die Perspektive für meinen Geschmack zu sehr ins Links-Rechts-Schema gezwängt, das die Gesellschaft allzu sehr auf den (eindimensionalisierten) Strich schickt. Sollte man denn dann keinen Argwohn gegen diese Intelligenz entwickeln, wenn sie übermäßig nach links und rechts abkippt? Aber was sagt es denn über die Mitte aus, wenn aus ihr die Intelligenz nach außen hin abwandert? Ist die oder irgendeine Mitte dann nicht immer einem kontinuierlichen Braindrain und einem Strudel der Mittelmäßigkeit ausgesetzt? Ja, sollte die Mitte sich dann nicht auf sich besinnen, statt über die intelligenten Ränder zu spotten, derweil sie nämlich verdummt?

Solange die Mitte, was der Usus ist, das Gros der Gesellschaft ausmacht, wird sich in ihr in absoluten Zahlen auch das Gros der Intelligenz finden – trotz aller Zentrifugalkräftigkeit auch weiterhin. Aber während sie auszudünnen droht, Intelligenz stets zu den Seiten ausweicht, ist der Anteil an Intelligenz in der Mitte gegenüber den Rändern geringer. Am Rand potenziert sich die Intelligenz auf, ballt sich an, lagert sich an, während sie in der Mitte ausgewaschen wird. Wie Goldgräber, die in Flüssen nach Gold waschen, von den Flussrändern aus schöpfen und dort das Gold anhäufen, braucht der Fluss wie die Gesellschaftsmitte einen steten Nachstrom an Gold oder Intelligenz.

Das wäre dann quasi ein antigravitativer Effekt, wo sich eben nicht automatisch im Zentrum (der sozialen Mitte) die Intelligenz durch ihresgleichen angezogen ballt, sondern vielmehr wie bei elektromagnetischer Kraft es zu gegenpoligen Abstoßungen und in ihrer Folge zu Umverteilungen kommt. Doch was kann dann die Mitte machen, nicht ganz zu verblöden, nicht aller Intelligenz verlustig zu gehen, trotz aller Fliehkräfte genug bei sich zu behalten?

Die gemäßigte Gesellschaftsmitte muss – soziologisch gedacht – die potenziellen Intelligenzträger*innen für sich gewinnen, auf Lebenslaufbahnen einlenken, die im gesellschaftlichen Kernbereich angesiedelt sind. Es bedarf also einer Sogkraft, die der Fliehkraft entgegenzuwirken vermag. Altgedient (deshalb aber nicht notwendig wohlgedient) bildet die Gesellschaftsmitte dafür Organisationen aus, die mit dem ganz formalen Wahnsinn der Intelligenz umzugehen verstehen, gleich einem Dompteur das wilde Raubtier zu bändigen vermögen. Schule ihr Name! Eine DER Institutionen schlechthin entlang der Prozessstrukturen des individuellen Lebenslaufs! Diese wie andere Institutionen setzen „Ablauf- und Erwartungsmuster“, die die ungestüme Intelligenz in sozial verträgliche Bahnen (nahe am Zentrum) führen soll. Und wenn es gelingt, die Intelligenzträger*innen quasi küstennah schippern und stets in Landsicht ankern zu lassen, wäre aus der Eigenlogik der Gesellschaftsmitte heraus Gewinn eingestrichen. Wenn, ja wenn nach solcher Plankensetzung die Intelligenzträger*innen ins Fahrwasser gelingender Handlungsmuster gelangen, ist der Kurs gesetzt! Denn dann profitiert selbst die hinausdrängende Intelligenz zu sehr von alledem, das es im „Gewässer der Mitte“ zu fischen gibt, um das gefahrvolle Wagnis einer Hochseefahrt ins Unbekannte bereitwillig einzugehen. Wenn allerdings der Profit nicht im Sinn der Mitte lockt, sondern der Ruf der Wildnis wie der Gesang der Sirenen lauter und deutlicher zu vernehmen ist, werden doch die Segel gehisst. Denn den Horizont verkennen ja selbst Landratten nicht, auch wenn sie ihm nicht ständig nachstreben.

Verdummung durch Intelligenz?

Der Metaphern gibt es gewiss noch viele, die die Prozesse veranschaulichen helfen. Was bisher unhinterfragt blieb, ist die Intelligenz selber. Was ist sie eigentlich und wenn ja, wie viele? Notfalls immer das, was man misst und mit dem IQ messgenau festhalten zu können hofft. Dass man von multiplen Intelligenzen im Plural sprechen müsste, kennen alle Lesenden von Büchern Daniel Golemans. Der popularisierte über das Abstraktum des IQ hinaus noch den EQ als emotionale Intelligenz, aber auch eine soziale sowie ökologische Intelligenz. An letzterer mangelt es nachweislich, wobei sich solcherlei Intelligenz auch – den Anteilen nach – irgendwo am Rand der Gesellschaft im vergleichsweise Extremen angesammelt hat. Von Sonntagsreden und Vorzeigeprojekten abgesehen, ist diese Art der weltbezogenen Intelligenz noch längst nicht salonfähig – trotz sich verschärfender Notwendigkeiten. Was wiederum mutmaßen lässt, dass Intelligenz (welcher Unterart auch immer) ein prinzipiell rares Gut ist, sich nicht situativ notwendig oder/und sozial erwünscht vermehren lässt. Es will vielmehr gehegt und gepflegt werden, kann nämlich auch kläglich verkümmern und sich verflüchtigen. Intelligenz ist also eine ephemere Sache, so sehr sie zu einem gewissen Anteil angeboren und demnach genetisch verankert sein mag. Die besten Intelligenz-Gene taugen nichts, wenn sie durch ihre soziale Umwelt nicht epigenetisch aktiviert werden und angeschaltet bleiben. In den abgeschatteten Tälern von Verlaufskurven verdunkelt sich noch jede Leuchte.

Die Risiken und Nebenwirkungen von Intelligenz, die die auf sichere Beständigkeit des routinierten Weiter-So getrimmte Gesellschaft aufzumischen, sind in jedem Fall betrachtenswert. Soziologisch erstaunt der Befund im Übrigen nicht wirklich. Bedenkt man die vier Dimensionen sozialen Handelns im Sinne von Max Weber: „Soziales Handeln […] soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“ Die vier Dimensionen beschreiben dann die sinngemäße Motivlage, wieso und wozu man sozial handelt: zweckrationale, wertrationale, affektuelle oder/und traditionelle Motive sind hier optional.

In diesen übergroßen Fußstapfen dieser Nominaldefinition lässt sich ein modern ausgedrücktes Motivensemble festmachen:

  • Traditionelles Handeln (traditionelle Motive), demnach man in der Gegenwart so handelt, wie man den überlieferten Traditionen gemäß immer schon gehandelt hat;
  • Routinehandeln (in etwa: wertrationale Motive), demnach man ein festgesetztes Handlungsmuster – routiniert – gegenwärtig beharrlich beibehält, nachdem man es sich einmal angeeignet hat;
  • emotionales Handeln (affektuelle Motive), demnach man aus der Emotion heraus situativ handelt, sich die Handlung emotional Bahn bricht;
  • Entscheidungshandeln (zweckrationale Motive), demnach man in der Gegenwart im Sinne der Zukunft, auf diese hin handelt, um im Jetzt hinkünftig etwas in Gang zu setzen und in die Wege zu leiten.

Traditions- und Routinehandeln speisen sich aus der Vergangenheit und wirken von dort in die Gegenwart hinein, in der man sich nicht stets aufs Neue damit befassen und abplagen muss, ob und wie man denn nun hier und jetzt handeln sollte. Man macht es so, wie es zuvorig schon festgelegt worden ist – im Falle der Traditionen den Gründen nach verunklarter als bei Routinen, die besserenfalls aus guten Gründen einst etabliert wurden. Emotionales Handeln ist in der Gegenwart gefangen und lässt sich so recht erst nachvollziehen, nachdem es vergangen ist und man sich wieder beruhigt dem Handeln zuwenden kann. Demgegenüber ist alleinig das Entscheidungshandeln nicht aus der Vergangenheit genährt oder der Gegenwart verpflichtet, sondern richtet sich an die Zukunft. Man betritt mit einer Entscheidung Neuland, weicht von den Pfaden eingeübter, altbekannter, ja vertrauter Tradition und Routine ab; kann sich nicht in der Gegenwart verlieren und nur kurzsichtig den Tag leben. Entscheidungshandeln verlangt mehr ab, nämlich die zweckrationale Beschäftigung mit dem Umständen, der Gewahrwerdung von Zielen und Zwecken und der aufzulösenden Frage, wohin man denn aus dem Jetzt hinkünftig gelangen will. Lange Rede, relevanter Punkt: Laut Uwe Schimanks Zeitdiagnose (von 2005) leben wir in einer Entscheidungsgesellschaft, in der der Subtyp des Entscheidungshandeln mehr denn je die Oberhand gewonnen hat und das soziale Handeln dominiert. Ergo wird öfter denn je innerhalb der Gesellschaft das traditionelle sowie routinierte Handlungsgefüge durch zunehmende Entscheidungen gestört und aufgebrochen. Und zwecks Entscheiden ist vielleicht nicht unabdingbar, aber hilfreich und nützlich: Intelligenz! Intelligenz, um sich der Umstände, der kontextuellen (Neben-)Bedingungen bewusst zu werden, die die Entscheidung beeinflussen.

Und wenn die Beobachtung stimmt, dass die Gesellschaftsmitte – dem Bild nach – weitgehend in sich ruht, dann herrscht in ihr Traditions- und in unseren Zeiten vor allem Routinehandeln vor. Und wer entscheiden will oder meint zu müssen, verlässt damit den „sicheren Hafen der Mitte“ und begibt sich auf den offenen Ozean der Zukunft, von der es keinerlei Karten gibt. Und dann bleibt nur der „Kompass der Intelligenz“. Und so verdichten sich Entscheidungshandeln, weg vom Etablierten, und Intelligenz als bester Ratgeber für die Ungewissheiten der Zukunft und drängen sich gemeinsam am Rande der bekannten Welt. Man muss an den Rand, um über den Tellerrand hinausblicken zu können, was an und für sich eine extreme Sache ist.

  • Die Gretchenfrage wäre, inwieweit die Intelligenz der Menschen als eine Art „Drehimpuls der Gesellschaft“ aufzufassen wäre. Das Problem ist nur, dass sich der Drehimpuls stets aus der Bezugnahme auf einen Massen(schwer)punkt berechnen lässt. Doch so sehr sich „die Mitte“ innerhalb einer Gesellschaft ihrer Zentralität gewiss ist, so wenig ist sie fest verortet, sondern kann sich in ihrer Masse (Quantität) sowie sozialstrukturell (Qualität) verschieben, gleicht also eher einem plattentektonischen Kontinent mit Driftgeschwindigkeit hier- oder dahin. Doch wenn der soziale Massenpunkt wandern kann, sich lokal verändert, verändert sich dadurch auch der Drehimpuls der gesamten Gesellschaft.

    In die Sterne geschaut, verkompliziert sich das Ganze sogar noch: denn während ein anständiges Sonnensystem noch mehr als genug Masse im Zentrum, der Sonne, ballt, worum sich dann artig die Planeten in seriösen Ellipsen drehen, können die Massen auch mal unanständig heterogen verteilt sein. So nämlich innerhalb einer Galaxis, die – im Falle der unsrigen Milchstraße – nicht absolut genug Masse präzise im Zentrum angesammelt hat trotz eines formidablen Schwarzen Loches, damit sich alle randständigen Sonnensysteme wie wohlerzogene Planeten ellipsensauber an die eine exakte Umlaufbahn halten. Anhörlicher in Sternengeschichten 503 über den „Weg der Erde durch das Universum“:

    Damit sind wir aber noch lange nicht durch. Denn auch die Sonne bewegt sich; durch die Milchstraße hindurch. Aber nicht so wie ein Planet um einen Stern herum. In erster Näherung kann man sich das durchaus so vorstellen; wenn man genauer hinschaut ist das Bild aber komplizierter. Denn in einem Planetensystem ist der absolut überwiegende Teil der Masse im zentralen Stern konzentriert; die Planeten sind alle viel, viel leichter und der Stern dominiert quasi die Bewegung alleine. Im Zentrum einer Galaxie wie unserer Milchstraße sitzt zwar auch immer ein sehr massereiches schwarzes Loch. Aber das ist bei weitem nicht so dominant. Die Milchstraße hat zum Beispiel ein schwarzes Loch mit einer Masse von circa 4 Millionen Sonnenmassen. Das ist viel – aber da sind ja noch circa 200 Milliarden Sterne, die zusammen, sehr vereinfacht gerechnet, dann auch 200 Milliarden Sonnenmassen haben. Und dann sind da noch die ganzen Gaswolken, der ganze Staub, die dunkle Materie, und so weiter. Und weil in einer Galaxie die Masse eben nicht im Zentrum konzentriert ist, folgen die Sterne auch keinen simplen Bahnen um das Zentrum herum. Die Sonne zum Beispiel bewegt sich zwar schon mehr oder weniger um das galaktische Zentrum herum. Ihre Bahn ist aber ein wenig wackelig, sie bewegt sich auch auf und ab, soll heißen, dass sie sich ein paar Millionen Jahre lang über der mittleren galaktischen Ebene bewegt, also der Ebene, in der sich die Spiralarme befinden und dann wieder ein paar Millionen Jahre lang darunter. Sie braucht ungefähr 240 Millionen Jahre für eine Runde und bewegt sich aktuell mit einer Geschwindigkeit von 792.000 km/h beziehungsweise mit 220 Kilometer pro Sekunde.Sternengeschichten-Erzähler in SG503

    Das sei als Einwand so ausführlich eingeworfen, weil sich sowohl in der Galaxis als auch einem Sonnensystem die Verhältnisse anders erweisen als in meiner proklamierten „Scheiben-Gesellschaft“: hier drehen sich die „Ringe der Intelligenz“ nach außen hin immer schneller, je mehr Intelligenz sich in ihnen abgelagert hat wie Sedimentgestein. Astronomisch ist es genau andersherum, da flitzt innerster Planet Merkur nur so flinkfüßig um die Sonne, während Neptun entschleunigt seine – zugegeben auch so viel länger gestreckte – Bahn zieht. Da braucht die unsrige Sonne (s.o.) Abermillionen Jahre für einen Umlauf ums galaktische Zentrum, während Sonnen, die nahe ans dortige Schwarze Loch geraten sind, zusehends beschleunigen, um irgendwann hinter den Ereignishorizont zu rasen. Dann: Singularität!

    Intelligenz ist demgegenüber eine Fliehkraft, die Tempo macht!

  • In a hole in the ground there lived a hobbit

    Mae govannen mellyn!

    Die Straße gleitet fort und fort,
    weg von der Tür, wo sie begann,
    weit über Land, von Ort zu Ort,
    ich folge ihr, so gut ich kann,
    ihr lauf’ ich raschen Fußes nach,
    bis sie sich groß und breit verflicht’
    mit Weg und Wagnis tausendfach.
    Und wohin dann? Ich weiß es nicht.
    Die Straße in The Road Goes Ever On

    Doch bedenke: „Es ist eine gefährliche Angelegenheit[…], wenn du zur Tür hinausgehst. Du betrittst die Straße, und wenn du nicht auf deine Füße achtest, so kannst du nicht wissen, wohin sie dich tragen.“Gandalf zu Frodo in Die Gefährten

    Alles beginnt einmal und führt über die Wege des Daseins drüber und drunter hinweg, führt an Schwellen geduldigen Sitzens und in Fässer rasanter Reisen, führt hin und zurück zu sich selbst auf der eigenen Heldenreise!

    So geschehen, so begonnen heute vor 85 Jahren, am 21.09.1937: Bilbo Beutlin, seines Zeichens wohlgesittet spießbürgerlicher Krämer, „bloß ein Krämer“ seiner Erbschaft, den es in die Unweiten der Welt hinausführte, der hinausgeführt wurde, gedrängt förmlich. Einer, der nicht gegangen wäre, wäre er nicht gegangen worden; hätte er sich nicht dem sozialen Druck einer dreizehnköpfigen Zwergengruppe und dem gnadenlosen Urteil eines Zauberers beugen müssen. Ein so unscheinbarer Zeitgenosse, dass das Werden der Welt an ihm vorbeigewoben worden wäre, wäre er nicht schon vorab als Meisterdieb wider Willen in den Strom der Geschehnisse hineingesogen worden.

    In a hole in the ground there lived a hobbit

    Als sich diesseits der realen Welt langsam die dunklen Wolken über Europa aufzutürmen begannen, begann mit dem Erscheinen einer wundervollen Kindergeschichte am besagten 21.09.1937 eine Anderswelt zu existieren, die bis heute nichts von ihrem Zauber verloren hat. An diesem Tag vor 85 Jahren ist im britischen Verlag Allen & Unwin ein Buch herausgebracht worden, dessen erste 1500 Exemplare bereits innerhalb von nur drei Monaten ausverkauft waren und das noch viele weitere Auflagen und Medienadaptionen erleben sollte. The Hobbit or There and Back Again, in deutscher gekürzter Erstübersetzung Der kleine HobbitTobias Altehenger erinnert an diese Zeitenwende der Literatur im WDR-ZeitZeichen! Damit wuchs ein Kinderbuch als „Spitze eines Eisberges“ aus dem Ozean der phantastischen Gedanken empor, die ein da bereits 45-jähriger Professor schon lange ersonnen hatte. Zuerst seine, ab diesem Tag dann alle Kinder konnten eine Welt betreten, die größer und tiefer war, als die Schwarz auf Weißen Zeilen des Buches dokumentierten; eine Welt so vielschichtig, so weit verzweigt durch Raum und Zeit, wie es sie bis dahin – und nur noch selten seither – nicht gegeben hat. Eine Welt, die Schritt um Schritt wächst und größer wird, nachdem „Mister Beutlin“ einmal den strubbeligen Haarfuß aus der Tür auf die Straße gesetzt hat, die ihn in unbekannte Lande über Berge hinweg und drunter hindurch führen sollte. Und uns, als wären wir einer der 13 Zwerge, stets dabei, an Bilbos Seite.

    Zwar inzwischen um stolze zwei Jahrzehnte hintan, werfen Königs Erläuterungen zu Der Hobbit einige Schlaglichter auf Aufbau, Figuren(konstellationen) & Co., die lesenswert prägnant gehalten sind. Ein Zauberer, der die meiste Zeit zwar weg ist und gar nicht da, aber dennoch nie zu spät kommt; ein Hautwechsler, der gruselt und zeitweise ein bisschen Angst macht, am Ende aber mit dem Herz am rechten Fleck den Freunden zur Hilfe eilt; kapuzenbunte Zwerge, die doch stets eigensinnig sind und bleiben, vom Glanz des Schatzes mitunter geblendet sind, trotzdem nicht den entscheidenen Moment verpassen. Steintrolle, Hochelben, Waldelben, Seemenschen, grausame Waldspinnen, Höhlenorks, himmelverfinsternde Fledermäuse, wilde Warge, Heere einander grimmer Lebewesen – entlang der Straße treffen wir auf so viele Gestalten, begegnen wir einer so vielgestaltig ausstaffierten Welt, dass man gleich einem kleinen Hobbit kaum je aus dem Staunen kommt. Und vielen begegnen wir ein zweites Mal, sie bleiben nicht zurück, sondern fordern erneut ihre Aufmerksamkeit. Man weiß also nicht nur, wohin der nächste Schritt auf der Straße führt, sondern auch nicht, wer flinken Fußes einem folgen mag.

    Klangliche Einbettung

    Doch zurück zum ZeitZeichen, das uns – mich in jedem Falle – so gut abholt und an die Seite Bilbos verzaubert. Der Stimme und Sprechweise nach hätte ich einen Klumpen Mithril wetten können, dass Tobias Altehenger gar nicht er, sondern vielmehr Malte Hemmerich wäre, der er aber nicht ist. Malte ist Stimme bei SWR Score Snacks, wo er Film- und Serienmusiken seziert und auf ihre Leitmotivik Ton für Ton abklopft. So hört man gleich ganz anders hin und selbst als Musikbanause sogar mehr als zuvor raus. Malte hat bisher sowohl das Hobbit-Motiv als auch das Ring-Motiv unter das Hörgerät gelegt. Beide Motive hören wir auch im ZeitZeichen. Die flinke Leichtigkeit der Hobbits, mit dieser Beschwingtheit der naiv gute Bilbo sein Abenteuer beginnt. Demgegenüber die tontiefe Gewichtigkeit, die der magische Ring in Der Hobbit zugegeben an keiner Stelle schon erlangt, an der erst Neffe Frodo viele Jahrzehnte später schwer wird tragen müssen. Es ist schon erstaun-, noch mehr aber erfreulich, dass und wie sehr diese beiden Tonfolgen ganze Welten erwecken, filmreife und buchtiefe Assoziationen ausgraben wie Zwerge Mithril.

    Doch Tobias, also der ZeitZeichen-Kreateur, zieht noch mehr Register, erweist sich noch mehr als wohlgekämmter Haarfüßler: Herrliche Einspieler des vierteiligen, 270-minütigen WDR-Hörspiels aus dem Jahre 1980, aus dem wir allen voran „Mister Beutlin“ aka Horst Bollmann hören! :)) Wer die Filme im Kopf hat, kann sie damit therapieren! Und wer die Filme nicht im Kopf hat, kann ein großartiges Kinder-Hörspiel in die Rübe bekommen, das allerdings noch auf alte Art und Weise intoniert. So wird zum Beispiel Unwetter, in das sie auf dem nebelgebirge geraten, orchestral wiedergegeben, gibt es keine realistische Akustik echter Tonproben. Auch ist das Hörspiel so gar nicht dramatisiert wie die Film-Trilogie, geschweige denn vorlagenfern überfrachtet.

    Doch drei Zugeständnisse an die Hobbit-Filme macht Tobias: So hören wir den Zwergengesang über die „Misty Mountains“, den Filmtrack zum Film sowie – natürlich – Gollum, der seeiiinen Schaaatz inbrünstig anbetet. Da alle Tonbeispiele auf Deutsch sind, hören wir hier dann auch Andreas Fröhlichs geniale Intonierung, die so gar nichts mehr mit Recherche und Archiv Bob Andrews zu tun hat;-) Im Hobbit- wie im 30-teiligen Herr der Ringe-Hörspiel wird Gollum hingegen von Jürgen von Manger gluckzend und grummelnd in Töne gesetzt. Hier klingt Gollum vielmehr wie ein großes, grimmes Monster, so viel stärker als die kleinen Hobbits und daher ungemein gefährlich – und zunehmend in sich zwiegespalten. Gollum, der Mann. Rückhörend die vielleicht unpassendste Besetzung, was ex post gehört natürlich unfair ist.

    Und so weiter! Und so fort! Mit all diesen Anspielungen und Einspielern schafft es Tobias, als wäre er doch Malte, dank der ausgewählten Melodien, der raren Hörsequenzen die ganze Geschichte in bloß 14 Minuten aufziehen zu lassen. Und dazwischen immer wieder und eindrücklich wiederholt der chöpfer dieser Welt – J. R. R. Tolkien, der mit einem so unscheinbaren Satz wie ein Hobbit Mittelerde wie eine detaillierte Karte entfaltete: In a hole in the ground there lived a hobbit! Braucht es mehr?

    Die Folgen

    Die Folgen waren folgenreich, wenn man so will. Der Hobbit musste dann zwar zumeist zurücktreten, ins zweite Glied rutschen, wurde wie durch Gwaihir überflügelt, als nicht die Adler kamen, sondern Der Herr der Ringe erschien und endgültig die Fundamente der Phantastik erschütterte. Selbst ein literarischer Massenmörder beruft sich auf Tolkien, was diesen gewiss irritiert hätte, wie er erstaunt vom Ruhm seiner nichtprofessoralen Tätigkeit war.

    “Und dann stirbt Gandalf! Ich kann nicht erklären, was für eine Auswirkung auf mich hatte, als ich 13 Jahre alt war. Man kann Gandalf nicht töten. Ich meine, Conan ist auch nicht in den Conan-Büchern gestorben, oder? Tolkien hat diese Regel gebrochen, und dafür werde ich ihn für immer lieben. Sobald man Gandalf tötet, ist die Spannung für alles, was folgt, tausend Mal höher, denn jetzt könnte jeder streben. Selbstverständlich hatte das tiefe Auswirkungen auf meine eigene Bereitschaft, Figuren im Handumdrehen zu töten.”
    Zitat von G. R. R. Martin, zitiert nach Robots & Dragons

    Nicht Boromirs Tod, heldenhaft am Ende für die Gruppe einstehend, sondern Gandalfs – doch nur zeitweises – Abtreten von der Bühne soll schuld für die inzestuös-soziozidalen Verhältnisse in Westeros sein? Und das nur, weil ein Hobbit sich eine Höhle grub, ein Loch in der Erde?

    Dark side of life – Verlaufskurven und Depression

    Hallo Mitwelt!

    Wer unter einer Depression leidet, blickt eher pessimistisch in die Zukunft. Warum sich daran auch nach einer guten Erfahrung wenig ändert, hat jetzt eine deutsche Forschungsgruppe untersucht. Wie sie in »Clinical Psychological Science« berichtet, erscheinen den Betroffenen ihre Erfolge eher als Ausnahme von der Regel. Im Einzelfall könnten sie zwar ihre Erwartungen an die spezifische Situation anpassen. »Sie haben aber Schwierigkeiten, diese Lernerfahrung zu verallgemeinern.«

    Zitiert aus dem Spektrum-Artikel von Christiane Gelitz Depression: Erfolge erscheinen als Ausnahme von der Regel.

    Hatte mal irgendwo gelesen, es bräuchte fünf positive Inputs/Feedbacks/Momente, um einen negativen auszugleichen / wettzumachen. Ich dachte mir da nur und bei obigem Zitat wieder: Wie kommt / gelangt man denn auf fünf Goods bzw. wie bleibt man denn bloß bei einem Bad? Das Verhältnis ist doch umgekehrt? O_o Und wenn – auch nur gefühlt – eher 5 Bads einem Good gegenüberstehen, dann ist doch klar, wenn das Gute da unter die Räder kommt und auf der Strecke bleibt.

    Wie sollte man denn auch von einer Ausnahme induktiv verallgemeinern? Nicht, dass das inmitten einer Depression zum Tragen kommt, aber vom Einzelfall aufs Ganze zu schlussfolgern, ist wissenschaftlich auch gar nicht angeraten. Als Anekdotisches Wissen sehr wohl Anlass, Hypothesen zu bilden, ob dem so sein könnte, um dem dann nachzugehen. Aber mehr Allgemeingültigkeit wird dem Einzelfall zunächst nicht zugestanden.

    Selbstwirksamkeitserfahrung stellt sich schließlich auch erst nach einer Kette von Selbstwirksamkeitserlebnissen ein. Nachdem man für sich oft genug Selbstwirksamkeit erlebt hat, das je positive Erleben auf den eigenen Konto hat gutschreiben können, beginnt man von den Zinsen zu leben. Man kann auf das selbstwirksame Erleben in der neuen Situation sozusagen zurückgreifen und mit dem Selbstbewusstsein des Gelingens auch diesen neuen Fall angehen. Das setzt jedoch voraus, dass die Kette eben nicht ständig zerschnitten wird, sich die Glieder so überhaupt nur zu einer fortreichenden Erfahrungskette verbinden können.

    Das setzt ebenfalls voraus, dass man in förderlichen Situationen und Kontexten war und von ihnen zehren kann. Vier Wege führen laut dem Psychologen Albert Bandura zur Selbstwirksamkeit oder helfen diese aufzubauen:

    • 1. eigene Erfolgserfahrungen (mastery experience)
    • 2. stellvertretende Erfahrungen (vicarious experience), z.B. durch Beobachtung
    • 3. Äußerungen von Anderen, die suggerieren die Person könne eine bestimmte Handlung ausführen (verbal persuasion)
    • 4. physiologischer oder affektiver Zustand vor oder bei der Bewältigung einer Erfahrung (physiological and affective states)
    • Erstens ist selbsterklärend;
    • zweitens setzt ein Vorbild voraus, um an und von diesem Modell zu lernen, wie man es gelingend macht;
    • drittens meint mehr und anderes als bloßes Feedback, das mehr verklärt und beschönigt statt produktiv zu kritisieren;
    • viertens macht den Unterschied zu erstens auf, dass es nicht nur eine kognitive / mentale, sondern auch körperliche Ebene der Selbstwirksamkeit gibt, bis zu der „hinab“ der Prozess durch- und einwirken muss bzw. sollte, um tief verankert zu sein.

    Mangelt es nun an derart förderlichen Situationen, in denen man auch nur eine dieser vier Wege proaktiv oder interpassiv beschreiten kann, bleibt die Selbstwirksamkeit aus, fehlt es am psychophysischen Eindruck, dass etwas gelingen kann. Etwas, das von dir selbst ausgeht, durch dich bewirkt worden ist. Und – ich komme auf den Anfang zurück – ohne derlei Positives kann man kein Good dem Konto gutschreiben, kann man erst gar nicht ein Good erkennen, selbst wenn es einem widerfahren ist. Genauer gesagt: bloße Widerfahrnisse, die einem passiv passieren, zählen dann immer weniger und irgendwann gar nicht mehr. Obwohl – mit Positiver Psychologie gesprochen – man doch die Dinge und vor allem die guten so nehmen muss, wie sie kommen. Ob gut oder gut, Hauptsache gut, doch eigentlich egal ob selber bewirkt oder von außen an einen herangetragen.

    Eigentlich… Denn dieses „Passieren“, geschieht mit einem, von dem ist man voll und ganz abhängig, kann es – erst recht mangels Selbstwirksamkeitserfahrung – nicht mit sich in Verbindung setzen, auf sich beziehen. Es ist dann ja bloß zufälligerweise angelegentlich auch mal gut, ohne dass eigene Einflussnahme hier irgendetwas gelenkt hätte. Man ist dann zunehmend der unbeeinflussbar erlebten Umwelt ausgesetzt, ja ausgeliefert. Es passiert jenseits von einer, man ist nicht aktiver, involvierter Teil dessen, nicht integral fürs Zustandekommen; nur dabei statt mittendrin!

    Nochmal wissenschaftlicher formuliert – und zwar mit den sog. „Prozessstrukturen des Lebenslaufs“, die Fritz Schütze mit Narrativen Interviews destilliert hat. Die methode des Narrativen Interviews ist Teil der Biografieforschung. Hier sollen die Interviewten ausführlich entlang ihrer Biografie erzählen, ohne dass es lenkende und einschränkende Fragen seitens der Interviewenden gäbe. Bei der Auswertung lassen sich dann bestimmte Erzählmuster ausmachen, die sich mit je individuellem Inhalt gefüllt in so ziemlich allen Interviews aufeinanderfolgend wiederfinden. Das sind dann die besagten Prozessstrukturen:

    • Institutionelle Ablauf- und Erwartungsmuster: Schule, Universität, Berufsausbildung sind die klassischen hier gemeinten Institutionen, die Abläufe vorgeben und Erwartungen an das Individuum stellen. Durch diese Institutionen muss man hindurch, an denen muss man sich messen lassen und mit den Ergebnissen muss man biografisch fertig werden.
    • Handlungsmuster/Handlungsschemata: kurz gesagt, sind Handlungsmuster biografische Zeiten des gelingenden Handelns, in denen man ziemlich problemlos die obigen fünf Goods zusammenbekommt, um gelegentliche Bads locker wegstecken zu können. In Handlungsmuster-Zeiten erntet man Selbstwirksamkeiten im Plural so üppig und reichlich, dass man sich Besseres als Goldketten um den Hals hängen kann.
    • Verlaufskurven: Wenn man sich biografisch verlaufen hat, aus der Kurve geraten ist und das Dasein zum Erleidensprozess wird. Wenn man partout nicht auf 5 kompensierende Goods kommt, da man von Bads umzingelt scheint. Wird die Brust inmitten von Handlungsmustern immer breiter, strafft sich die Haltung und leuchten die Augen nur so vor proaktiver Begeisterung, dunkelt sich hier alles ab, wird verschattet und zwielichtig. Man passiviert und wird zum Spielball anderer, deren Regeln man nicht halb so gut kennt und beherrscht. Aus dem handlungsgelingenden Ich-Subjekt wird ein Objekt der Geschehnisse. Oder alles fühlt sich zumindets so an.
    • Wandlungsprozesse: der Vollständigkeit diese noch erwähnt, die zwischen den drei genannten Zuständen einen Wechsel herbeiführen. Prozesse, in die man freilich verwickelt ist, sei es, weil man endlich dank vermittelter Selbstwirksamkeit doch noch aus der Verlaufskurve emporgestiegen kommt; sei es, weil man gegenläufig das Handeln verlernt (bekommt) und aus den lichten Höhen des Gelingens in die verfinsterten Täler des Misslingens gerät. Von da nach dort führt der Wandlungsprozess durch eine Statuspassage vor der biografisch ausstaffierten Kulisse erstgenannter „institutioneller Ablauf- und Erwartungsmuster“. Ja …, in Schule, Studium oder Ausbildung kann viel gelingen oder misslingen und die Biografie in diese oder jene Richtung wenden.

    Ach und in Statuspassagen, die einen Wandlungsprozess verheißen (also vom Schlechteren zum Besseren zu führen scheinen), kann man selbstredend steckenbleiben. Dann wird die Passage zur unwohnlichen Wohnstatt, in der man sich notgedrungen einrichten muss. Das sind dann die schlimmsten Höllen, weil sie aufwärts ins Licht wiesen, dem man sich dennoch nicht (weiter) annähern kann, obwohl man sich extra auf den Weg gemacht hat. Wie es Alaska Saedelaere mal so trefflich sagte, wenn auch in maximal anderem Zusammenhang: „Es ist dunkler, wenn ein Stern erlischt, als wenn er nie geleuchtet hätte.“ Wer das – rein metaphorisch gemeinte – Sternenlicht nie sah, kennt und weiß nicht, wie sich eine lichte Welt anfühlt. Wer sie schon erblickte und weiß, was da schwindet, kann es vermissen.

    Ich suche dann mal Goods – irgendwo muss es sie ja geben.

    Signale aus der Mondnacht

    Hallo Mitwelt!

    Ich hatte es schon einmal als Empfehlung im Blog, inmitten der fortgesetzten Lemiade: das Hörspiel meiner Kindheit und ziemlich sicher der „erste Lem“, der mir je zu Ohren kam – „Die Mondnacht“.

    Ohne mir bekannten Anlass, Lems 101. Geburtstag ist noch gut drei Wochen hin, ist das Hörspiel nun erneut online gegangen. Im SWR2-Hörspiel-Feed gesichtet, führt der link auf eine Seite des NDR: „Die Mondnacht“ – abrufbar bis zum 29.08.2023!

    Aus dem Reservetank einer Mondstation entweicht Sauerstoff. Der Rest kann bis zum Eintreffen der nächsten Versorgungsrakete nur einen von zwei Wissenschaftlern versorgen. Im Überlebenskampf versucht jeder der beiden, den anderen umzubringen. Ihr eigentlicher Gegner aber ist die Technik: Ein Tonbandgerät zeichnet alle Geräusche in der Forschungsstation auf. Nun versucht jeder, das Band zu täuschen.

    Übersetzung aus dem Polnischen: Klaus Staemmler. Mit: Bodo Primus (Dr. Blopp), Horst Michael Neutze (Dr. Mills), Reinhard Glemnitz (Stimme aus Houston), Manfred Schott (Speaker), Gisela Hoeter (Monder, der Stations-Computer).

    Regie: Dieter Hasselblatt. Produktion: BR/NDR/SDDR/SFB 1976. Redaktion: Michael Becker.

    Bei meiner Kondolenz Herbert W. Franke zu Ehren hatte ich auf zwei zu diesem Anlass wiedergesendete Hörspiele verwiesen – so u.a. auf „Signale aus dem Dunkelfeld“. Dort hatte ich meine sprunghaften Assoziationen bereits festgehalten, dass mich „Signale aus dem Dunkelfeld“ vom Setting – Mond, Mondstation (Kammerspiel) – und Personal – 2 bis 3 LunanautInnen – sehr an Lems „Die Mondnacht“ erinnert hat. Daher sei jetzt quasi per Direktlink beides nebeneinandergestellt und zum Hören anempfohlen.

    HWF „baut“ um die auf dem Mond spielende Kernhandlung zwei Rahmen herum. Rahmen 2 / der innere Rahmen lässt Fachmänner der beteiligten Institutionen (analoge!?) Bänder abhören, die man von den Ereignissen in der mondrückseitigen Station hat bergen können. Damit entspricht diese Interpretationsebene genau dem, was wir als Hörende von Lems „Die Mondnacht“ für uns selber leisten, nämlich das Gehörte – und nichts anderes als nur das Gehörte! – zu interpretieren, auszulegen, mühsam zu verstehen. In „Die Mondnacht“ intrigieren die beiden betroffenen Astronauten gegeneinander, just indem sie sich des laufenden (analogen!?) Aufnahmegeräts bewusst sind und alleinig anhand ihrer Stimme eine spätere Zuhörerschaft von sich zu überzeugen suchen, nämlich unschuldig zu sein, nicht verantwortlich für die sich aufschaukelnden Geschehnisse. Darüber grübeln wir sodann, ob und wer Recht haben könnte, so wenig es für den einen oder den anderen schlussendlich gut endet. Bei „Signale aus dem Dunkelfeld“ hören wir den Interpretatoren der Aufnahmen beim Interpretieren zu, womit wir deren Auslegungen mit unseren Eindrücken vergleichen können. Letztlich gibt es dann noch den Rahmen 1 / den äußeren Rahmen bei „Signale aus dem Dunkelfeld“, wo eine hörbar aufgebrachte, wissbegierige Journaille zu erfahren verlangt, was passiert sei. Die um Glättung der Wogen bemühte Presseabteilung wiederum selektiert aus der Kernhandlung und aus Rahmen 2 das für sie Weitergebenswerte, um das erlittene Desaster im doch noch lichten Licht dastehen zu lassen. Auch hierüber können wir unsererseits sinnieren, ob das Presseteam nicht ein infogarstiger Haufen ist, der bloß beschönigt und auslässt, wie es passt; oder ob die Journalisten überhaupt kompetent ihren Aufgaben nachkommen und die richtigen Fragen stellen.

    So gehört, ist „Signale aus dem Dunkelfeld“ die Special Extended Edition zu „Die Mondnacht“, wo die eigentliche Handlung doppelt eingebettet wird und so vielschichtige Tiefe bekommt, die bei „Die Mondnacht“ noch gänzlich ausgespart blieb. Davon ab freilich, dass die Kernhandlung zwar manch Ähnlichkeit aufweist, dennoch ganz andere Pfade beschreitet. So verkompliziert „Signale aus dem Dunkelfeld“ aufgrund auch nur einer – auch noch weiblichen – Person die Involvierten und macht aus einer Zweier- eine Dreieckskonstellation, in die hinein nicht Monder penetrant quatscht, sondern rein stimmliche Aliens (oder was auch immer) suggestiv Kontakt aufnehmen (oder was auch immer). Während die Mondnacht-Männer zunehmend toxisch werden, ergeben sich zwischen den beiden Männern und der Frau „menschliche, allzu menschliche“ Abgründe, wo es eben auch um sexuelle Selektion geht … 😉 Ob Mond oder Mond – es läuft stets anders:-)

    Das also als Einwurf, als Hörauftrag im Rahmen auch deines Hörspielabos, das du längst abgeschlossen hast. Und das sich daher abzuhören lohnt!

    Über-Konsum

    Hallo Mitwelt!

    Binge eating wie binge watching sind Phänomene des Überflussses wie des Mangels zugleich: Man frisst etwas in sich hinein, wo ein innerer Mangel besteht; man ballert sich voll, wo man eigentlich etwas hätte hervorbringen sollen.

    Diese Tendenz zeigt sich schon in den Zeitungen und den Sozialen Medien: Hier wird eine Schwere der Passivität kultiviert, die nur noch über den eigenen Konsum (von Essen, Reisen, Veranstaltungen, Büchern, Filmen, Musik) berichtet, lediglich konsumiertes Zitat an Zitat, Anspielung an Anspielung, Konservengedanke an Konservengedanke reiht, ein Konsumerlebnis ans nächste setzt, statt selbst zu erfahren und zu produzieren.

    […]

    Das bingen ist dabei ein sehr charakteristisches Symptom dieser Zeit: Man frisst sich voll mit Inhalten, zu denen man ohnehin nur in abstraktem Verhältnis steht. Die konsumierende Sicht auf die Welt lässt den Betrachter als einen Passiven zurück, der zur Wirklichkeit in keinem praktischen, also konkreten Verhältnis mehr steht.

    […]

    Das Bingen zeigt aber auch, dass der Konsum selbst inzwischen nicht mehr das wichtigste am Konsum ist, sondern dessen z.B. (sozial-)mediale Aufbereitung. Der Meta-Konsum ist das Gebot der Stunde[.]

    Zitiert nach: „Überkonsum als Symptom des heutigen Kapitalismus“ von Marlon Grohn auf Telepolis.de

    FRAGE

    Frage: bin ich mit diesem Blog schon Teil dessen? Ist das hier bereits eine solche Reproduktionsmaschinerie von Konservengedanken? Ein bloßes passiviertes Zitations-Berichten von Büchern und Filmen / Dokumentationen? Ein konsumappetitanregendes Vorkauen des dadurch umso Konsumierbareren?

    Oder bedürfte es dazu mindestens Affiliate Links zu namhaften Anbietern all der genannten Bücher? Zählt das – seit relativ kurzer Zeit erst – hochfrequente, binge-eske „Konsumieren“ von Dokumentationen wie bei ZDFinfo, ZDF History, 3SAT, ARTE & Co. schon als Bingen im obigen Sinne? Fresse ich mich damit bloß voll, derweil ich nie je mehr dazu Verhältnis aufbaue als ein abstraktes? Ist das informative Weitergeben wie zum Erscheinen des „60 Jahre Atlan“-Sonderbandes genauso schon Teil des Über-Konsums auf der Meta-Ebene wie die Vogelschau auf die zweite ATLANTIS-Staffel?

    Oder kann ich mir einen Rettungsring als Ehrenrettung auswerfen, um mich an ihm eigenhändig aufs Trockene zu ziehen, indem ich obig kritisierte reflexionslose Passivierung für mich umwende / ummünze in eine Interpassivität? Interpassivität als „delegiertes Genießen“. Als Beispiel: „•Der Sportzuschauer erfreut sich an Leistungen anderer, und in der Kochsendung kochen andere zum Vergnügen des Zuschauers“ DAS GEFÜHL IST TOT für mich in Sachen Fußball als Metadon-Genießen (jedoch mit fannisch mehr als bloßem interpassivem Einsatz). Aber eventuell ist die (psychoanalytische) Lesart dieses versiegten ‚begehrlichen Anspruchs‘ die, dass an die Stelle dieses Ventil des Begehrens nur ein anderer (Konsum)Anspruch getreten ist, der auch bloß einer Überkompensation dient?

    Der Unterschied in meiner lesart zwischen Passivität und Interpassivität ist der, dass ich mich bei Interpassivität immerhin noch positiv auf etwas beziehe, es bewusst und willentlich interessiert, angeregt verfolge, scheinaktiv dabei bin. Passivität hingegen kollabiert schlimmstenfalls im Schwarzen Loch der Depression, wenn alles desinteressant und irrelevant an einem belang- und bezugnahmelos vorbeizieht, ohne dass man sich ein- oder auch nur angebunden mitfühlt. Bei interpassivem Genießen delegiert man zwar die notwendige Aktivität an Andere, die es für einen machen; aber man erfreut sich wenigstens bezugnehmend daran (und kann sich im Falle des Sports wie speziell des Fußballs als Fans VOR ORT ja sogar gewisser Einflussnahmen selbstsuggestiv rühmen). Bei passivem Verfolgen ist es einem/einer im Grunde doch egal, Hauptsache Zeit-Vertreib, damit der Tag vorbeigeht (an einem/einer). Interpassive sind dann doch mental voll dabei, wenn nicht sogar gefühlt mitten drin!

    Oder bin ich bloß ein Grübler, der über-denkt, da was auch immer ist, der Output in diesem Blog ohnehin viel zu gering ist, um es als „Über-Konsum“ zu qualifizieren? Dem WÄRE wohl so, nur ist der gebloggte Wirkungsgrad ein schreibblockiert miserabler und hier Gebloggtes so gar nicht kongruent zum Gelesenen und Gehörten. Dann müsste ich hier tagtäglich beitragen und fortwährend interpassiviert von den Metadon-Erlebnissen künden, die mir massenmedial aufbereitet widerfahren sind. Das findet sich kaum auch nur im Promille-Bereich hier wieder. Aber es geht ja auch nicht um Quantitäten, ab derer es punktiert kippt, sondern ums Prinzip, ob die (Mach)Art als solche schon derart ist oder noch fundamental andersartig hat bleiben können. ???