Vergil und Tolkien

Hallo Mitwelt!

Heute eine Reise zurück, eine Retroreise sozusagen. Eine wiedergefundene, ausgegrabene, digital restaurierte
schulische Facharbeit im Schulfache Latein. Die hat mit nichts zu tun, was bisher Blogthema gewesen ist, zur Hälfte nimmt aber eine wesentliche Literatur für mich den Themenraum ein. Angepasst ist die Facharbeit nur insoweit, dass blogdigitale Formalia zu berücksichtigen waren: Überschriften neu setzen, ein Inhaltsverzeichnis ad hoc erlernen. Auf der Strecke blieben jedoch leider Fußnoten, die allerdings auch bloß hingeklatschte Inhaltsquellen angegeben haben.

Zu Risiken und Nebenwirkungen der Lektüre: nach einem sogenanntnen Praxisbericht, in dem es nur ums Praktizieren zuvor erlebter Praktikumspraxis ging, war die Facharbeit das lebensallererste Mal, dass ein selber erarbeitetes Thema länger als ein 10minütiges Referat 😀 aufs digitale und dann tatsächlich bedruckte Papier zu bringen war. Daher bitte milde Nachsicht mit meinem Erinnerten Selbst, meinem jungerego, das stets bemüht war, es aber noch nicht anders, geschweige denn besser wusste.

Vergleich: Vergils „Aeneis“ und Tolkiens „Der Herr der Ringe“ –
unter besonderer Berücksichtigung inhaltlicher Vergleichspunkte und epischer Stilistiken

Inhaltsverzeichnis

1 Prolog: Das Epos und die Fantasy (Seite3)


1.1 Das Epos (Seite3)

Das Epos, ein aus dem Griechischen stammender Begriff und soviel wie Erzählung und Gedicht bedeutend, gilt als früheste narrative Großform der Literatur in gebundener Sprache (Epik). Von einer zentralen Idee oder Gestalt zusammengehalten, erzählt das Epos ausführlich von einem bedeutenden, als historisch real verstandenen Ereignis in Versen oder Prosa, wobei es sich auf geschichtliche, mythologische oder märchenhafte Überlieferungen stützt.

Zur Entstehung der einzelnen Epen gibt es diverse Theorien. Zum einen gäbe es die von einem meist umstrittenen Urheber verfassten älteren Epen, die mündlich überliefert, erst später zusammengefasst wurden; zum anderen wird davon ausgegangen, dass es wie bei den neueren Epen auch bei den alten von vornherein ein von einem Autor verfasstes Gesamtwerk gegeben habe.

Die Darstellungsweise zeichnet sich durch weit ausholende Schilderungen und Freude an der bunten Fülle der Wirklichkeit aus, wobei der Mythos dabei für eine geordnete, umfassende, jedoch irrationale Weltvorstellung mit menschlichen und übermenschlichen Wesen sorgt, die in ihr alle ihren festen Ort und ihre naturhaften Bindungen haben. Der Erzähler selbst betrachtet sich auch als Teil des Weltgefüges, er überblickt und schildert es mit Ehrfurcht. Objektivität versucht er durch zeitliche und räumliche Distanz zum Geschehen zu erreichen , wobei er seinen Standpunkt nicht wechselt, da schon der Weg das Ziel ist. Das Ende schließt die Reihe oft nur ab, es ist nicht notwendigerweise Folge des Vorausgegangenen.

1.2 Die Fantasy (Seite4)

Als Subgattung der Phantastik entstand die Fantasy als eigenständiges Literaturgenre etwa in der Mitte des 19. Jahr-hunderts zusammen mit der nah verwandten Science Fiction und dem Horror. Der Begriff Fantasy ist allerdings im deutschen und englischen Sprachgebrauch unterschiedlich zu verstehen: Während jener darunter primär Literatur mit Bezug zu Mythen und Märchen, in einer imaginativen Welt spielend, versteht und oft als trivial verschmäht, meint dieser allgemein jede utopische beziehungsweise nicht-realistische Literatur wie zum Beispiel auch die Science Fiction. Als Definition kann man formulieren, dass eine in der realen Welt spielende Handlung als Fantasy bezeichnet wird, wenn das Geschehen nach unserer Wahrnehmung eigentlich unmöglich ist.

Spielt die Handlung hingegen in einer sogenannten Gegen- oder Anderswelt, erscheint diese uns unmöglich, wenngleich die Handlung nach den dortigen Gesetzen der Gegenwelt realistisch anmutet. Der Reiz der klassischen Fantasy liegt gerade in einer realitätsnahen Darstellung der Anderswelt, bei der sich die Weltenschöpfer oft pseudo-historischer Vorbilder bedienen, um dann ihrer Welt eigene Biologie, Geschichte, Kulturen und zum Teil sogar detaillierte Sprachen hinzuzufügen. Als Charakteristikum der Fantasy ist Magie ein wichtiger und alltäglicher Bestandteil zur Erklärung weltlicher Vorgänge. Um eventuell elementare menschliche Themen in einem neuen Kontext und ohne Vorbelastung darstellen zu können, greift man auf die realitätsvereinfachende Unterteilung der Dinge in Gut und Böse zurück.

Obgleich die Ursprünge des Genres wohl bei E.T.A. Hoffmann in der Romantik zu suchen sind, gehen viele klassische Schemata im Grunde auf den als geistigen Vater der heutigen Fantasy geltenden Tolkien zurück. Die groben Handlungsmuster wiederholen sich: Während die Ordnung der Welt vor der Vernichtung steht, müssen die Protagonisten die Rettung herbeiführen, um einen Heilungsprozess in Gang zu setzen. Am Ende erwartet den Leser meistens, da tragische Fantasy ziemlich unüblich ist, ein Happy End.

2 Entstehung der Werke (Seite5)


2.1 Vergils „Aeneis“ (Seite5)

Auf Legenden und Gedichtsinterpretationen (zum Beispiel der Eclogae) beruhend, sind viele Angaben zu seiner Biografie unsicher.

Publius Vergilius Maro, der unter dem Namen Vergil oder Virgil als römischer Dichter bekannt geworden ist, wurde am 15.10.70 v. Chr. als Sohn nicht un-vermögender Gutsbesitzer in Andes, nahe Mantua, im heutigen Norditalien geboren. Seine Eltern konnten ihm eine umfassende Ausbildung ermöglichen; anschließend ging er zum Studium der Rhetorik und griechisch-römischen Literatur nach Rom. Zu dieser Zeit entstanden einige kleine Gedichte Vergils, die im sogenannten Catalepton als Teil der Appendix Virgiliana erhalten sind.

Nach der Niederlage der Caesar-Mörder bei der Schlacht von Philippi im Jahre 42 v. Chr. wurde ihm, ähnlich wie seinem Dichterfreund Horaz, der väterliche Grundbesitz infolge der Landverteilung Octavians enteignet, bekam ihn jedoch später wieder zurück. Bald darauf gehörte Vergil zum Kreis um Maecenas, Octavians fähige rechte Hand. Dieser war bestrebt, Octavians politischen Gegner Marcus Antonius dadurch zu entkräften, dass er dem Wohlwollen einfluss-reicher Familien diesem gegenüber entgegenwirkte, indem er römische Schriftsteller zu Octavians Hof holte. Nach Vollendung der Eclogae, die auch Bucolica oder Hirtengedichte genannt werden und die Theokrits Stil nachahmten, jedoch auf Vorgänge und Personen der römischen Gegenwart projizierten, arbeitete Virgil von 37 bis 29 v. Chr. an den Georgica. Dieses in vier Büchern verfasste Lehrgedicht behandelt den Landbau in einer die gebildeten Kreise ansprechenden Form und will somit keine Handlungsanweisung für römische Bauern aufzeigen, sondern die Liebe zum Lande und die Achtung vor der Bauernarbeit wieder wecken.

Als Träger der Kultur entwickelten sich seine Gedichte rasch hin zu einer staatstragenden Dichtung im Sinne der Reformpolitik, des sogenannten Mos Maiorum. Octavian, nachdem er seinen Gegner Antonius 31 v. Chr. bei der Schlacht von Actium besiegt hatte und vier Jahre später vom Senat zum Augustus deklariert worden war, bedrängte den Dichter, ein Epos zum Ruhm seiner Herrschaft zu schreiben.

In den zehn Jahren von 29 bis 19 v. Chr. arbeitete Virgil an seinem Hauptwerk, der „Aeneis“. In den ersten sechs Büchern orientiert er sich an Homers „Odyssee“; die letzten sechs sind das lateinische Gegenstück zur „Ilias“. An drei Höhepunkten, der Iuppiter-Rede, der Heldenschau und der Beschreibung des Schildes des Aeneas , weist es auf das Zeitalter des Augustus voraus, was bereits bei seinen Zeitgenossen höchste Bewunderung fand und es im Mittelalter zu einem der berühmtesten Gedichte des Abendlandes machte.

Durch das Verbinden von Mythos und Geschichte zu einer höheren Einheit und die Art der Wortfügung und pathetische Ausdrucksweise seiner Sprache wurde der Wohllaut der Verse später kaum mehr erreicht. Auf der Rückfahrt von einer Griechenlandreise erkrankte Vergil und starb am 21.09.19 v. Chr. in Brindisi, ohne die „Aeneis“ vollenden zu können. Trotz testamentarischer Verfügung, das Werk den Flammen zu übergeben, wurde die „Aeneis“ gerettet und 17 v. Chr. fast unverändert auf Befehl Augustus hin veröffentlicht. Obwohl unvollendet, wurde sie sofort als Meisterwerk anerkannt und zum Nationalepos erhoben, das die imperiale Mission des Reiches, jedoch auch Mitgefühl für dessen Opfer und ihre Sorgen verkündet. Vergils Grab in Neapel genoss lange Zeit Verehrung.

2.2 Tolkiens „Der Herr der Ringe“ (Seite6)

John Ronald Reuel (J.R.R.) Tolkien behauptete einst von sich, dass, „was zu sagen ist, steht in meinen Büchern“. Dies als Grundlage nehmend, seine Biografie und die Entstehung seines Werkes „Der Herr der Ringe“ im Kontext zu sehen, erhält man interessante Einblicke auf die Intension des Autors. Als Sohn deutschstämmiger (die Tollkühns aus Sachsen) englischer Kolonisten wurde er am 03.01.1892 in Südafrika geboren. Wie die Hauptperson Frodo Beutlin seines Hauptwerkes „Der Herr der Ringe“ verlor auch Tolkien seine Eltern im frühen Kindesalter.

Mit 19 Jahren ging er als Sprachtalentierter zum Studium nach Oxford. Als Leutnant und frisch verheirateter Ehe-mann überlebte er die Schlacht bei Somme, bei der er zwei seiner besten Freunde verlor, was er mutmaßlich bei der düsteren Schilderung der Totensümpfe verarbeitete, in der er auf die hart umkämpfte und entscheidende Schlacht bei Dagorlad verweist, wo ebenfalls mehrere bedeutende Charaktere gefallen sind. Durch seine erfundenen Sprachen inspiriert, begann er bereits 1917 mit der Einstellung „Ich bin Philologe, und alle meine Arbeiten sind philologisch“ mit einer ersten Niederschrift der „Verschollenen Geschichten“, die als Grundlage des erst nach seinem Tod durch seinen Sohn veröffentlichten Silmarillions dienen. „Nach dem Krieg arbeitete er eine kurze Zeit am Oxford English Dictionary mit, erhielt zuerst eine Dozentenstelle, dann einen Lehrstuhl an der Universität Leeds und schließlich 1925 den Lehrstuhl in Oxford“. Da er schon oft bemängelt hatte, dass es England an volksnahen Mythen und Sagen fehle, begann er ab 1922, auf das Fundament seiner Sprachen aufgesetzt, ein Nationalepos für England zu erschaffen.

1930 als Unterhaltung für seine vier Kinder begonnen, vollendete Tolkien die Geschichte des kleinen Hobbits 1936, die ein Jahr später vom Verlag Allen & Unwin mit sensationellem Erfolg publiziert wurde, woraufhin eine Fortsetzung von Tolkien gefordert wurde. Während der zwölfjährigen Arbeit an dem Buch „Der Herr der Ringe“ hielt er 1936 seine immer noch als bedeutendste Interpretation geltende Vorlesung über das Gedicht Beowulf und 1939 den berühmten Vortrag „On Fairy-Stories“ über phantastische Literatur und Mythologie.

Obwohl das Buch „Der Herr der Ringe“ 1949 fertiggestellt war, scheiterte die Veröffentlichung an seiner Komplexität und Eigenart, was Tolkien tief verletzte. Er konnte sich nur durch den Verkauf einiger Kurzgeschichten über Wasser halten. Nach mehrfacher Überarbeitung und Kürzung, wozu Tolkien feststellte, „Mir graut vor dem Erscheinen, denn es wird unmöglich sein, sich nichts daraus zu machen, was gesagt wird. Ich habe mein Herz bloßgelegt und nun kann man darauf schießen“ , erschienen die ersten beiden Bände des Werkes „Der Herr der Ringe“ und der Erfolg übertraf jegliche Erwartungen. Mit Erscheinen des dritten Bandes der Trilogie galt „Der Herr der Ringe“ als Geheimtipp. Als er Mitte der 60er Jahre als verbilligte Taschenbuch-Ausgabe auf den amerikanischen Massenmarkt gelangte, brach ein Fankult um den Mythos Mittelerde aus.

Der 1959 in Pension gegangene Tolkien, der jeden erhaltenen Leserbrief ge-wissenhaft persönlich beantwortete, musste 1968 ob des enormen Fanansturmes an die Kanalküste umziehen. Drei Jahre später verstarb seine Frau Edith, woraufhin er 1972 auf Bitten der Universität nach Oxford zurückzog. Noch im selben Jahr verlieh ihm die Queen einen Orden für seine herausragende literarische Bedeutung und er wurde mit dem Ehrendoktorat der Literaturwissenschaft ausgezeichnet. Am Morgen des 02.09.1973 starb J.R.R. Tolkien nach kurzer Krankheit und wurde auf dem katholischen Friedhof bei seiner Frau in Oxford beerdigt.

3 Inhaltliche Vergleichspunkte (Seite9)

Gegen Tolkiens ursprüngliche Idee eines Gesamtwerkes wird „Der Herr der Ringe“ in drei Bänden publiziert, die jeweils zwei Bücher enthalten: Teil 1 „Die Gefährten“, Bücher 1 (12 Kap.) und 2 (10 Kap.); Teil 2 „Die Zwei Türme“, Bü-cher 3 (11 Kap.) und 4 (10 Kap.) und Teil 3 „Die Rückkehr des Königs“, Bücher 5 (10 Kap.) und 6 (9 Kap.).

Während in „Die Gefährten“ vom Aufbruch Frodos und der Gründung der Ringgemeinschaft mit dem Ziel der Vernichtung des Ringes, bis zur Trennung der Gefährten berichtet wird, ist „Die zwei Türme“ zweigeteilt. Zuerst verfolgt man diejenigen der Gemeinschaft, die in den Menschenreichen gegen den Feind kämpfen. Anschließend richtet sich das Augenmerk auf Frodo und seinen Diener Sam, die nach Mordor vorzudringen versuchen. Inhaltlich ähnlich aufgebaut ist auch „Die Rückkehr des Königs“, wo man zuerst an den Schlachten um Minas Tirith teilnimmt bis zum Vorrücken der freien Völker vor das Schwarze Tor. Dann wird wieder auf Frodo umgeblendet, der sich auf der letzten Etappe seiner Reise befindet und letztlich die Aufgabe lösen kann. Nachdem alles seine schicksalhafte Befriedung gefunden hat, kehren die vier Hobbit Helden in ihre Heimat zurück, wo sie sich eines alten Feindes erwehren müssen. Als Belohnung seiner Taten endet die Trilogie damit, dass Frodo ins Land der göttlichen Valar reisen darf.

Ähnlich wie in Homers „Odyssee“ wird zu Beginn eine lange Reise geschildert, wenngleich sie auch von zu Hause wegführt. In Buch 5 gipfelt das Geschehen in einer riesigen, alles entscheidenden Schlacht ähnlich wie in der „Ilias“, nur dass sie am Ende der Erzählung steht. Erneut an die Inhalte der „Odyssee“ angelehnt, kehrt der Held, Frodo, in seine Heimat zurück, wo er sich aber Problemen ausgesetzt sieht, die er noch zu lösen hat.

Hingegen aus zwölf Gesängen und insgesamt 9896 Versen bestehend, wird in der „Aeneis“ von der Flucht Aeneas aus Troia berichtet, der durch göttliches Eingreifen fast zehn Jahre umherirrt, bis er an dem vorbestimmten Ort ankommt und dort um seine Bestimmung, das Volk der Römer zu gründen, kämpft.

Beiden Werken ist gleich, dass sie einen Helden haben, von dessen Handeln schlussendlich alles abhängt und der von „Gefährten“ begleitet wird. Während in der „Aeneis“ die Götter eine aktive Rolle spielen, sie ständig eingreifen und Aeneas lenken, wird im Buch „Der Herr der Ringe“ nur zum Beispiel durch alte elbische Gedichte auf das Wirken der Götter, hier die Valar, hingewiesen und die Magie, wie von Saruman und Gandalf eingesetzt, tritt an die Stelle direkten göttlichen Handelns. Allerdings ist beiden das zugrunde liegende Schicksal gleich, auf das sich zum einen am Ende Iuppiter beruft, weil er den Streit von Venus und Iuno satt ist, und das zum anderen Gandalf als Erklärung dafür anführt, dass Frodo den Ring bekommen hat und deshalb auch die schwere Aufgabe übernehmen muss.

Dem großen Ziel in beiden Fällen verpflichtet, stehen die beiden Haupthelden, Aeneas und Frodo, immer wieder vor Verlockungen und Hindernissen, die das Erreichen in Frage stellen. Anstatt bei Dido zu bleiben, kann Aeneas nur durch Merkur zum Weitersegeln bewegt werden. Frodo erfüllt die Aufgabe nur, weil Gollum ihn des Ringes entledigt und samt Schatz ins Feuer fällt. Die Voraussetzungen und Intensionen beider Helden sind allerdings völlig entgegengesetzt: Aeneas flieht aus der zerstörten Heimat und will sich irgendwo niederlassen, was ihn auf göttliches Geheiß nach Italien führt. Frodo hingegen verlässt seine idyllische Heimat nur, um durch die Vernichtung des Ringes den Frieden der Welt bewahren zu können. Da Aeneas, nach einer neuen Heimat suchend, umhervagabundiert, hat er keine konkreten Feinde, bis er schließlich gegen Turnus um sein Fatum kämpft. Im Gegensatz dazu werden im Buch „Der Herr der Ringe“ die Feinde Frodos und der freien Völker klar definiert und auch dementsprechend dargestellt, so dass hier alle Beteiligten in ihren Handlungen wesentlich teleologischer vorgehen.

Die Figuren beider Hauptcharaktere sind als solches unterschiedlich: Aeneas ist ein Anführer, Kämpfer und Krieger und, wenn auch mit göttlicher Hilfe von Venus, ein großer Liebhaber. Allein vom Äußerlichen ist Frodo klein, kein Kämpfer und in dem Sinne auch kein Führer einer Gruppe. Jedoch muss Frodo derlei Eigenschaften auch nicht haben, da sie von anderen Charakteren übernommen werden wie zum Beispiel von dem Krieger und Anführer Aragorn. Frodos Merkmale sind primär der sehr starke Wille und seine Aufgabentreue, verbunden mit „Menschlichkeit“ gegenüber anderen, besonders deutlich wird dies bei dem Geschöpf Gollum. Aeneas steht, auch wenn er Gefährten zur Seite hat, als ziemlich vollkommener Held da, jedoch ist er, wenn es sein muss, hart in seinen Entscheidungen (siehe Dido).

Nach eingangs gegebener Definition beider Genres kann man sagen, dass „Der Herr der Ringe“ von der inhaltlichen Struktur her sich der Fantasy bedient, indem er sich auf eine Anderswelt stützt und das dortige Geschehen, auf gewisse Prämissen aufbauend, realistisch darstellt. Die „Aeneis“ spielt in unserer Welt, bekommt zur Erklärung der Dinge jedoch die Götterwelt aufgesetzt, und orientiert sich beziehungsweise verweist auf reale Ereignisse.

4 Epische Stilistiken (Seite12)

Wie von Werner Suerbaum in seinem Werk aufgeführt, kommen in der „Aeneis“ diverse, wenn auch zur Variation tendierende epische Standardelemente zur Verwendung. Während Virgil, wie es in der Antike bei Epen häufiger zu finden ist, durchgehend das daktylische Hexameter als Versmaß seiner Dichtung nutzt, gebraucht Tolkien lediglich eine altertümlicher wirkende, getragenere Sprache, in der er vereinzelt kurze Gedichte einstreut. Auch die Aristie, die Schilderung von Einzelkämpfen, kommt in beiden Werken vor: Wenn in der „Aeneis“ der finale Kampf zwischen Aeneas und Turnus zu nennen ist, können aus dem Buch „Der Herr der Ringe“ das Duell um Leben und Tod zwischen Gandalf dem Grauen und dem Balrog auf der Brücke von Khazád-Dúm in Moria, der Kampf von Merry gegen den Hexenkönig auf den Feldern vor Minas Tirith oder der kurze Endkampf von Frodo und Gollum um den Ring in der Schicksalsklüfte angeführt werden.

Im Gegensatz zu Vergil legt Tolkien ein größeres Augenmerk auf den Fahrten-verlauf, wenn er zum Beispiel zu Beginn von Buch 1 die Reise durch das Auenland schildert. In beiden Werken werden ebenso diverse Empfangs- und Abschiedsszenen beziehungsweise Schilderungen von Festen und Gastmäh-lern beschrieben, sei es der Empfang des Aeneas bei Dido mit anschließendem Fest oder Bilbos und Frodos Geburtstagsfeier, womit „Der Herr der Ringe“ öffnet.

Ebenfalls lassen sich Parallelen bei der Schilderung von Gegenständen ziehen: Als herausragendes Beispiel sei in der „Aeneis“ die Beschreibung des Schildes genannt, auf dem Augustus zu sehen ist. Im Werk „Der Herr der Ringe“ wird ein besonderes Augenmerk auf Waffen und ihre zum Teil mystische Herkunft gelegt; so zum Beispiel Andúril, die Flamme des Westens, das Schwert Aragorns oder das bei sich nähernden Orks aufleuchtende Schwert Frodos namens Stich.

Auffällig ist, dass neben den die augusteische Ära prophezeienden Götterreden Weissager wie Helenus dem Aeneas die Zukunft deuten, hingegen die einzige alte Prophezeiung im Buch „Der Herr der Ringe“ die ist, dass der Hexenkönig nicht durch das Schwert eines Mannes fallen wird. Kurzfristigere Weissagungen dagegen werden häufiger verwendet: Frodo sieht im Spiegel von Frau Galadriel ein versklavtes Auenland. Gandalf reitet, um Hilfe für das bedrängte Helms Klamm zu holen, mit der Aufforderung, am fünften Tage bei Morgenanbruch nach Osten zu schauen, fort.

Wenn auch im Werk „Der Herr der Ringe“ keine durchgehende, formelhafte Wendung für den Tagesanbruch benutzt wird, so schildert Tolkien doch den Morgenbeginn in Mordor stets sehr düster. Sei es, weil Nebel und in den Lun-gen brennende Luft über dem Land liegt oder die Belastung durch das suchende Auge Saurons steigt beziehungsweise der Anblick des näherkommenden Schicksalsberges allgemein den Mut der beiden Hobbits senkt.

Auch kommen mehrere Epitheton Ornantes zum Tragen, denn Sam wird häufig als „treu“ bezeichnet und die Zauberer geben sich zur Abstufung ihres Ranges im Zaubererorden Beinamen wie Gandalf der Graue beziehungsweise Weiße oder Saruman der Vielfarbige. Sehr ins Auge fällt, dass Tolkien eigentlich zeitlich parallel stattfindende Handlungen nacheinander erzählt, wie insbesondere im zweiten Teil nach der Spaltung der Gemeinschaft sehr deutlich wird. In der „Aeneis“ sieht man Ähnliches in den Büchern acht und neun, wo einmal Aeneas zwei tagelang, einmal primär Turnus und seine Mannen am troianischen Lager zur gleichen Zeit „begleitet“ werden.

Der wohl markanteste Unterschied beider Stile ist es, dass Vergil direkt als Er-zähler eingreift, durch Apostrophen handelnde Personen anspricht und dem Leser so Hinweise auf den weiteren Verlauf gibt. Tolkien hingegen hält sich als Erzähler völlig heraus und überlässt es, seinen „Akteuren“, zu reden.

5 Epilog (Seite14)

Auch wenn der Erkenntnisprozess nach dreizehn Seiten intensiver Arbeit längst nicht als abgeschlossen angesehen werden kann, ist es durchaus möglich, im Hinblick auf die zugrunde liegende Fragestellung jetzt schon ein Fazit zu ziehen. Da die „Aeneis“ anerkanntermaßen ein Epos mit all seinen Merkmalen ist -und daran nach zweitausend Jahren auch nicht gerüttelt werden soll-, ist die Ausgangsfrage letztlich so zu verstehen: Ist das Buch „Der Herr der Ringe“ in seiner inhaltlichen und stilistischen Struktur ein Epos, wie die „Aeneis“, oder geht Tolkien einen eigenen schriftstellerischen Weg?

Wie bereits am Ende des inhaltlichen Vergleichs angedeutet, weisen diese Merkmale eindeutig auf ein primär fantastisch geprägtes Werk hin, denn es spielt in einer Gegenwelt und reduziert alles auf gut beziehungsweise böse .

Betrachtet man nun den Gebrauch von Stilistiken, so entdeckt man schnell eine relativ große Zahl von Vergleichpunkten. Selbst die Tatsache, dass Tolkien sich der Prosa statt der durchgehenden Dichtung bedient, wäre noch kein direktes Argument gegen das Werk als Epos. Als relevanter Unterschied, der zur Abgrenzung herangezogen werden kann, ist zu nennen, dass im Buch „Der Herr der Ringe“ nicht nur Frodo als Hauptcharakter im Mittelpunkt steht, sondern Helden wie Aragorn, Sam und viele Andere sowohl mitentscheidende Rollen in der Geschichte spielen, als auch ein hohes Maß an Sympathie beim Leser aufgrund ihrer Taten hervorrufen. Dies ist in zumindest tragenden Rollen so nicht in der „Aeneis“ gegeben, denn jemand wie Dido ist keine für den weiteren Verlauf relevante Person. Vielmehr ist sie eine Zwischenstation für Aeneas, wo er seine vergangenen sieben Jahre aufarbeiten kann.

Deshalb auch mein schlussendlicher Standpunkt: „Der Herr der Ringe“ ist ein typisches Fantasy-Werk, wie es das heutige Genre auch geprägt hat, bedient sich aber im starken Maße epischer Stilistiken, um die geschilderte Handlung der Situation entsprechend bedeutend und „weltenbewegend“ darstellen zu können.

Literatur und Internetverzeichnis (Seite16)

Keine!

Bzw. haben sie das Mühlrad der Zeit nicht unzermalmt überstanden. Die Fußnoten, die nur die Quelle schnörkellos angaben und nichts nachsinnierend vertieften, wären mit den URLs eh längst ins Leere gelaufen. Übrige Buchlektüren als Fachliteratur weiß ich konkret nicht mehr. Nur folgende beiden Ausnahmen, die mir der Lateinlehrer aus seinem Fundus spendierte, waren wichtig und prägekräftig, weil sie Tolkien biographisch ausleuchteten (Und Vergil?!? :-D):

Nachwort zur zweiten (fast) unveränderten Auflage

Zunächst einmal ist diese textlich „zweite unveränderte Auflage“;-) dem Lateinlehrer gewidmet, der auch schon die erste durchlesen musste. Ich habe gehört, dass ihm – zehn Jahre vor der Rente – gesundheitlich übel mitgespielt worden ist und er da einen schweren Schlag erleiden musste. Diesen Geist der Vergangenheit auferstehen zu sehen, wird ihm kein Trost sein können, im Gedanken bin ich aber bei ihm!

Kann mich noch zu gut erinnern, wie erste Ideen hierzu auf dem Forum des Lateinkurses, also vor inhaltlich unbeteiligten MitschülerInnen, die ihre eigenen „Facharbeitenideen“ wälzten, besprochen wurden. Assoziationen, dass und wonach man denn Unterrichtsstoff „Aeneis“ und „Herr der Ringe“ vergleichen könnte. Seine Begeisterung über das Thema, da seinen profunden Wissens hierzu noch keine/r je was gemacht habe und wie einmalig es allein von daher sei. Dass er mir manch Literatur aus seinem Fundus auslieh, die ich dann verarbeitet habe.

Und im Ergebnis dann eine „Eins ohne Latein!“ Das nämlich dann die gefeierte Endnote, obwohl ich – kritisch angemerkt – KEINMAL, auch nicht in eine Fußnote ausgelagert, Latein verwendete, sprich keinmal Vergil im Original rezitierte, sondern stets nur paraphrasierte oder in deutscher Übersetzung einstreute. „Nimmt doch nur Platz weg, erst zu zitieren und dann zu übersetzen“, so in etwa mein pragmatischer Gedanke 😀 Eine Platzsparsamkeit, die im Internet-Blog zum Glück nicht mehr gilt ABER sowohl Kapitel- als auch Fußnotennumerierung natürlich!() konsequent römisch beziffert!!!

So retrospektiv geblickt, ein paar drollige Auffälligkeiten meiner arbeitsamen Herangehensweise, die so nicht mehr in studiosen Hausarbeiten vorkamen noch im Blog so je wieder geplant sind:

Wer noch Augenscheinliches auffindet, kann es gerne melden. In jedem Fall reicht das nicht für den “Hither Shore“, das wissenschaftliche Jahrbuch der Deutschen Tolkiengesellschaft. Auch damals wird es nicht gereicht haben, als die wissenschaftliche Tolkienwelt noch eine kleinere gewesen sein mag.

Bleibt trotzdem was vom Werk? Eine nette Retrospektive und ein nächster Blogbeitrag – immerhin. Und inhaltlich? Ein Füßchen in der Tür, Tolkiens Werk AUCH auf die europäisch prägendsten Literaturen anzu-wenden, die ihn direkt jedoch nicht inspirierten und an denen er sich so bewusst nicht orientierte. Bekannt, dass er sich als Professor für Altanglistik allerbesten mit den Literaturen Britanniens auskannte und sich intensiv der nordischen Mythenwelt annahm und motivisch stark bediente. Ideen- und narrationsgeschichtlich wirkmächtiger jedoch Homers Epen „Ilias“ und „Odyssee“ und wiederum davon inspirierte „Aeneis“. Gerade weil das abseits der üblichen Inspirationsquellen Tolkiens liegt, lohnt sich hier vielleicht ein näherer – und gekonnterer – Blick, was sich da durch die Hintertür eingeschlichen haben mag.

Und welch Zufall: gestern (13.07.2021) begonnen, die Facharbeit aufzuarbeiten, das Anlegen von HTML-Inhaltsverzeichnissen zu erlernen und auszuprobieren, da scrollt im Feed die Vorschau zur Sendung vom 14.07.2021 an mir vorbei: SWR2-Forum: „Tolkiens „Der Herr der Ringe“ – Was ist das Geheimnis des Erfolgs?“:

Mehr als hundert Millionen Mal ist „The Lord of the Rings“ weltweit verkauft worden. Bis heute ist der Fantasy-Roman des englischen Autors J.R.R. Tolkien ein Bestseller. 1969 erschien er erstmals in deutscher Übersetzung, fünfzehn Jahre nach dem englischen Original. Die Geschichte vom magischen Ring, an dessen Vernichtung sich der Kampf zwischen Gut und Böse entscheidet, gilt als Inbegriff der „High Fantasy“. Regisseur Peter Jackson hat das Buch spektakulär fürs Kino verfilmt, Amazon will es jetzt als TV-Serie neu herausbringen. Was macht den „Herrn der Ringe“ zu einem der erfolgreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts? Gregor Papsch diskutiert mit Stephan Askani – Lektor Hobbit Presse, Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart, Prof. Dr. Thomas Honegger – Anglist und Tolkien-Forscher, Universität Jena, Lisa Kuppler – Übersetzerin, Berlin

(…damit ist der letztmögliche Sinn der Facharbeit dahingeschmolzen, weil längst beiläufig eingeworfen wurde, dass schon Der Hobbit der Erzählform nach Anleihen an der Odyssee genommen habe – Art der
Reise, ferne Heimweh des Helden *murmel*)

Und wer diesen Vergil und sein Hauptwerk kennenlernen will, um nicht wie der Facharbeitsautor Verfügbarkeitsheuristiken erliegen zu müssen: im Beck Verlag erscheint in Bälde ein Büchlein in der Beck Wissen-Reihe: Markus Janka: Vergils Aeneis – Dichter, Werk und Wirkung:

Die Aeneis des Vergil wurde gleichsam als „römisches Nationalepos“ zum
berühmtesten Werk der antiken Literaturgeschichte überhaupt. Es erzählt von den Irrfahrten und Kämpfen des trojanischen Helden Aeneas, der schließlich zum mythischen Ahnherrn der Römer wird. Markus Janka stellt in seiner modernen Einführung die Protagonisten der Aeneis vor, erhellt die Grundzüge der Handlung, ordnet das Werk in das Œuvre Vergils ein, erklärt die
Besonderheiten der dichterischen Komposition, erläutert die Bedeutung dieses Epos für die
augusteische Zeit und ihre Ideologie und erschließt seinen literaturhistorischen und rezeptions-ästhetischen Stellenwert.

EDIT am 21.11.2021: InhaltsVZ nun – hoffentlich endgültig – gekittet. Für HTML-Insider: weg von span hin zu name – siehe Quellcode. Auf dem Weg 1-2 Irritationen integriert; so die Begrüßung fätt gemacht und eingestanden, dass die zweite Auflage nur FAST, dem Sinne nach unverändert ist….

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4 Kommentare zu „Vergil und Tolkien

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