Hallo Mitwelt!
Und weiter geht es bei ATLANTIS, jedoch fern von Atlantis. Von einem ‚Altgedienten‘, einem nostalgisierten Trio, verschwörerischen Verwicklungen und Unausgesprochenem, das überdeutlich ist…
Die Handlung
Das Titelbild von Arndt Drechsler ist wuchtig, der Roman selbst ist spannend: Olaf Brill schrieb »Der Raumschiffsfriedhof«, und dieser vierte Band unserer Miniserie PERRY RHODAN-Atlantis kommt in dieser Woche in den Handel. Es handelt sich um einen Roman, der ausschließlich im All und an Bord von Raumschiffen spielt – die Hauptfiguren haben sich weit von Atlantis und seinen Bewohnern entfernt. KNF zu „Der Raumschiffsfriedhof“ am 25.04.2022 auf seinem Blog
In der BEST HOPE (vormals: LT4) springt auf vorletzter Rille das Trio atlantis aus dem Larsaf-System und wendet sich mit finalem Sprung dann einem Sonnensystem zu, in dem eine Raumschlacht stattgefunden haben muss: ein wahrer „Raumschiffsfriedhof“ aus Raumern der Arkoniden und Maahks zieht seine stellaren kreise. Hier hoffen vor allem die beiden Zeitreisenden Ersatzteile für die wracke Technik der BEST HOPE (Sichu) sowie Informationen über Ursache und Verlauf der Schlacht (Perry) zu finden. Während interstellare Caysey von den Sternen beeindruckt mit dem Talagon an Bord zurückbleibt und mithilfe von Blechkamerad RCO ihre neue ‚Stahlheimat auf Zeit‘ erkundet, trennt sich das Ehepaar auf: Perry fliegt im Raumanzug zu einem Maahk-, Sichu selbig zu einem Arkonidenraumer.
Doch war dieses Trio nie allein, wurde vielmehr von einem anderen Trio heiß erwartet: vor Ort weilten nämlich längst „Schrottsammler“ und „Leichenfledderer“, drei Angehörige aus dem Volk der Unither. Sie erhoffen sich ihrerseits raumflugfähiges Material aus dem hinzugesprungenen Raumer. Perry muss sich mit einem herumschlagen und herumschießen, während ein anderer Caysey als Geisel nehmen und RCO zerschießen kann. Sichu wiederum gerät nach Rückkehr zur BEST HOPE ebenfalls in Rüsselgriff.
Kurz bevor Perry den intrinsisch arkonidenhassenden Unither zur Aufgabe bereden kann, kommt es zur großen Wende, die insbesondere die Rüsselträger die ganze Zeit befürchtet haben: Maahk-Raumer kreuzen auf. So vereiteln sie zwar die ‚Geiselnahme‘ durch die Unither, die heillos fliehen, dem Anschein nach trotzdem in ihrem Raumer gnadenlos abgeschossen werden – samt geraubten Talagon. Die wieder vereinten Lemuroiden ihrerseits werden nicht aus dem All geblasen, wie es von ihren Erzfeinden zu erwarten gewesen wäre, sondern eher als ‚Kriegsgefangene‘ in schnell angelegter ‚Arkoniden-Maske‘ festgesetzt. Zu einem Stützpunkt der Maahks transportiert, scheint dort ein Kriegsgericht o.Ä. zu drohen – doch es kommt erneut ganz anders: inmitten der Atmosphäre des Gasplaneten Galorrax stationiert, werden die drei Gefangenen durch die Maahks drei Arkoniden vorgeführt. Auf dessen Anführer hören die Maahks nicht nur, er scheint ihr Befehlshaber zu sein: Atlan! Der interessiert sich jedoch nicht für Perry und Co., wenn nicht Rowena als die zweite im Bunde ehrerbietig dem Kristallprinzen versichern würde, es mit dem entflohenen Trio und den Räubern des Talagon zu tun zu haben…
Roman und Kommentar vom ‚Veteranen‘
Vorletzte Woche war der Neue am Griffel, jetzt hat ein ‚miniserialer Veteran‘ aufgeschrieben: Olaf Brill! Miniserie Nr. 9 läuft, inklusive dieser hat Dr. Olaf Brill – so viel Zeit darf sein – an sechsen mitgewirkt und elfmal beigetragen. Einmal sogar stolze drei Streiche, womit 25% dieser Miniserie – SOL 2 – durch seine Hände gegangen sind. Mit hiesiger Nr. 04 „Der Raumschiffsfriedhof“ ist sein erster – kaum anzunehmen letzter – Beitrag publik. So ganz nebenher hat er damit ein Jubiläum zur Blüte gebracht: das einhundertste Miniserienheft! In meinen ausschweifigen Vorgedanken zu ATLANTIS hatte ich schon zu den acht-mal-zwölf-=96-Miniserienheften festgestellt: allein diese ’nebenbei‘ produzierten Hefte sind umfänglicher als manch legendäre SF-Serie wie die Terranauten, Ren Dhark oder Raumschiff Promet. Und jetzt ist auch noch die für das Gros aller Serien manifeste Schreibmauer der Dreistelligkeit erreicht und überwunden. Schließlich folgen außer bei Weltuntergang noch definitiv acht weitere Hefte mit Mehrumfang: sind die Hörhefte zur Erstauflage um die 3h lang, gelegentlich bis zu 3,5h länger, so war Olaf Brills Hundertsassa nahezu VIER STUNDEN hyperlang. ‚Normale‘ Hefte sind 60 Seiten umfangreich, solch ein Miniserienheft dann lässige gut 80 Seiten. Das nur mal so zur Orientierung.
Zur Auflockerung stammen die – den Hörheften leider weiterhin nicht als PDF beiliegenden – ATLANTIS-Kommentare auch von Mr. 100 – der Jubilare ist diesmal sogar online gegangen: „Die Miniserien erreichen Band 100“. Hier stellt OB in kompakt dar, wofür ich ein paar wenige Worte mehr aufgewendet hatte: PERRY RHODAN-Miniserien-Vorläufer, also die acht Vorgänger zu ATLANTIS; dreizyklische ACTION-Miniserie, der wiederum sich immer narrativ verdichtendere ATLAN-Miniserien vorausgingen. OB zählt die – dort näher gelinkten – Planetenromane noch hinzu, die identische Funktionen erfüllten: großer narrativer Freiraum für altgediente Autoren, freier Übungsraum für Neulinge zur Ertüchtigung zu mehr. Am Ende waren so vierhundertfünfzehn 160-seitige Taschenbücher erschienen, wovon es 100 in eine zweite Auflage (Taschenhefte sowie Planetenromane)
geschafft haben. Diese mit Vor- und Nachworten umrahmt und immer noch als eBooks erhältlich. Lesenswert! Da gab es dann zugegeben manch – höchst fantasievollen – Wildwuchs, der sich fern jedwedem Kanon frei entfaltete. Die besagten 100 Neuaufgelegten dürften ihrerseits jedoch als kanonisch anzusehen sein bzw. ihren Weg in eine kanonisierende Einordnung geschafft haben. Schon die ATLAN- und seither alle PERRY RHODAN-Miniserien sind zwölfbändig in sich geschlossen und narrativ dicht verwoben, selbst wo sich Folgezyklen direkt anschlossen und Handlungen fortsponnen (bspw.: SOL sowie SOL 2). Bei den alten Planetenromanen gab es nur lose dann und wann Fortsetzungen in lockeren Zyklen, meist rund um Handlungsträger, die sich einen Platz in den Herzen des jeweiligen Autors oder/und der Leserschaft erobert hatten.
Die „antike“ und „archaische“ Technik hypermodern
Es ist mir so langsam fast schon peinlich, unangenehm zumindest. Aber erneut geht es um die Technik und ihre bedienseitige Darstellung FERN der alten Zeiten, als sie das erste Mal erzählt worden ist. Auch diesmal wird wieder en masse und massenhaft mit Hologrammen gearbeitet, in diese ständig händisch hineingegriffen und zurechtgezupft, während sie informationsgeballt in 3D anzeigen. Das macht am Häufigsten Sichu, aber auch die beiden anderen; das machen ebenso die Unither, die als „Schrottsammler“ mutmaßlich nicht das technisch hochstehendste Schiff ihrer Zeit navigieren. Und auch bei ihnen ist es Standard, an Hologrammen herumzurüsseln.
Doch es geht noch weiter und mehr, was mir auffallend auffiel. Also es fällt mir selber auf, wie sehr es mir auffällt und mich genauso sehr stört. Inverse Reflexion? Die Raumanzüge, in die insbesondere Perry und Sichu steigen, um zu den Raumschiffwracks zu kommen, ähneln in den Möglichkeiten und Kapazitäten vielmehr SERUNs – Semi-Reconstituent-and-Recycling-Units. Diese sind – unter der Bezeichnung – erst mit Heft 975 eingeführt worden: Handlungsjahr 3587 NACH Christus (11.560 Jahre zukünftig zu ATLANTIS), Realjahr 1980 (neunzehn Jahre nach Serienstart). In jedem Fall sind die hier geschilderten Raumanzüge bedeutend funktionaler und benutzer*innenangepasster als die Arkonidenanzüge der perryversalen Anfangszeit, diese die Terraner als hochmodern Ende des 20. Jhdt. von den Arkoniden übernehmen. Die haben mitnichten je mit ihren Träger*innen freimütig gesprochen, wie wir es heutzutage durch ALEXA, SIRI & Co. gewohnt sind und als noch sprechverbesserter in die Zukunft projizieren. In diesen Anzügen steckt lesbar eine – zumindest mal schwache – KI, die durchaus von sich aus kommunikationsfähig ist und Informationen aufgearbeitet ansagt. Und geschweige denn, dass die Anzüge – wie es Sichu ‚handhabt‘ – per Augenblinzeln zu dirigieren gewesen wären. Trotzdem spricht Sichu bevorzugt von „archaischer“ und „antiker“ Technik… Das waren recht klobige Dinger, 1961 den damaligen Astro- und Kosmonauten-Anzügen abgeguckt. Da wurde noch sehr viel durch Gürtelarmaturen geregelt, wo man Schalter und derlei zu betätigen hatte, um bspw. Antigravflug, hinzu- oder abzuschaltende Schutzschirme zu de-/aktivieren. Zugegeben: wie Sichu dann erfinderisch clever und geschickt sehr oldschool per Sauerstoffablassen durchs All manövriert, mutet nostalgisch an die wilden Zeiten.
Allerdings: dazu kommt es ja erst und nur, nachdem man die zu ausgereifte Technik Star Trek-gleich wie beim dortigen Beamen ausfallen lässt. Die Hyperstrahlung oder was es auch immer bewirkt hat, allemal wird die Technik der Raumanzüge erzählpassend situativ dysfunktional. Damit entspricht sie nach dieser Art situativem Downgrade in etwa den Möglichkeiten der alten Zeit. Nur wieso und wozu stellt man das situativ her, nachdem man es zuvor – für mich unnötig – aufgelevelt hat? Wer A sagt, müsste auch B sagen – demnach: wer der Nostalgie willen erzählzeitreist, sollte eigentlich auch die anachronistisch anmutende Technik genauso miterzählen, wie sie für diese Zeit axiomatisch festgesetzt worden ist. Ein Gesamtpaket, aus dem nach narrativem Bedarf sich zu bedienen m.E. unnötige Schieflagen mit sich bringt.
Genauso bei den Trio rüsseli: die können per Ortung so schärfengenau scannen, wie es auch so nie möglich war. Aus großer Entfernung bemerken sie argusäugig sowohl Anzahl der Lebewesen als auch deren Geschlecht bzw. im Falle Cayseys ihren Zustand. NICHT ABER, dass es sich gar nicht um Arkoniden handeln kann, da solche statt Rippen Knochenplatten im Brustbereich haben, Terraner bekanntermaßen nicht. Und Sichu ebenfalls nicht. Noch krasser jedoch, dass die Unither die Hyperstrahlungsquelle Talagon einwandfrei ausmachen können, allen voran ihretwegen das Schiff ‚kapern‘. NUR: wieso ist Rowena denn dann so ziellos mehrtägig über Atlantis herumgekurvt, um nur ziemlich zufällig auf Talagon-Träger Perry zu treffen (Heft 01)? Und wenn die Unither so präzise detektieren können, wieso tappen die Maahks mit sicherlich wesentlich tauglicheren Ortungsgeräten derart im Dunkeln? Das riecht doch glatt nach …
Kein Rüsselreinigen???
Im Vorfeld diskutierten wir darüber, ob die Außerirdischen, die in diesem Roman als Schrottsammler auftauchen, in dieser Epoche unserer Serienvergangenheit überhaupt schon eine eigene Raumfahrt beherrschen. Kann man sie wirklich auftauchen lassen, und welche Rolle spielen sie im Großen Imperium der Arkoniden? KNF auf seinem Blog über ATLANTIS04
Alles, was man über Unither für einen Erstkontakt wissen muss, gibt Perry zu Gedankenprotokoll in Kapitel 10. Und was OB unserem Mann im All in den Kopf schreibt, assoziierte ich von Kapitel 01 an, als das Trio rüsseli die Handlungsbühne des Raumschifffriedhofs betrat. Ob das jedoch eine ‚unithische Zeit‘ 8.000 v. Chr. Gewesen war, fragte ich mich auch.
Die Ereignisse, auf die Perry anspielt, sind 1963 in Heftroman 99 „Ein Freund der Menschen“ erzählt worden (Handlungszeit 2045 n. Chr.): zwar handelte es sich bei diesem unithischen Trio, mit dem wir damals erzählerisch erstkontaktierten, nicht um Schrotthändler, vielmehr um Ausgestoßene aus der Herde ihres Volkes. Mit einem immerhin schrottreifen Schiff stürzten sie mehr auf just dem Planeten ab, als dass sie sicher gelandet wären, wohin sich Crest, der arkonidische Mentor der Menschheit von Heft 01 an zurückgezogen hatte. Ein planetares Altenheim in gewählter Einsamkeit, wo sich der alte „Freund der Menschen“ weniger seiner Haut erwehrte, als vielmehr terranische Technik vor dem Zugriff dieser Außerirdischen retten wollte. Bis zum Tod. Und von solchen Halunken bis zu leichenfleddernden Schrottsammlern ist der Exposéweg dann nicht mehr weit
Der handlungschronologisch mutmaßliche Erstauftritt bis dahin ist rückwirkend auf das Jahr 5747 v. Chr. zu datieren – erzählt in „Fluchtpunkt Schemmenstern“. Ja, noch so ein „Fluchtpunkt“ – das Perryversum ist diesbezüglich ausgeprägt fluchtpunktiert. Diese Geschichte schließt ihrerseits an die Handlung der Urminiserie an – Traversan, wo es Atlan in die arkonimperiale Provinz raumzeitverschlagen hat.
Das spielt ergo wiederum rund 2250 Jahre nach dem Untergang von Atlantis. Vor zweieinhalb Jahrtausenden hatten u.a. die Perser Oberwasser, war Babylon noch eine recht angesagte Stadt, war hingegen Alexander, der dadurch der Große werden sollte, noch nicht ausgezogen… Seither ist auf Erden allerlei passiert – in den Weiten des Kosmos ticken die galaktischen Zivilisationsuhren jedoch langsamer. Die Langwirkmächtigkeit soziobiologischer wie soziokultureller Prägungen überdauert Zeiten. Es geschieht, weil es schon so geschah. Unither sind ATLANTIS gegenwärtig so, wie sie handlungschronologisch soooo viel später erst geworden sind, weil die erzählchronologisch sooo viel früher schon so ausstaffiert worden waren. Soziobiologisch kann man sowas gewiss nachvollziehbar machen, dass ohne cyberborgische Manipulationen eines Transunithismus Unither sind und sich verhalten, wie sie immer schon waren und sich seit eh und je so verhalten. Aber der soziokulturelle Überbau dürfte sich in den Jahrtausenden so ungemein oft, radikal, disruptiv, transformativ und metamorphisch verändert haben, dass man diese und jene Unither eigentlich kaum gleichermaßen verstehen kann. Nostalgisch dennoch wunderbar und von Mr. 100 detailreich bestens inszeniert. Freu! Anders als bei „PICARD“ laut Hannes Könitzer bei Robots & Dragons
Bis hierhin habe ich das Trio etwas distanziert dargestellt, mutmaßlich ungefähr so, wie es als bloße Handlungsträger im Expo skizziert war. Gilthenk, Mekkhur und Glongg haben erst durch Olaf Rüssel in die Gesichter bekommen:
[…] Die drei Unither zum Beispiel waren im Exposé einfach nur drei Typen, die andere Ziele haben als die Hauptfiguren und daher die Handlung mit Konflikt anfüllen. Ihre drei unterschiedlichen Charaktere stammten vollständig von mir.Olaf Brill im PROC-Interview
Und wie sehr OB hierfür in die Trickkiste gegriffen hat, sollte klar geworden sein. Eines fehlt jedoch: Der Rüsselreiniger! Die drei Ausgestoßenen Liszog, Zerft und Golath, die schlussendlich Crest zu Tode hetzen, hätten den alten Arkoniden sicherlich viel leichter überwältigen und besiegen können, wenn sie nicht ständig pausiert hätten, um sich den Rüssel zu reinigen. Dafür gibt es selbst auf Schrottschiffen für Ausgestoßene Apparaturen, die keinem Unither vorzuenthalten sind. Ausstoß aus der Gemeinschaft der Herde als härteste aller Strafen ja, aber den Rüssel nicht mehr reinigen zu können, das tut man den übelsten Verbrechern nicht an. So in Heft 99, so aber nicht in ATLANTIS 04. Was da los? Alles soziobiologisch chronoferent beim Alten, nur die Sache mit dem Rüsselreinigen ist noch nicht erfunden und kulturell angeeignet? Die drei sind über 10.000 Lichtjahre von ihrer Heimatwelt Unith bzw. der Heimatsonne Unatha entfernt, am äußersten Rande des Tai Ark’Tussan, scheinen einer jeden sich bietenden Raumschlacht hinterher zu ziehen. Aber die Rüssel säubern sie sich nicht!? Empörend! Sich aber über die „Weichhäuter“ lustig machen, die zu nichts taugen mit ihrer zarten, schwachen Haut… Gegenrassistische Vorurteile und Abwertungen gegenüber den imperialen Besetzern, die den Unithern jedoch auch noch nie gut mitspielten.
Die Verschwörung – Nur wer eigentlich gegen wen?
Und wozu, zu welchem zweck?
So! Bisheriges so weit, so schön und gut. Wortumrankte Zierde, lesens- aka hörenswertes Präludium. Doch das Entscheidende, worum es doch geht, worauf wir hin fieberten, was den Stein ins Rollen gebracht hat, ereignet sich, geschieht am Ende des Romans! Perry hat uns schon sachte die Spur gewiesen, als ihm auffiel, dass das Gros der Raumschiffsfriedhofsraumschiffe an die 200 Jahre alt ist und wohl kaum reguläre Kriegseinheiten gewesen sein dürften. Der Keim des Argwohns, es hier mit einer ’normalen‘ Schlacht zu tun zu haben, beginnt zu sprießen. Doch wer materialschlachtet derart und als Inszenierung wem gegenüber? Und dann kommen, ganz gemäß den Befürchtungen der Unither, auch noch die Maahks zurück ins System. Als ob just diese vermehrungsfreudigsten eierlegenden Lebewesen sich um ihre Gefallenen kümmern würden, sich deretwegen zurück an den Ort einer Niederlage begäben. Und just die Erz- und angesichts der Kriegsdauer auch Erbfeinde der Arkoniden machen SCHEINBAR kurzen Prozess mit den Unithern, behandeln die vermeintlichen Arkoniden aber als Kriegsgefangene nach einer Art „Genfer Konvention“? Außergewöhnlich ohnehin schon, aber dann: diese Maahks verhalten sich auf augenscheinlich ihrem ureigenen Stützpunkt inmitten eines Gasplaneten einem Arkoniden gegenüber als Befehlsempfänger? Und dieser Arkonide ist Atlan? WOW!
Atlan paktiert mit Maahks? Nachdem(!) der Methankrieg bereits ausgebrochen ist? Zugegeben noch Jahre, bevor Atlan – vermittelst durch ES – die ultimative Waffe gegen die „Methanatmer“ erhält und gegen den Feind zum Einsatz bringt? Das ist unglaublich! Ich bin tatsächlich bass erstaunt und kann das gar nicht ein- noch zuordnen. Eben dieser Atlan, der in Heft 60 „Festung Atlantis“ Folgendes rund um Maahks und Methankrieg aussagt, das für mich keinerlei Paktiertaktik zulässt:
[…] Der Krieg gegen die Methanatmer nahm seinen Anfang in jenen Tagen, als die auf Atlantis gelandeten Siedler damit begannen, ihre neue Heimat aufzubauen. […] Wir waren uns darüber klar, daß uns ein schwerer und harter Kampf bevorstand. […] Aus dem sogenannten Nebelsektor kamen besorgniserregende Nachrichten. Es war, als hätten sich sämtliche nichtarkonidischen Intelligenzen plötzlich gegen uns verschworen. […] Ich dachte auch keine Sekunde an einen kleinen Kontinent, dem der Kommandant meines Flaggschiffes den Namen Atlantis verliehen hatte. Es war alles so unwichtig geworden. Das Große Imperium unter Arkons Vorherrschaft rang um sein Weiterbestehen. Der sogenannte Methankrieg nahm all unsere Kraft in Anspruch. Wir wußten zu jener Zeit noch nicht, daß er unser Volk zum Ausbluten und das Imperium an den Rand des Abgrundes bringen würde. Atlan am Ende von Kapitel 5 in „Festung Atlantis“
Und später, als er zur Rückkehr in dieses abseitige System kommandiert worden ist:
„Es handelt sich wahrscheinlich um Methanatmer“, fuhr ich fort. „Die Monstervölker der Galaxis scheinen mehr und mehr dazu überzugehen, einen Mehrfrontenkrieg anzustreben. Anscheinend verfügen sie über ungeheure Reserven an denkenden Wesen und Material. Wir können es nicht darauf ankommen lassen, auch nur ein Schiff zu verlieren. Unsere schweren Verluste im Abwehrsektor zeigen deutlich, daß die Zeit der warnenden Anrufe vorbei ist. Wir eröffnen – wie gesagt! – das Feuer, sobald wir etwas orten, was nach einem unbekannten Raumschiff aussieht. Unsere eigenen Einheiten wechseln den Erkennungscode nach Geschwaderkladde im Fünfstufen-Rhythmus. Eher wird eine Dechiffrierung durch den Gegner erfahrungsgemäß nicht möglich sein. Das wäre vorläufig alles. Wir müssen abwarten, was sich im Larsafsystem abgespielt hat. Ich danke sehr.Ebenda – Markierung durch den Blogautor
Und zeitlich müsste der hier erzählte Abflug von der gegründeten Kolonie auf Larsaf III. hinein ins Kriegsgeschehen genau den in Heftroman 60 ausgelassenen Abschnitt umspannen, in dem wir uns in ATLANTIS 04 befinden: Atlan kämpft nicht 30- bis 32000 Lichtjahre fern des Larsaf-Systems zwei Jahre lang schlimmste Schlachten, sondern befindet sich in relativer Nähe und spinnt… Ja was eigentlich? Intrigen? Konspirationen? Pakte? Mit den Maahks – anscheinend ja. Aber welchen? Rebellen gegen die eigenen Kriegstreiber? Hatte Atlan hier einen letzten Versuch gewagt, den Krieg abzuwenden? Was hieße, er hätte sich auch gegen arkonidische Kriegstreiber gewandt. All das bleibt noch völlig unklar, kann ich noch gar nicht fassen, finde noch keinen roten Faden der Rowenadne…
Denn Rowena gibt es inmitten dessen ja auch noch! MAL WIEDER(!) ist sie dem Trio atlantis voraus, hat deren Weg erahnen können, um zu rechten Zeit am rechten Ort zu sein, um das Trio anschuldigen zu können. Das ihrem „Gebieter“ gegenüber, Atlan, vor dem sie ehrerbietigst niederkniet, wie man es wohl wahrlich nur vor einem Kristallprinzen oder gar dem Imperator zu tun pflegt. Rowena? Die in den ersten beiden Romanen konspirative Widersacherin zu sein schien, die wider Atlan intrigiert und ihn hintergeht. Im Vorgängerroman drückte sie sich an zwei Stellen so aus, als ob sie Kontakt zu Atlan hätte, wüsste, wo er sich aufhält. Das blieb da aber noch so unbestimmt, als wäre er ggf. ihr Gefangener, den sie jederzeit zu befragen wüsste. Nichts da! Trotz ihrer dienstlichen Ertüchtigung unter Atlans Erzfeind Orbanaschol SCHEINT sie dem Kristallprinzen und Flottenadmiral untertänig zu Diensten zu sein. Rowena – „Die Kralasenin“, Bluthündin des Imperators und seines Neffen? Eine, die nicht auf ihren Extrasinn hören mag und der kein Konsequenzglück hold ist? Die den Gegnern räumlich stets einen Schritt voraus ist, um dann doch – bisher – nicht wirklich final zupacken zu können?
Wir haben also – mindestens – zwei Ebenen: zum einen Rowena, über die wir im Folgeband mehr erfahren, die auf noch etwas verschleierte Art und Weise mit Atlan zusammenhängt, anscheinend doch für ihn arbeitet. Dieser wiederum plant auf höherer Ebene, hält längere Fäden in der Hand, an die wie an eine Leine selbst Maahks gebunden scheinen. Nicht zu vergessen dann noch die Meta-Ebene, die nur im vierten Omen in Heft 01 ganz kurz aufleuchtete, wo nun wahrlich höhere Mächte rund um – nicht nur – das Talagon in den Konflikt eingreifen und für die Atlantis der Fluchtpunkt ist.
Zwischenfazit nach einem Drittel
Allerhand, was Mr. 100 da niedergegriffelt hat. Mehrfach gelinktes PROC-Interview mit ihm nur zu empfehlen, wo er fröhlich vielerlei ausplaudert, ja sogar den miniserialen Expotän fürs Kurshalten lobpreist. Olafs skriptorale Erfahrenheit, miniserielle Korsetts auszufabulieren, kommt ihr zur Geltung. Ihm hat vor allem Caysey gefallen, die anscheinend für alle Autor*innen bisher als narrativer Anker fungiert hat, worüber sie sich einigermaßen erlebensnah ins Perryversum hineindenken konnten. Asche auf mein Haupt, dass ich je annahm, Caysey könnte nur eine „Durchgangs-Protagonistin“ sein – wo sie die wahre Heldin ist, die von Roman zu Roman an Welterfahrung gewinnt.
Nun aber zum Wohl und Weh der Miniserie, dem Talagon! Es wird narratosuggestiv so getan, als wäre es von den Unithern in ihrem Fluchtraumer mitgenommen und auf der Flucht durch die gnadenlos schießenden Maahks sodann vernichtet worden. NIEMALS! Täuschung! Bewusst vage Erzählweise! Kann alles gar nicht sein! Wie gesagt, dass die Unither mit ihren Ortern das Talagon derart hyperstrahlend quer durchs System detektieren konnten, ist zu deutlich ausgesagt worden. Dass ab der Ankunft der Maahks das Talagon, dessen Aufenthalt und seine Hyperstrahlkraft keinerlei Erwähnung mehr wert war, man sich vielmehr auf so nachrangige Details wie eine Ad-hoc-Maskierung von Perry und Sichu versteifte, ist zu auffällig. Wenn das Talagon zerstrahlt worden wäre, hätte das einen Hyperschauer an Strahlung nach sich ziehen müssen, den die Maahks mitbekommen hätten. Usw. usf. Hier wurde narrativ absichtlich in die falsche Richtung geschaut, um etwas zu verschweigen, was geschehen ist.
Ich gehe davon aus, dass die Unither – rüsselschlau wie sie nunmal sind – einen großen Trick gewagt haben. Eventuell haben sie ihr Schiff losgeschickt, ohne selber drin zu sitzen, geschweige denn das Talagon einfach so mitfliegen zu lassen. Wenn dem so wäre, wären sie noch am Leben und nun mit dem Talagon fahnenflüchtig. ODER Caysey hat es pfiffig versteckt! Denn ebenso auffällig hat sie sich für das Schiff, seine Funktionen und Konstruktion interessiert, worüber sie RCO zu Lebzeiten freimütig instruierte. Vielleicht, dass sie da einen Ausweg spontan gefunden hat, es irgendwo unauffällig zu lagern, ggf. inmitten irgendeines noch intakten Hyperstrahlers, der die Emissionen des Talagon überdeckt. Oder es war Sichu, die zeitweise ja mit Caysey zusammen in Geiselhaft war, genauso denkbar dann die – angebliche(?) – Flucht der Unither für sich ausnutzte. Tiefschürfende Erörterungen gab es nicht, da Perry sich maskieren wollte, was Zeit beanspruchte. Nach der Gefangennahme blieben sie getrennt und konnten sich schlicht nicht mehr austauschen. So oder so: da stimmt was nicht in der Erzählung und leseerfahrungsgemäß sind perryversale Autor*innen ziemlich fiese Erzählmöpp, die noch jeden Ackergaul verkauft haben. 😉
Bis hierhin weiß die Serie aber schon sehr zu gefallen – trotz meiner insb. retrotechnischen Einwürfe und manch Gemäkel im Detail. Man versteht es autor*innenübergreifend bisher, viele Anknüpfungspunkte aufzugreifen, stimmige Details, die den Älterlesenden wonnig erfreuen, zahlreich einzupflegen; gleichzeitig aber wendungsreich neues auszubreiten bzw. bis dato größtenteils anzudeuten. Weiter so! In der Mache ist es auch schon:
Ein großer Teil der Manuskripte liegt geschrieben vor, einige Romane sind bereits veröffentlicht, und mit den Exposés ist Ben Calvin Hary längst bis Band zwölf gekommen. Die Serie steht also, wobei es naturgemäß bei einer konzeptionellen Arbeit immer noch weitere Gedanken und Änderungen gibt. Nichts ist in Stein gehämmert – wir machen schließlich Science Fiction, und da kann die eine oder andere Idee schon mal eine Welt verändern.KNF auf seinem Blog: „Zwischenstand auf Atlantis“
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