Hallo Mitwelt!
Unverkennbar, dass dieses Blog in eine schreibblockierte Starre verfallen ist und das über Monate hinweg. Das soll wieder anders werden und liegt gewiss nicht an einem Mangel an Input und interessanten Themen – ganz im Gegenteil, die haben sich kraftvoller angestaut als Wasser hinter einem Staudamm, schlechter geschützt als der Hauke-Haien-Koog hinter dem Deich.
Als Fingerübung zur Revitalisierung daher pünktlich zum heutigen konsumbesinnungslosen „Feiertag“ ein weiterer Hörspiel-Tipp, jedoch nicht irgendeiner, sondern ein ganz besonderer. Mit dem könnt ihr selbst mit der buckligen und könntet erst recht mit der lieben Familie den ersten sowie zweiten Feiertag akustisch verzieren und euch vom Nachmittag an in eine wundervolle Hörwelt zurückziehen und sie gemütlich vom Sofa aus mit Warmgetränken und Lembas durchwandern. In sparsamer Beleuchtung ganz auf das Hörspiel konzentriert, dem mit feuereifrig roten Ohren gelauscht wird!
Ein Hörspiel zu hören, sie alle zu finden, ins Audio zu treiben und ewig zu binden
Es ist mir ein großes Vergnügen und eine – nach langer Hörpause – ebenso große Vorfreude euch wärmstens und dringend bei WDR5 das Hörspiel anzuempfehlen, das vor 31Jahren erstgesendet worden ist: Der Herr der Ringe!!!
Sendetermine sind am 1. sowie 2. Feiertag je ab 16Uhr, jeweils über sechs Stunden bis 22Uhr. Das Hörspiel ist summa summarum also stolze zwölf Stunden lang, besteht aus 30 Episoden, die danach auch als MP3-Download bereitstehen! Die epischen Ausmaße lassen sich mit weiteren Infos von Wiki erahnen:
Mit etwa 70 Haupt- und 35 Nebenrollen, acht Chören und über zwölf Stunden Laufzeit handelt es sich bei dieser Aufnahme um eine der aufwendigsten Produktionen der deutschen Hörspielgeschichte. Allerdings werden die ersten Kapitel teilweise exzessiv detailliert behandelt, die späteren zunehmend immer stärker gekürzt und es wird das Ende des Buches sogar ganz ausgelassen und dadurch der Schwerpunkt der Geschichte merklich verändert. Fans ärgerten sich teilweise auch über die weitgehend falsche Aussprache der Tolkien’schen Eigennamen.Wiki über Der Herr der Ringe, Abschnitt 4.3
Statt das Augenmerk auf die Auslassungen zu richten – so fehlt zugegeben im zweiten Teil von Die Rückkehr des Königs die gesamte Befreiung des Auenlands genauso wie im Film -, sollte man vielmehr ausdrücklich betonen: Tom Bombadil und seine Frau Goldbeere kommen vor :)) (Die Gefährten, Kapitel 6 Der Alte Wald sowie 7 In Tom Bombadils Haus).
He, Tom Bombadil! Tom Bombadonne!
Hör den Ruf, eile her, bei Feuer, Mond und Sonne!
Komm, bei Wasser, Wald und Flur, steh uns nun zur Seite!
Komm, bei Weide, Schilf und Ried, aus der Not uns leite!
wird sogar rezitiert von Frodo, als die Hobbits – ebenfalls im Film ausgelassen – vom guten alten Tom von den Hügelgräberhöhen errettet werden mussten:-)
Ich würde es daher andersherum sagen: das Hörspiel hält sich viel mehr ans Buch, ist viel näher dran, zitiert stellenweise sogar (und zwar die bessere deutsche Übersetzung von Margaret Carroux, nur diese 1991 allerdings auch vorlag). Gerade weil der Beginn, der Aufbruch Frodos und Freunde aus dem Auenland so liebevoll umgesetzt ist, erhören wir auch nur hier und nicht im Film, wie gen Westen wandernder Gildor Frodo weitsichtig zum Elbenfreund erklärt und ihn so für die weitere Reise in die große weite Welt wappnet. Selbst Lutz kommt vor, das treue Pony, das die Gefährten von Bree an bis vor die Tore Morias begleiten wird.
Zu Risiken und Nebenwirkungen
Was stattdessen ins Ohr geht: das Hörspiel ist klanglich, akustisch nicht die Film-Trilogie! Das klingt trivial, doch alle, die von der Trilogie optisch sowieso, aber genauso von der Intonierung her geprägt sind, über die Filme eventuell erst nach Mittelerde gefunden haben, oder von ihr in vorhergegangenen Hörspieleindrücken überprägt wurden, könnten sehr, sehr stark irritiert sein! Das Hörspiel bedient sich nicht realakustischer Klänge, die das Setting realistisch vertonen. Es wird viel komponiert, ja, aber auch mitnichten als Foreshadowing auf den Stil von Howard Shore. Wie auch? Klar! Aber wer die hoffnungsstiftenden Töne für die Hobbits oder das Ringmotiv in seiner düsteren, Finsternis verheißenden Vorahnung im Ohr hat, hat einen Ohrwurm wie einen Tinnitus. So prägend sind die „Shore-Scores“, dass selbst die Milliardärsserie Ringe der Macht Anleihen nimmt und so mittelirdisch wiedererkennbar ist.
Für mich lange prägend war insbesondere der Episodenauftakt, der für mich als Knilch Größe und Tiefe verhieß, bedeutungsvoll und geheimnisvoll zugleich war. Mit der Tonalität wird auch hier schon gespielt, so viel flötenfröhlicher sind daher die orchestralen Klänge noch im Auenland während und nach Bilbos Abschiedsfeier. Immer düsterer wird Klang und Stimmung, je weiter sich Frodo und Sam gen Mordor schleppen, wenn von dort himmelverschattende Düsternis aufzieht. Das ist gut gemacht, aber ebenso völlig anders als der ausgezeichnete Film-Score.
Gleiche Lage bei den Stimmen, nur um ein paar Beispiele zu nennen:
- Gollum: unwiderstehlich weltweit ins Ohr gesäuselt, geschrien, geplappert, gehaspelt und gejammert von Andy Serkis im Original, im Deutschen genauso kongenial intoniert von Recherche und Archiv Bob Andrews (auch unter dem Pseudonym Andreas Fröhlich bekannt). Geht das besser? Vermutlich nicht. Kann der gute Dietmar Mues da mithalten, der diesen zwiespältigen Charakter voller Inbrunst intoniert? Seit 2001 und erst recht 2002 nicht mehr wirklich. Dabei wandelt er seinerseits auf den Tonspuren desjenigen Gollums – es gibt schlicht viele von ihm;-) -, der im wunderbaren Hobbit-Hörspiel die geschundene Kreatur hinausbrüllte, als ihr Schaaaatz ihr entschwunden wart. Gollum klingt da wie dort weniger wie ein hobbitkleines, gekrümmtes Wesen als viel mehr wie ein garstig großes Monster, das so viel gewaltiger als die Hobbits – Bilbo oder Frodo und Sam – ist und durch die Stimme schon physisch bedrohlich wirkt. Der arme Kerl hat’s aber auch nicht leicht, müsste mal aufs Sofa.
- Sam Gamdschie: Gesprochen von Edgar Hoppe. Klingen die vier Hobbits im Film und speziell Sam jung und dadurch klein wie ihre Körpergröße, eher wie Kinder als Erwachsene, eben wie zumeist nur 90Zentimeter kleine Hobbits und nicht wie Angehörige des Großen Volkes, klingt unser Sam, bester aller treuen Freunde, schlicht wie ein Mensch. Ein eher größerer, vor allem auch älterer Mensch, ein gemütlich fülliger Mann vielleicht. Aber wie ein wuseliger Hobbit? Merry Brandybock (Tobias Lelle) und Pippin (legendärer Rufus Beck) sind da besser, hobbitesker getroffen. Frodo wiederum (Matthias Haase) liegt stimmlich dazwischen, kann meines Erachtens nach hinten raus immer besser die niederdrückende, beugende Last verstimmlichen, die sich in ihn hinein psychosomatisiert, je näher der Ring der Schicksalsklüfte kommt. Sam würde ich anhand der Stimme als ruhig und bedächtig sowie besonnen charakterisieren. Einen Schritt vor den anderen setzend, erst die Lage erfassen, nicht einfach so drauflos handeln. Das vermittelt Zuverlässigkeit, das nur zu gute Grundlage für Treue ist, für die niemand so wunderbar einsteht wie Sam. In diesem Sinne ist Sams Stimmbesetzung trefflich – man muss sich nur vor allem bei ihm hineinhören, dass er ein eigentlich junger, etwa gleichalter Hobbit wie Frodo sein soll, der aber wie ein eher 50-jähriger Mensch klingt.
- Aragorn: Gesprochen von Hans Peter Hallwachs. Auch hier kann es zu einem Clash of Voices kommen, wenn man des Film-Aragorns Stimme (original oder synchronisiert) im Ohr hat. Der Hörspiel-Aragorn klingt lebenserfahren, ziemlich alt (wie er es nach Jahren sehr wohl auch ist, nur dank numenorischer Herkunft sich noch in den besten Jahren befindet). Dieser Aragorn hat schon viel erlebt, war hörbar ein vom Leben gezeichneter Waldläufer, der schon vielen Gefahren gegenübergestanden hat. Weniger dynamisch und vorpreschend, niemals wegen irgendwelcher Warge eine Klippe hinunterstürzend. Ein besonnener Fels in allen Brandungen Mittelerdes, zielgewiss und beharrlich. Aber auch doppelt so groß wie Sam? Mitnichten, sie könnten nahezu gleichalt und ziemlich gleichgroß sein. Hierauf, wie körpergroß Stimmen wirken, achtete man leider so überhaupt nicht bei der Besetzung. HP Hallwacvhs war für mich Aragorn – Punkt aus! Zäh wider alle Widerfahrnisse, denen er widerstand, um stetig weiterzumachen. Anfangs klingt auch er unheimlich zwielichtig, so wie er als „Streicher“ ja auch eingeführt, von Butterblume im Tänzelnden Pony beschuldigt wird. Erst mit der Zeit wird die Stimme passend zur Rolle die eines anerkannten Anführers, königlich sozusagen.
Und so könnte man die gesamte Besetzung durchgehen. Gimli, der ruhig bis brav wirkt und mitnichten den axtschwingend grollenden, steinbärtigen Spurtzwerg des Films verkörpert. Baumbart, der auch nur ein älterer Mann der Stimme nach ist und kein ‚lebender Baum‘ mit einem Körpervolumen wie sonst kein Lebewesen weit und breit. Wesentlicher ist meiner Meinung nach, dass das Hörspiel dem Buch allen voran in der Dramatisierung folgt. Hier dürfte man am Irritiertesten sein, dass die Schlachten an der Klamm um die Hornburg, auf dem Pelennor-Feldern oder final vor dem Schwarzen Tor selbstredend samt und sonders vorkommen, aber an die inszenatorisch epischen Ausmaße der Filme nicht heranreichen. Ja, die kampfwütige Intensität wildwüsten Schlachtengetümmels wird hier nicht tondetailreich zum Leben erweckt. Wie auch schon nicht in den Büchern, die eben nicht mit mordlüsternen Kampfdetails aufwarten und wo die Kapitel mit den besagten Kämpfen auch nicht länger sind als insbesondere solche in Die Gefährten, wo geografiereich die Welt durchwandert wird. Kämpfe sind, aber doch nur narrative Mittel zum Zweck, nicht zu inszenierender Selbstzweck der bombastischen Szenerien und lautstarken Kampfgeräusche wegen.
Kurzum: man müsste sich, so man will, auf eine Hörwelt vor den Filmen einlassen, die im Gegensatz zum Hobbit-Hörspiel längst kein reines Kinderhörspiel mehr ist und sein will. Es beginnt aber noch gutmütig wie ein Kinderhörspiel, um sich dann Folge für Folge zu steigern. Ja und die Aussprache – das ist ein eigen Ding. Wer will, kann nebenher ja auf sindarin.de kritisch mitlesen und zwischen warmem Kakao und Keksen die Zunge in die richtige Vokalisierungsposition bringen:-)
Zurück in die Kindheit
Für mich wieder einmal ein Hörspiel der Kindheit. Im Urlaub in Bayern, morgens noch im Bett liegend, lauschte ich dem Bayrischen Rundfunk, wie er das Hörspiel wiederholte. Obwohl doch schon 9 Jahre alt, war ich erst neun Jahre klein und ziemlich verängstigt und furchtsam, als die Ringgeister ihre Jagd aufgenommen hatten und den vier Hobbits nachspürten. Erst die Szene auf der Straße, wo die Hobbits gerade so noch in die Büsche und hinter Bäume gelangen konnten; am Gruseligsten für mein jüngerego aber, als die Schreie der Ringgeister zu hören waren, wie sie durch den lichtschluckenden, schweren Nebel drangen und sie suchend am Anlegesteg erschienen, schnüffelnd wie ein Suchhund, kaum dass die Hobbits abgelegt und übergesetzt hatten. Von kindlicher Furcht gepackt, HOFFTE ich, diese Folge ginge zu Ende, zu spannend sie für mich damals noch war. Es ist zu lange her, dass ich es das letzte Mal hörte, um die Folge zu benennen: entweder schon Nr.03 „Der Feind regt sich“ oder doch schon Nr.04 „Hinaus in die Welt“. Du kannst es ja selber erhören!
In jedem Falle hörte ich im Urlaub nur wenige der Folgen und sehr sicher nur welche vom Beginn, nicht aber die Auftaktepisode selber. Daher, mit kindlich gründlicher Konsequenz, gehörte das Hörspiel in Gänze erstanden und seither ungezählt oft gehört! Das war lange für mich Mittelerde, bis ich erst mit Zeitverzug zu den Büchern respektive den Hörbüchern gelangte. Eiderdaus, auf einmal endete es ganz anders, ums Auenland wurde gekämpft, die Ringkrieg-Veteranen mussten eine (vor-?)letzte Mut- und Willensprobe bestehen, um in der Heimat wieder ankommen zu können. Doch weder dieser Ort, der die alte Heimat war, noch sie, die sie doch nur Hobbits waren, waren noch dieselben, selbst nachdem auch dieses Übel durchgestanden war. Der Ring hatte sich wie ein Siegel in Bienenwachs in ihr Leben eingeprägt und alles verändert, obwohl er doch vernichtet wurde. Das ist wahrlich die, zuerst reichlich verkannte, zunehmend verstandene letzte Poante der Geschichte, die sowohl Heldin- als auch Entwicklungsreise für ihre Protagonisten gewesen ist. Heldin- gegenüber (klassischer) Heldenreise in dem Sinne, dass der Held klassischerweise alleine loszieht und die Prüfungen zum Aufstieg selber zu meistern hat, von Gelegenheitsfiguren Rat und bisweilen Tat erhält. Bei der Heldinreise gibt es keinen singulären Held, dem bloß angelegentlich zugearbeitet wird und werden muss, von dessen schicksalhafter Schwerkraft alles abhängt; eine Heldinreise dauert fort und fort, weg von der Tür, wo sie begann, weit über Land, von Ort zu Ort, eine Gemeinschaft folgt ihr, so gut sie kann. Als ein Vieles läuft sie dem Geschehen rascher Füße nach, bis die Geschichte sich wundersam verflicht‘ mit Twist und Wendnis tausendfach. Doch am Amon Hen wendet’s sich, die Gemeinschaft zerbricht.
Ich wünsche ein gutes Hörspiel inmitten trotz aller Umstände guter Tage!
Ein Kommentar zu „Ein Hörspiel zu hören – DER HERR DER RINGE“