Hallo Mitwelt!
Der Schreibblockade erreichtes Ende noch nicht in Sicht, gäbe es über
„Ein Hörspiel zu hören …“, noch zu Weihnachten wärmstens hörempfohlen, dennoch der schreibfreudigen Worte viele.
Die 30, in Worten: dreißig Episoden sind samt und sonders noch als MP3 downzuloaden, werden hierzu auf WDR5 auch noch regelmäßig beworben – und zwar zurecht! Sendetermine waren 1. und 2. Weihnachtsfeiertag je von 16 bis 22 Uhr, also je stolze 6, in Summe gar 12 Stunden Hörgenuss – und ein solcher war es. Denn ZUM GLÜCK ließ ich mich aufs altmodische, ganz und gar lineare Hören, so wie es von WDR5 gesendet wurde, ein, was ein lange nicht abverlangtes Sitz- aka Halbliegfleisch erforderte. Andersherum ließ ich mich nicht aufs „Streaminghören“ ein, Hören bloß nach Laune. Dann wären es vielleicht drei oder vier Folgen (je etwa 23 Minuten) pro Abend geworden, eventuell auch bis zu sechs bei Zeit und Muße am Tage. Dann hätte es sich aber über Tage weit jenseits von bloß zweien gestreckt und dramaturgisch dramatisch verdünnt. Über den Äther ging das Hörspiel allerdings nicht nonstop und auch nicht ungekürzt, sondern mit je zwei Unterbrüchen. Es begann, wollen wir mal korrekt sein, auch nicht mit dem Geläut zu 16Uhr, sondern nach den regulären Nachrichten um16:04Uhr. Zwei weitere, je rund 4-minütige Nachrichten erfolgten um 18 sowie 20Uhr – die besagten Unterbrüche, die zu hasthektischem Klorennen und Getränkenachholen führten. Je Hörtag also drei rund 2-stündige Hörblöcke, die ein- und ausgeleitet wurden von …
Gollum spricht
…von Gollum höchst persönlich. Also genauer gesagt Recherche und Archiv Bob Andrews, soll heißen: Andreas Fröhlich mit seiner besten Hörbuchstimme (nicht zuletzt einige der 5-bändigen Anhalter-Trilogie-Bücher). Jawohl, freudig überraschenderweise niemand geringeres als eben dieser, der Andy Serkis‘ Gollum ins Deutsche überführte und ihn dermaßen kongenial synchronisierte. Erst noch etwas zurückhaltend ob seiner rühmlichen Rolle, gestand er sein stimmliches alterego dann doch ein, zollte hiesigem Gollum-Intonator Dietmar Mues großen Respekt und gab den Romantiktipp, der Verehrten mit den Worten „mein Schaaatz“ doch mal morgens das Frühstück ans Bett zu bringen. Ihr zu wünschen, dass sich ihr das Bild von Gollum dann nicht zu sehr über den bis dato Geliebten legt und ihn zu sehr überdeckt;-) Das war in jedem Fall großes Hörkino, obwohl sich Andi Fröhlich jeweils kurz hielt und pro Block vielleicht gerade einmal 5 Minuten zu uns sprach.
Je Hörtag also 12 Minuten Nachrichten, zusammen 24; je Hörtag etwa 15 Minuten dem Gollum sein Synchronisateurs Worte, zusammen mindestens deren 30 – sind wir sicher bei 54, aufgerundet 60 Minuten, eine Stunde von zwölfen, in denen de facto gar kein Hörspiel lief. Bis kurz nach 21:30Uhr am 1. Weihnachtstag hatte ich davon jedoch nichts mitbekommen, hätte ich schwören können, alles wäre genauso, wie ich es nostalgisch begeistert auf die Ohren bekam. Erst als etwa um 21:30Uhr nächtens die Gemeinschaft am Amon Hen zerbrochen, Boromir von Pfeilen niedergestreckt und Frodo-Sam entflohen waren, fiel es mir auf: ohne Pausensequenz, ohne überleitende Worte des großartigen Erzählers waren wir sofort bei den Drei Jägern inmitten Rohans und – zu hastiger Schnitt – kurz hierauf bei Merry und Pippin, die sogleich auf Baumbart stießen (statt zuvor durch den beängstigend finsteren Fangorn zu stolpern). Da war doch was zusammengeschnitten!? An Tag 2 umso deutlicher, da nun das Hörspiel – an der szenischen Darstellung des Films orientiert – nur so zwischen den verbliebenen Bruchstücken der Gemeinschaft hin- und herwechselte. Und das so gut aneinandergefügt, dass es sich bedeutend dramatischer aufbaute und zuspitzte, als dass es im Original der Fall ist. Hier stand (und steht weiterhin) jede Episode für sich, fokussiert auf diesen oder jenen Teil der Gemeinschaft auf dem Wege nach oder schon in Mordor bzw. im Ablenkungskampf der Freien Völker, Saurons Auge auf sich zu lenken. Ab und an, aber wirklich nur selten ahnte ich mehr, als dass es mir klar im Hörgang war, dass im Zuge dessen gekürzt worden war. Stimmig durchweg allerdings.
Abbitten
Jetzt nicht bis ins letzte Detail, aber Abbitten muss ich doch leisten. In meiner Empfehlung rang ich um Worte, das Hörspiel doch bitte unbedingt vom Film zu scheiden, außer Konkurrenz anzuhören und nicht mit dem Maßstab der Film-Trilogie zu bemessen. Alles richtig, aber ich habe mir mit solchen Worten selber „Mut“ zu gesprochen, das bloß nicht zu tun. Ja tatsächlich, im Vergleich zu Baumbarts holzdröhnender Stimme im Film klingt der Hörspiel-Baumbart „abgespeckt“, aber mitnichten wie „ein älterer Mann der Stimme nach“. Allemal kräftig und sehr wohl mit Wumms – niemand, dem man im dunklen Wald begegnen möchte. Oder Gimli, der Erinnerung nach viel zu brav statt zwergenbärtig. Nun in der Tradition des Hobbit-Hörspiels stimmlich relativ nahe zu Thórin Eichenschilds Stimme, genau wie diese auch die von Gimli an Schärfe und Entschiedenheit zulegen kann. Noch weniger in Moria, aber sodann im Goldenen Wald, als er – zunächst als einziger – eine Sichtbinde anlegen soll, woraufhin er sich ingrimmig ereifert. Von hieran kommt der Zwergenzorn noch mehrfach hervor und passt nur zu gut. Legolas abgeklärt, der schon ziemlich weise, ruhige Elb, der folglich so gar nichts mit Orlando Blooms Superheld-Interpretation zu tun hat. Aber im Sprecherensemble ist auch das nur zu treffend. Apropos – Boromir! Beeindruckend, auch diese Stimme hatte ich nicht mehr so im Ohr. Stolz, entschieden, herrisch. Zu Hochform läuft er mit wechselnden Tonlagen und Unterstimmen auf, als er sich den Ring von Frodo „ausleihen“ möchte und nach Zurückweisung ausrastet.
Bezogen auf ihre Rolle sowieso schon, aber erst recht im Kontrast zu einander exzellenial: Rohans König Theoden versus Gondors Truchsess Denethor. Jener ein älterer Mann, anfangs gebeugt, dann aufgerichtet, stolz, aber großväterlich zuvorkommend und nett (vor allem Merry gegenüber). Dieser unbeugsam, dabei zu stolz und am Ende von Zukunftslosigkeit gepackt in schwarzer Depression versunken, zerfressen von den vergangenen Chancen. Ich litt körperlich mit! Insbesondere in Denethors Parts von düsterer Musik unterlegt, ein Klangteppich kontinuierlicher Bedrohung aus Mordor, von verschlingender Hoffnungslosigkeit ohne Aussicht trotz Palantir.
MEHRFACH war ich atemlos gefesselt und lauschte heißohrig der Geschichte, die für mich doch gar keinerlei unverhoffte Wendungen mehr bereithält. Aber die Intensität auf den Hügelgräberhöhen, wie die Hobbits im dichten Nebel in ihre Gräber tappen – wow. Noch nicht der Kampf an der Wetterspitze, dafür umso packender die letzten Meter vor der Furt nach Imladris, als die Ringgeister zu Rappen auf die Gefährten zustürmen und gedolchter Frodo ihnen zu entkommen sucht. Und sodann in Moria, als die Trommeln in der Tiefe zu schlagen begonnen haben und aus Feuer und Flamme der Balrog hervortritt und es zum Duell der Magiebegabten auf der Brücke von Khazad-dúm kommt. Bewegungsloses Lauschen! Trotz der Schlachten um die Hornburg, auf den Pelennor-Feldern oder vorm Schwarzen Tor war Tag 2 nicht mehr auf diese Weise szenisch in Besitz nehmend wie vom Ring ergriffen. Hier war es vielmehr die sich stetig steigernde, exzellent musikalisch untermalte, verzweifelter werdende, bedrückende Stimmung, die rund um Denethors Aussichtslosigkeit gipfelte.
Muss ich betonen, explizit ausdrücken, dass ich hellauf begeistert war und anhaltend bin? Ich bin heilfroh, das Hörspiel genauso, live und mit allem Drum und Dran inklusive Kürzung süchtig inhaliert zu haben, gebannt im Klang versunken. Beeindruckend, was 1991 entstanden ist, das ohne Filme bestimmt größere Kreise gezogen, mehr Aufmerksamkeit bekommen und Respekt erhalten hätte. So ist es bei den allermeisten vermutlich durch die Filme völlig überprägt worden oder seiner ganz anderen Erzählweise und Tonalität wegen nur schwer als eigene Spielart anzuerkennen. Hoffentlich hat es sich jetzt geändert!
Der Abgang des Königs
Und noch eine Stimme ist zu erwähnen, hervorzuheben, derer ich mir aber auch nach Jahren des Nichtmehrgehörthabens felsenfest sicher war, so felsenfest sie mir noch in den Ohren nachklang: Streicher – Aragorn, Arathorns Sohn, Stimme gegeben durch Hans Peter Hallwachs. Anfangs zwielichtig anmutend, als Streicher mehr sich herumtreibender Lump als zuverlässig wirkender Ehrenmann, der dann aber doch durch Tatkraft und Wissen hervortritt und sich von Mal zu Mal auszeichnet. Eine prägnante, prägende Stimme …
TOT
Eine Stimme, die von uns gegangen ist. Wie heute durch die Medien gegangen ist, ist Hans Peter Hallwachs bereits am 16.12. diesen Jahres im Alter von 84 Jahren verstorben. Bekannt vor allem durch Krimis, im Fernsehen meist in Nebenrollen beim TATORT und Co, in Hörspielen bei Umsetzungen von 5 Raymond Chandler-Krimis. Wie schon beim Terraner Volker Lechtenbrink kenne ich auch Hallwachs gerade nicht durch seine Auftritte, für die er allseits bekannt ist. Für mich ist er, jetzt mehr denn je, Aragorn, ein stolzer Nachfolger Isildurs, prophezeiter König von Gondor und ein Heiler. Im Ohr ist er mir noch als Stationsforscher Sartorius aus dem 2-teiligen Hörspiel zu Lems SOLARIS. „Unfreundlich, aber dafür entschlossen und geistig gegenwärtig“, so wird Sartorius‘ Präsenz beschrieben, auch die Hallwachs wie angegossen in Stimme bringen konnte!:)) Wo ich sein Lebenswerk bei Wiki so durchklicke, fällt mir noch das WDR-Hörspiel aus dem Jahr 2002 auf, das irgendwann während Corona wiederholt worden ist: Ins Herz der Nacht – eine Science Fiction-Interpretation von Joseph Conrads „Herz der Finsternis“, auch hier Hallwachs einen Wissenschaftler stimmt. Wäre ich mit Bernhard Hennens Fantasy-Welten bekannter als nur dem Namen nach, wäre ich mit Hans Peter Hallwachs quasi auf Du, der da einige der Vielbände (gekürzt) als Hörbuch eingesprochen hat.
Am Tag, als die Welt den Tod des größten Fußballers betrauert, hat uns auch einer der Gemeinschaft verlassen: der Abgang des Königs, der nach erfülltem Leben ohne Wiederkehr von uns gegangen ist:-(