Hallo Mitwelt!
WELTNICHTRAUCHERTAG!
Für mich ein Feiertag, den es dementsprechend hier wohlwollend zu gedenken gilt. Harte Lektüre für Zugequalmte – ein Teil des Inhalts könnte beunruhigen und irritieren. Doch geht es ohnehin längst nicht mehr – wenn denn je – um individualisierte oder gar singuläre Befindlichkeiten, das libertäre Ausleben suchtzwanghafter Freiheiten. Zwanghafte Freiheit – Homo sapiens bekommt noch alles kognitiv dissonante zusammen, was seine verruchte Intelligenz ausmacht.
Vom Feuer…
Da waren wir in die Grote Lazaret an eine „Feuerstelle der Menschheit“ gereist, um mit Erstaunen zur Kenntnis zu nehmen: die Neandertaler haben intuitiv und mit Köpfchen hinbekommen, wofür Homo sapiens sapiens eine Supercomputer-Simulation brauchte. Entgegen sapienter Annahmen einer anständigen Platzierung war die rauchqualmende Feuerstelle nicht im Höhlenhinten, sondern ziemlich zentral in Nutzung.
Mitautor Ran Barkai sagte: „Unsere Studie zeigt, dass frühe Menschen auch ohne Sensoren und Simulatoren in der Lage waren, den perfekten Platz für ihre Feuerstelle zu finden.“ Diese Fähigkeit beweise „Findigkeit, Erfahrung und planmäßiges Vorgehen sowie das Bewusstsein für die gesundheitlichen Schäden durch Rauchbelastung[.]Science.ORF.at
Noch weit vor jedweder Public Health verstanden es Neandertaler also bereits, sich nicht mehr als nötig gesundheitsschädlichem Rauch auszusetzen. Das kann man von Homo sapiens so leider nicht mehr behaupten, hier muss ein kognitiver Schwund von evolutionärem Vorteil gewesen sein.
Die These, dass die Verwendung des Feuers die entscheidende
Wendung im Schicksal der Hominiden bedeutete, lässt sich überzeugend
belegen. Es war das älteste und wichtigste Werkzeug der Menschheit
für die Umgestaltung der natürlichen Welt. »Werkzeug« ist jedoch
nicht ganz das richtige Wort; anders etwa als ein lebloses Messer hat
das Feuer ein Eigenleben. Es ist bestenfalls ein »Halbdomestikat«, es
erscheint ungebeten und kann gefährlich werden, wenn es nicht sorgsam
gehütet wird.
Und weiter:
Die Nutzung des Feuers durch die Hominiden hat historisch tiefgreifende und allgegenwärtige Folgen. Erste Anzeichen reichen mindestens 400000 Jahre zurück in eine Zeit, in der unsere Spezies noch
lange nicht auf der Bühne erschienen war. Dank der Hominiden besteht
ein Großteil der Flora und Fauna der Welt aus feuerangepassten
Spezies (Pyrophyten), die bei Bränden im Vorteil waren. Die Wirkungen
des anthropogenen Feuers sind so massiv, dass man bei einer unvoreingenommenen
Darstellung des menschlichen Einflusses auf die natürliche Welt zu dem Schluss kommen könnte, sie seien noch überwältigender als die Domestikation von Pflanzen und Vieh. Dass das
menschliche Feuer als Landschaftsarchitekt in unseren historischen
Darstellungen nicht so vorkommt, wie es angebracht wäre, liegt vielleicht
daran, dass seine Wirkungen sich über Hunderte von Jahrtausenden
erstrecken und das Werk »vorzivilisierter« Völker – der »Wilden«
– waren. Im Vergleich mit unserer Epoche von Dynamit und
Bulldozern war es eine sehr langsam voranschreitende Art der Landschaftsgestaltung,
doch ihre aggregierten Folgen waren weitreichend.James C. Scott: „Die Mühlen der Zivilisation – Eine Tiefengeschichte der frühesten Staaten“, S. 52F
Mehr Rauchexposition durch Feuer(stellen) haben Homo sapiens zum allesfräßigen Topprädator werden lassen, den (nicht nur, s.u.) Lungenschäden nicht haben abhalten lassen. Hingenommene Nachteile zwecks Bevorteilung an anderer, wichtigerer Stelle? Das klingt nach Praktizierung des Handicap-Prinzips, wie es die Verhaltens- und Soziobiologie kennt:
Es war der israelische Ornithologe Amotz Zahavi, der einer lange Zeit skeptischen Fachwelt die Logik des „Handicap-Prinzips“ erläuterte. Er erkannte, daß die Evolution nicht nur im engen Sinn nützliche Merkmale hervorbringt, sondern auch „teure Signale“, eben Handicaps wie der Pfauenschwanz. Die Botschaft der teuren Signale ist einfach und logisch: Nur wer es sich leisten kann, Extrakosten in Kauf zu nehmen, kann es sich tatsächlich leisten. Fälschung ausgeschlossen.Eckart Voland in der FAZ-Reihe Grundkurs in Soziobiologie (15) Angeberei als Hochkultur – Link durch den Blogautor
Dieses Prinzip weit aufgefasst, nimmt Homo sapiens die Nachteile =Handicaps durch Rauch und Rauchen in Kauf, weil gerade das Vorführen solcher Handicaps beweise, dass man es sich schlicht leisten könne und trotzdem noch groß auffährt. „Vergeudung kann sinnvoll sein, weil man dadurch schlüssig zeigt, daß man mehr als genug besitzt, und etwas zu vergeuden hat. Gerade der Aufwand – die Verschwendung selbst – macht die Aussage so zuverlässig.““ (zit. n. Wiki) Feuer (und Rauch als sein Symbol) der extensionale Pfauenschwanz des Homo sapiens? Es einfach so in die Luft zu pusten (Rauchen), zunehmend kostspielig obendrein, kann nur diesem Prinzip folgen: Man(n) hat’s schlicht und ergreifend! Schau her, wie viel ich von meinem Vermögen in Rauch auflösen kann, ohne dass es mich auch nur tangiert. „Was teuer ist, ist wahr.“
…zum Rauchen
Jetzt aber mitten hinein in die Zelebration des Weltnichtrauchertages, den zu begehen schon seine Gründe hat. Zugestehen müssen wir allerdings, dass die Erfindung des Rauchens ausnahmsweise mal nicht dem imperialistisch wollüstigen, kolonialherrlich getriebenen alten weißen Mann anzulasten ist. Auch die Schweizer haben es nicht erfunden – heißt es. Schon vor 12.300 Jahren wurde – natürlich an einer Feuerstelle – geschlotet und zwar in Amerika, heutige USA. Die Indizienlage ist jedoch indirekt, da man sich nur auf – exakt vier – Samen der Tabakpflanze berufen kann, die man nebst allerlei Gebräuchlichem von Jägerinnen und Sammlern vorfand. Aber die Vermutung liegt nahe, dass es sich dabei nur um Reste handelt, nachdem nikotinhaltige Blätter und Stängel in Rauch aufgegangen waren. Tabak als allseits verwendetes Suchtgut ist hingegen „Kolumbus‘ Erbe“. Erst in seinem Kielwasser machte Tabak die Runde – Charles C. Mann widmet diesem Teil der Globalgeschichte einen höchst lesenswerten wie eindrücklichen Abschnitt. Nur des Tabaks wegen drängte England darauf, UM JEDEN PREIS in Amerika (Virginia) anzulanden, koste es, was es wolle (80% der hingeschickten Siedler). Und wiederum durch den Tabakanbau kollabierte der durch indigene Feuer gestaltete für Europäer wie Wildnis anmutende „Garten“ monokulturell, wurde der Boden nur so dystrophisch ausgesaugt und hinterließ triste Einöd. Dafür aber profitabel!
Das führt sogleich in die Jetztzeit, die sich nicht gebessert hat, nur mehr vom Übel weiß:
Rauchen schadet laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht nur der Gesundheit, sondern auch der Umwelt enorm: Jedes Jahr kosteten Herstellung und Konsum von Tabak mehr als acht Mio. Menschenleben, 600 Mio. Bäume, 200.000 Hektar Land sowie 22 Milliarden Tonnen Wasser und setzten rund 84 Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) frei.
Wie die WHO in einem neuen Bericht unter dem Titel „Tabak: Vergiftung unseres Planeten“
außerdem berechnet hat, entspricht die CO2-Menge dem Ausstoß von etwa 17 Millionen benzinbetriebenen Autos jährlich. Tabakprodukte enthielten über 7.000 giftige Chemikalien, die beim Wegwerfen in die Umwelt gelangten[.]Science.ORF.at
Zum erwähnten WHO-Bericht „Tobacco: prisoning our planet“ (nur auf Englisch) hier entlang!
Das ist jetzt allerdings nicht neu, nur beharrlich ignoriert. So hat es bereits 2018 geheißen, dass es mehr Zigarettenkippen als Mikroplastik gibt:
Für die Herstellung von sechs Billionen Zigaretten im Jahr 2014 seien 32,4 Millionen Tonnen grüner Tabak auf vier Millionen Hektar Land angebaut worden. Die Herstellung habe 0,2 Prozent des weltweiten Ausstoßes von klimaschädlichen Emissionen verursacht, 84 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.Science.ORF.at: Tabakanbau zerstört die Umwelt
Ein Raucher, der 50 Jahre lang 20 Ziggis täglich durchzieht, hätte in dem Zeitraum auch alternativ 1,4 Millionen Liter Wasser trinken können, um die Zeit rumzukriegen und die Finger beschäftigt zu halten. So viel Wasserbedarf hatten die zu 90% in Entwicklungsländern angebauten Tabakpflanzen nämlich, wenngleich der Gewinn für das ‚veredelte Endprodukt‘ dieser Kulturtechnik nur den rauchentwickelten Ländern zukommt. GUT…, die Gesundheitsschäden müsste man vom Gewinn noch abrechnen, womit es mutmaßlich auch ein Minussummenspiel hinausliefe. Aber so beliebt ist Mathematik dann auch nicht, sie wirklich praxisnah anzuwenden… Bzw. diesem dyskalkulatorischen Schock weiß der rauch-industrielle Komplex mit finanziell aufwendigem Lobbying erfolgreich entgegenzuwirken. Wenn man nur genügend Rauchbomben wirft, verschleiert sich die Sicht und vor lauter Desorientierung folgen die Lemminge dem rauchstimmlichen Sirenengesang.
«In Industrieländern angesiedelte Tabakkonzerne verbrennen im übertragenen und im wahrsten Sinne des Wortes die Ressourcen und die Zukunft der am wenigsten geschützten Menschen auf dem Planeten», meint einer der Autoren, Nicholas Hopkinson vom Herz- und Lungeninstitut am Imperial College in London.Science.ORF.at erneut
O, apropos schlechte Sicht und noch miserablere Navigation im trüben Dunst: Tabakrauch schädigt die Hornhaut des Auges! Das war jetzt also nicht nur metaphorisch gemeint 😛 Aber nur weil „Die Magie unserer Sinne“ zu 70% Input übers Sehen bezieht, ist der Spielraum hier freilich auch noch groß genug, um das downzuleveln. Da denkt man, der Computer- oder Smartphonebildschirm wäre der Teufel fürs Auge, der kurzsichtig macht und massig Folgeprobleme schafft. Dabei läuft da längst ein 500-jähriges Gesellschaftsexperiment, wie man die Hornhaut loswird und die Optikerindustrie am Laufen halten kann. Hoffen wir mal, dass man da innovative Einflussfaktoren findet, um das Wettrüsten gegen die Folgeschäden in ein Patt umwandeln zu können. Ich sehe da jedoch rauchschwarz, weil selbst Forschende, die das selbstverursachte Leid vor dem Argusauge haben, als Fazit nur das im Sinn haben:
Die Ergebnisse regen dazu an, die Wirksamkeit von Augentropfen zu untersuchen, die Ferroptose-Hemmer enthalten. Somit könnte man Raucherinnen und Rauchern womöglich eine langfristige Linderung und Schutz vor trockenen Augen bieten. »Vielleicht können wir diese Substanzen in künstliche Tränen einbringen. Damit eröffnet sich ein ganz neuer Weg zur Behandlung von trockenen Augen«, sagt Altinörs.Nochmal bei Spektrum.de über die Hornhautauflösung durch Rauch
Die Ergebnisse beziehen sich darauf, dass man mittels bestimmter eisenhaltiger Augentropfen gegensteuern könne. Ich will ja nicht spoilen, aber ich kenne ein industrieloses Gegenmittel, das extrem günstig ist und überall erhältlich, keinerlei Infrastruktur- bzw. Verteilungsprobleme oder dergleichen: NICHTRAUCHEN! Aber bloß nicht weitersagen!
Sonst käme auch obig genannte rauch-industrielle Lobby: „Tabakindustrie verhindert Tabakkontrolle – neuer Index für Deutschland“ – worüber Klaus-Dieter Kolenda 2020 bei Telepolis berichtet hat. Er bezieht sich auf diesen Index bei UNFAIRTOBACCO, der das Lobbying detailreich aufdröselt und so als Entrauchungshilfe dienen kann – wenn man sich traut.
In vorigen Artikeln hat KDK schon wider die Glimmstängel informiert. Um der Größenordnung gewahr zu werden, um die es vom Tabakanbau bis in die Särge der Folgewirkungen geht:
Bekanntlich ist die Tabakindustrie der Industriezweig, der mit seinen Produkten wahrscheinlich direkt nach der Rüstungsindustrie weltweit die meisten Todesopfer fordert. In dem 2011 erschienenen herausragenden Buch des US-amerikanischen Medizin- und Wissenschaftshistorikers Robert N. Proctor über die Geschichte der Zigarettenkatastrophe mit dem Titel „Golden Holocaust“ wird die Zigarette als „tödlichstes Kunstprodukt in der Geschichte der menschlichen Zivilisation“ beschrieben. Proctor schätzt ein, dass das Tabakrauchen im 20. Jahrhundert weltweit etwa 100 Millionen Todesopfer gefordert hat.KDK im Telepolis-Artikel „Hauptsache nikotinabhängig – ein notwendiger Nachtrag zum diesjährigen Weltnichtrauchertag“ vom 01.11.2020
Robert N. Proctors „Golden Holocaust. Origins of the Cigarette Catastrophe and the Case for Abolition.“ ist auch heute immer noch nicht auf Deutsch erhältlich. Warum nur? Immerhin in Österreich, bei Der Standard gibt es wenigstens eine Rezension: „Das tödlichste Ding der Welt“! By the way: 100 Mio. Tote dürfte in etwa der spanischen Grippe entsprochen haben, als sie nach dem Ersten Weltkrieg ihren tödlichen Siegeszug antrat. Ihr verdanken wir wohl heute Influenza. Dem Rauchen verdanken wir auch manch letales Gimmick wie ab einem Kipppunkt irreversibel geschädigte Arterien und zwar von Kopf bis Fuß. Sie sind anfälliger für Corona, umso langwirkmächtiger, je mehr die schwangere Mutter Nikotin zu sich nimmt. Usw. ABER wenn individuelle Schädigungen je ein Grund gewesen wären, es sein zu lassen bzw. aufzugeben, gäbe es ja längt keine Raucher mehr. Da es sie noch gibt, geht es dann um ihre egozentrischen Umweltzerstörungen, die ihnen egal sein mögen, den Betroffenen aber nicht. Es geht also mitnichten um rein private, bloß persönliche Neigungen und ein wenig ureigenes Vergnügen, das schlicht sozialer Gruppendruck oder schon Sucht ist. Es zieht seine letalen Kreise, die weit über zuzugestehende Selbstzerstörungsfreiheiten hinausgehen!Entwöhnung der Pyrophyten, wenn sie mit dem Feuer ihr Exposom im sozialen Nahbereich vernebeln! Um was damit zu verhüllen???
Ein Kommentar zu „Weltnichtrauchertag – Ehre, wem Ehre gebührt“