Der grüne Komet fliegt weiter durch die Unendlichkeit – Herbert W. Franke IN MEMORIAM

Hallo Mitwelt!

Anlass dieses Beitrags ein trauriger, es gilt erneut zu gedenken. Nachdem bereits Perry Rhodans Stimme aka Volker Lechtenbrink verstarb, ist am inzwischen vorletzten Samstag, dem 16.07.2022, ein Großer nicht nur der SF-Szene verstorben: Herbert W. Franke!

Geboren 1927 in Österreich, gestorben 2022 in Bayern im Alter von stolzen 95 Jahren im Kreise seiner Familie. Aufmerksam geworden bin ich zugegeben nur über die News bei TOR online. Anderswo wie in der Kulturrubrik bei SZO oder ZON – nichts! Keine weitreichende Würdigung in den großen Medien – schade. Nur eine Mitteilung bei SPON, die auf den Tod des „Universalgenies“ hingewiesen hat. Als ein solches ist er in Nachrufen mehrfach gewürdigt worden, so breit sein Interessens- und Handlungsspektrum gestreut war. Der in diesem Blog hauptsächlich interessierende SF-Bereich war da bei weitem nur einer unter vielen weiteren wie Höhlenforschung oder avantgardistische Computerkunst. Bei P.Machinery (s.u.) hat es bisher auch nur einen kurzen Hinweis gegeben.

Der SF-Autor

Wie prägend sein Beitrag zur SF-Szene war, lässt sich allein am Kurd-Laßwitz-Preis festmachen, dem ältesten und wohl auch anerkanntesten deutschen SF-Preis seiner Art, den es seit 1981 in mehreren Kategorien jährlich durchgehend gibt. Gleich im ersten Jahr war HWF mit „Schule für Übermenschen“ für den „besten Roman“ nominiert, 1983 erneut mit „Tod eines Unsterblichen“. 1985 gewann er in dieser Kategorie mit „Die Kälte des Weltraums“, um 1986 ein Back-to-back mit „Endzeit“ folgen zu lassen. Nach langer Pause folgte 2005 eine weitere Nominierung mit „Sphinx_2“. Mit inzwischen schon 80 Jahren räumte HWF 2007 mit „Auf der Spur des Engels“ ab und zeigte den jungen Hüpfern mal, wie man zeitenumspannend gute SF fabulieren kann.

Aber auch in Sachen „beste Kurzgeschichte“ mischte HWF mit: : 1984 on top mit „Atem der Sonne“. Das mag verwundern, dass es bei dieser einen Nominierung geblieben ist, er gar keinmal obsiegte. Denn gerade als Kurzgeschichten- und vergleichsweise weniger als Romanautor ist er bekannt und berühmt geworden. Die Kunst der Verdichtung selbst noch einer Kurzgeschichte auf eine „Ultrakurzgeschichte“ war sein Markenkern. Eine Art narrative Singularisierung, wenn man so will – wenigstens aber doch ein erzählerischer Neutronenstern, in dem sich geballt Erzählungsmasse wiederfand und von dem aus Erzählungsstrahlung ausging, die ankam!

Einher ging aka schrieb er das mit einem sehr sachlichen, nahezu kalten, distanzierten Schreibstil, der dieses SCIENCE in Science Fiction ernstnahm und fast schon überbetonte. Damit erinnert er mich aber an vielen Stellen an Lem, der um einige Jahre Frankes Schreiben vorausging, aber auch an die Brüder Strugatzki, die zumindest phasenweise ebenso formulierten.
Doch wesentliche Beiträge sind vor der KLP-Zeit entstanden. Begonnen hat es über 20 Jahre zuvor, 1960, mit dem vielleicht berühmtesten Band, der Kurzgeschichtensammlung „Der grüne Komet“. 1972 folgten „Einsteins Erben“, Fünf Jahre darauf „Zarathustra kehrt zurück“. Hiervon konnte per se nichts preiswürdig berücksichtigt werden. Wieso „Paradies 3000“ aus dem Jahre 1981, dem Startjahr des KL-Preises, außen vor blieb, weiß ich nicht. Eventuell zu spät im Jahr erschienen. Allerdings ist in der Übersicht zur Kurzgeschichten-Kategorie bei Wikipedia je nur der Sieger genannt, nicht die ggf. mehreren Nominierten. Vergleichbar auch in Sachen Romane, wo er ebenfalls reichlich vor der Zeit des Preises veröffentlicht hatte, nämlich deren acht!

Werkausgabe

Bei P.Machinery erscheint die Werkausgabe aller Herbert W. Franke-SF-Texte, die auf 31 (genauer gesagt: 28+X) Ausgaben angelegt ist. Davon sind bei weitem noch nicht alle erschienen – 15+3 bisher, das Gros wird also posthum neuveröffentlicht. Alle bisherigen Ausgaben sind um Texte des Autors selber und langjähriger Weggefährten ergänzt und betten so die bis 1960 zurückreichenden Geschichten ein, geben ihnen nach teils vielen Jahrzehnten hilfreichen Kontext. 2020 erschien bspw. Band 13 der 31-bändigen Werkausgabe mit eben jenem Roman, mit dem er preiswürdig durchstartete: „Schule für Übermenschen“.

Auch erhältlich, als Nummer Eins der Reihe, ist „Der grüne Komet“, mit dem alles begann, der seither seine Bahn durch den SF-Kosmos zieht. Unbedingt zu empfehlen als ergänzende Lektüre ist das 80-seitige Büchlein „60 Jahre Grüner Komet“, der dem Titel nach – mit dem Autor höchst selbst als Interviewpartner – diese Zeitstrecke zurückblickt, die um mehr als ein Drittel länger ist, als ich alt bin. Frei nach dem Motto also: Wer „Der grüne Komet“ liest, liest auch“60 Jahre Grüner Komet“! Ein sich zirkulär verstärkendes Muss:-)

Covergestalter ist durchweg Thomas Franke, den ich zunächst als H: W.‘ Sohn vermutete, der aber nur zufällig, dann aber doch auch schicksalhaft den Nachnamen teilt. In seinem Nachruf „Traurige Worte“ erzählt er, wie er aus der DDR floh und zunächst bei H. W. unterkam, der ihn mit seiner Art und durch seine Hilfe prägte und ihm bis zu seinem Tod bei jeder Grafik zu der Werkausgabe als stiller Beobachter mit Rat über die Schulter geblickt habe. Das werde ihm nun fehlen, so Thomas Franke eindrücklich.

Ein Video-Interview

Um sich nicht nur ein Bild, sondern auch einen Ton von Herbert W. Franke machen zu können, sei auf’s Alpha Forum verwiesen, wo er als „Physiker und Science-Fiction-Schriftsteller“ anregend von seinen besagt vielen Interessen in fast 44Minuten spricht. Besonders stolz ist er meinen Ohren nach darüber, nicht nur Höhlen besucht und erkundet, sondern auch wichtige Beiträge bei deren Erforschung geleistet zu haben. Abrufbar als MP4 auch via mediathekviewweb.de.

Hörspiele

Von den zwölf bei Wikipedia gelisteten Hörspielen, die beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk auf seine Vorlagen hin erschienen sind, gibt es ihm zum Gedenken bei BR2 zur Zeit zwei davon anzuhören und als MP3 herunterzuladen:

  • „Papa Joe & Co.“ – Sci-Fi-Klassiker zum Tod von Herbert W. Franke: „Science-Fiction · Papa Joe, beliebter Diktator von Neu-Amerika, versorgt seine Untertanen mit ‚Brot und Spielen‘ und spricht persönlich zu ihnen ? als Stimme in ihrem Kopf. Hinter ihm steht eine Clique von Machthabern. Der europäische Diplomat Boris van Feldern möchte sich über Gefahren und Nutzen des Systems informieren, kann sich aber schon bald der Anziehungskraft des Diktators nicht entziehen. // Mit Hansjörg Felmy, Uwe Friedrichsen, Reinhard Glemnitz, Judy Winter, Wolfgang Büttner, Peter Fricke, Ilse Neubauer u.a. / Regie: Heiner Schmidt / BR 1976“ Direkter Link zur MP3
  • „Signale aus dem Dunkelfeld“ – Sci-Fi-Klassiker zum Tod von Herbert W. Franke: „Science-Fiction · Ein Forschungsteam auf dem Mond antwortet nicht mehr. Die Welt spekuliert über das Schicksal der Forschungsstation. Die bruchstückhaften Tonbandprotokolle des Forscherteams werfen mehr Fragen als Antworten auf. Darauf stellen nichtmenschliche Stimmen dem Team offenbar ein Ultimatum. // Mit Bodo Primus, Eric P. Casper, Jürgen von Pawelsz, Andrea Rosenberg, Christoph Jablonka u.a. / Regie: Dieter Hasselblatt / BR/SDR 1980“ Direkter Link zur MP3

Vor allem letzteres Hörspiel hat mich in vielem an Lems „Mondnacht“ erinnert. Da wie dort spielt die Kernhandlung, die beim Franke-Hörspiel zweifach umrahmt wird, auf dem Mond. Die bei Lem zwei männlichen, bei Franke dito plus eine weibliche AstronautInnen sind während der „Mondnacht“, wenn die Erde hinter dem Horizont der Mondstation verschwindet und kein Funkkontakt mehr möglich ist, auf sich allein gestellt. Es endet jeweils im Streit und Handgemenge. Als „dritte Partei“ spielt bei Lem „Monder, der Mondcomputer“ mit und spricht auch genauso, wie Computer damals zu klingen hatten; bei Franke kommen die besagten „Signale aus dem Dunkelfeld“ – eine Stimme, die Monder erstaunlich ähnlich klingt:-) Ob es sich um Aliens handelt? Was sie wollen? Was sie antreibt? Ob sie drohen und wenn ja, womit? Hören!

Und schlussendlich bleibt wiedermal einem Großen der SF zu wünschen, dass er gleich ägyptischen Gottpharaonen aufsteigt den Himmel, nur dieser die Grenze ist …

AD ASTRA HERBERT WERNER FRANKE – IN MEMORIAM

Werbung

Ein Trivid auf Atlan

Hallo Mitwelt!

Wie unschwer anzuprangern, ist die Nachlektüre von Perry Rhodan-ATLANTIS momentan – exakt nach der Hälfte – zum Erliegen gekommen. Das ist, ganz ausdrücklich, KEINE inhaltliche Kritik, die sich hier passiv-aggressiv wortlos ausdrücken soll. Es geht tüchtig weiter und man (Expotarch BCH) wagte wahrlich, worauf ich frühzeitig spekulierte, es für eine MINI-Serie aber eher für zu viel an Stoff hielt. Die höchste perryversal denkbare Schublade wurde geöffnet und Kosmokratenbüttel kamen entstaubt hervor. Der Handlungsrahmen ist so weit über alles hinausgespannt, was bisher mit Atlantis assoziiert gewesen war. Bevor ich mutmaßlich in Sammelschauen mehrerer Hefte noch einmal nach ATLANTIS zurückkehre, gibt es zuvor aus gegebenen Anlässen aber zweierlei aus dem „Perryversum“ zu berichten. Denn apropos …

Mikroserie: Trivid

2016 ist mit einem Prolog und sechs kapiteln eine ‚Mikroserie‘ erschienen, die es noch für kurze Zeit zum Sonderpreis von 4,99 statt 7,99€ als eBook gibt. Die Zwei-Mann-Serie – Olli Fröhlich sowie schon damals Dualer Expotän Christian Montillon – heißt Trivid – Die Klon-Verschwörung, weshalb nur folgerichtig eine Trivid-Künstlerin namens Lian Taupin – selbstredend neben Perry Rhodan himself – Hauptperson des Ganzen ist. Trivid ist im Übrigen die Kurzform für Trivideo als die multimediale Form der Unterhaltung und für Information, die einstdann gebräuchlich sein wird. Virtual Reality der Zukunft:

»Die junge Trivid-Künstlerin Lian Taupin steht im Mittelpunkt einer unheimlichen Verschwörung, in die auch der erfahrene Raumfahrer Perry Rhodan hineingezogen wird: Lian erfährt, dass sie das Ergebnis grauenhafter Klon-Experimente ist, ebenso wie ihr ›Bruder‹ Dano Zherkora und ihre ›Schwester‹ Ischi.
Ein skrupelloser Wissenschaftler hat sie erschaffen, um mit Humandesign ein Vermögen zu verdienen. Nun droht Dano und Ischi der körperliche Zerfall, während Lian in die Gewalt ihres Gegners gerät – sie landet in einer Geheimbasis in den Ringen des Planeten Saturn.
Um sie zu retten, muss Rhodan ein rätselhaftes Instrument bergen, das in eine der Geheimkammern des Sonnensystems gebracht worden ist. Er steht vor der Entscheidung: Muss er auf die Forderungen ihres Gegners eingehen? Oder gibt es eine letzte Chance für die Klon-Geschwister?«
Klappentext zur Mikroserie

Es geht ums Klonen von Menschen, was verboten ist in dieser fernen Zukunft der Menschheit, was den Plot als merklich deutsch kennzeichnet. Es geht um die persönlichen Probleme von Herkunft und Zugehörigkeit für Lian, die der Fallstricke selbst einer multiplen Elternschaft entbunden ist und daher nach resozialisierenden Sinnhorizonten sucht. Perry für uns als Anker des Bekannten, mit dem wir den Rätseln von Lians Herkunft auf die Spur kommen und hierfür sehr anschaulich einige Welten des Sonnensystems bereisen. So bekommen wir eine schöne erste Vorbeischau der Gegebenheiten der solaren Menschheit im Jahre 1513 NGZ (=Neue Galaktische Zeitrechnung). Das Datum wird explizit nicht genannt, anhand einiger Andeutungen lässt sich etwa dieses Handlungsjahr aber destillieren.

Eine kleine, aber feine, sehr rasante Serie, die die erste ihresgleichen gewesen ist, der bis heute auch erst zwei weitere gefolgt sind („Die verlorenen Jahrhunderte“ sowie „Galacto City“). Wollen schon Miniserien einsteigerfreundlich sein, um dann doch auf so vielen Ebenen des Perryversalen zu spielen wie ATLANTIS, bleibt bei Trivid all das außen vor. Wenn man irgendwo einsteigen will, um zunächst einmal nur Leute und Orte im lektürischen Erstkontakt kennenzulernen, kann ich Trivid nur empfehlen!

Jubilar Atlan – relativunsterbliche 60

Unglaublich, aber wahr: jung und dynamisch wie eh und je geht unser aller Beuteterraner, hochwohlgeborener Kristallprinz Mascaren – Verzeihung! – Atlan da Gonozal mit großen Schritten trotz aller Relativunsterblichkeit auf die Rente zu! Uns Atlan feiert in diesem Jahr seinen 60. Geburtstach!

Letztes Jahr wart die Perry Rhodan-Serie in all ihrer allumfassenden Lektüre bereits 60 geworden und ihr zu Ehren gab es allerlei an Gedenken und Denkschriften. So wurde ihr eine Miniserie gestiftet – Wega, in der wir ins erste extrasolare Sonnensysteme, das je Menschen betraten, reisen und uns nochmal auf die Fährte eines Galaktischen Rätsels begeben durften, das anno Domini – bis Heft 0019 „Der Unsterbliche“ – für zuallererst Perry höchst selbst die relative Unsterblichkeit bereithielt. Fundamental für alles Folgende! Wenn man so will, so ist laufende Miniserie ATLANTIS nun Atlan zu Ehren, nachdem – so die perryversale Mythologie – der Kontinent nach ihm benannt worden ist und als Mythos par excellence die Jahrtausende überdauerte. Und wohl nur weil die eigentlichen Atlan-Miniserien seit weit mehr als einem Jahrzehnt ad acta gelegt sind, hingegen die Äquivalente zu Perry Rhodan alljährlich fortlaufen, musste es eine Perry Rhodan-Miniserie sein, in der Atlan jedoch mehr als nur prominent auftritt.

Und ein Jahr nach Band 0001 „Unternehmen STARDUST“ ist mit Band0050 „Der Einsame der Zeit“ im September 1962 Atlan vom Exposéautor der ersten Stunde K. H. Scheer in die Serie hineingeschrieben und Perry an die Seite gestellt worden. Seither ist der geerdete Arkonide, der als Hüter der Menschheit an vielen der zivilisatorischen Errungenschaften beteiligt war, eine der beliebtesten Figuren des gesamten Serienkosmos. Eine vergleichbar charismatische Persönlichkeit wie Perry, aber eben doch anders, weil arkonidisch ausbuchstabiert. Mit ihr eingeführt und für lange Zeit für ihn exklusiv reserviert, erlebten wir durch Atlans Augen, in seiner Ich-Perspektive wie im Sog das Geschehen mit.

Am 02. September wird nun ein Sonderband erscheinen, der Spannendes bereitstellt: „Er enthält einen Nachdruck des genannten Romans, das Original-Exposé sowie weitere Artikel und einen 16 Seite umfassenden Farbteil.“. Als eBook gibt es besagtes Heft 50 einzeln oder als Auftaktroman des Zykluspakets „Atlan und Arkon“. Dass wir nun aber auch mal das Exposé zu diesem Meilenstein einsehen können, ist eine großartige Rarität. Ohnehin sind diese Exposés sagenumwobene Schriftstücke, Zeugnisse des je amtierenden Alten vom Berge, ominöse Anweisungen exposaler Weitsicht auf das noch Kommende, zu dem hin das Expogerüst Stütze sein sollte. Kaum je hat man als gemeiner Fan je welche sichten können. Eine große Ausnahme letztes Jahr: Das Heft zum 60. Jubiläum – wie es schnöde geheißen hat. letztjähriger Vorgänger mit Heft UND Exposé zu Band 0001, hinzu zu Band 0002. Dieses textlich aufgelöst, ersteres als Faksimile – das als Anmerkung für Screenreader-Nutzer*innen, denen das erste Exposé daher unlesbar bleibt. Viele einordnende Vor-, Neben- und Nachworte aller amtierender Dualer Expotäns, Epochentafeln zu den Autorengenerationen und vieles mehr. Ein unterkomplex benanntes, aber inhaltsvolles Jubiläumsheft. Und ein Gegenstück zu Atlans rundem Geburtstag folgt in anderthalb Monaten!

Darauf freue ich mich sehr, wird Pflichtlektüre, die hoffentlich das eine oder andere enthüllt zur Entstehung der Figur, wieso sie derart konzipiert worden ist, wozu sie dienen sollte und wie sehr sie sich – wie so viele ihrer Art – dann doch verselbständigt hat. Letzteres vermute ich zumindest, da irgendwann nicht mehr nur exklusiv K. H. Scheer sie in exklusiver Ich-Perspektive schrieb, also in eigener Langzeitplan-Hand hielt, sondern alle Kollegen Hand anlegen durften. Wer ein Interesse an Hintergründen hat, sich aber nicht durch die gesamte Chronik I wühlen mag, sollte unbedingt zugreifen. Weitere Informationen sollen noch bis zum 02.09. publik werden:-) Es wird berichtet!

Pandemisches Panoptikum

Hallo Mitwelt!

Texel wird in diesen Wochen wie weite Teile des Nordseeraums von einem beispiellosen Ausbruch der Hochpathogenen Aviären Influenza (HPAI) besser bekannt als Vogelgrippe oder Geflügelpest heimgesucht. Wo sonst ein Gewimmel von unzähligen schwirrenden Flügeln herrscht, wo normalerweise ohrenbetäubender Lärm die Luft erfüllt, empfängt die Forscher jetzt eine apokalyptische Szenerie: Überall liegen tote und sterbende Vögel.
[…]
4500 Brutpaare der Brandseeschwalbe [Thalasseus sandvicensis] lebten noch vor wenigen Wochen auf Texel – die größte Konzentration im ganzen Wattenmeer. »Jetzt gibt es vielleicht noch 50«, sagt Mardik Leopold am Telefon aus seinem Labor. »Alle anderen sind tot«, setzt der Forscher hörbar angefasst hinzu. Unwillkürlich entfährt ihm ein bitterer Lacher – der Forscher weiß nicht wohin mit seinem Frust in dieser absurden Situation.Thomas Krumenacker bei spektrum.de: Vogelgrippe wütet an der Nordsee – Links durch den Blogautor

Texel ist die westlichste der westfriesischen Inseln, liegt in der niederländischen Provinz Nordholland und war bisher auch gerade ob der Flora und Fauna ein beliebtes Touristenziel. Zurzeit unterbrüchig, denn die Forschenden können sich inmitten der Epidemie nur in Ganzkörperanzügen ohne direkten Hautkontakt zu den elendig verreckenden Vögeln hinauswagen. Doch wie lässt sich dieses massenhafte Populationssterben – Vogelgrippe H5N1 hin oder her – nachvollziehen?

Analog zur Corona-Pandemie beim Menschen verbreiten auch unter den Vögeln offenbar einzelne – häufig symptomlose – Tiere durch den Besuch verschiedener Kolonien das Virus als so genannte Superspreader. »Die Seeschwalben sind immer auf Achse«, berichtet Leopold. Ein Vogel könne ohne jedes Problem aus der französischen Kolonie 300 Kilometer nach Texel fliegen, dort rasten und dann die 150 Kilometer nach Deutschland weiterfliegen. »Seeschwalben sind ideale Arten für ein Virus, das sich ausbreiten will. Wenn ich ein Virus wäre, würde ich Brandseeschwalben angreifen«, sagt der Forscher.
[…]
Als sei das nicht genug, erweist sich auch die Angewohnheit der Seeschwalben, in großer Zahl, dicht gedrängt in nur wenigen großen Kolonien zu brüten als idealer Angriffspunkt für eine Virusinfektion. Im ganzen Wattenmeer gibt es weniger als ein Dutzend Kolonien. Dort aber leben die Vögel dicht an dicht. Von Abstand – dem wichtigsten Mittel gegen das Überspringen eines Virus – kann dort keine Rede sein.Ebenda

Bis zu zehn Brutpaare können sich nur einen einzigen Quadratmeter Brutfläche teilen! Der einzelne Nistplatz ist demnach gerade einmal 20cm groß. Es betrifft darüber hinaus noch andere Zugvogelarten und das entlang der gesamten Nordseeküste bis nach Frankreich runter. Vor allem betroffen sind ältere, geschlechtsreife Vögel, was negativ bedeutend ist, da Zug- im Gegensatz zu Singvögeln deutlich älter werden, aber pro Jahr auch wesentlich weniger Tiere aufziehen. Stirbt jetzt ein potenzielles Elter weit vorzeitig, entfällt mit diesem Individuum auch buchstäblich die Potenz zur Fortpflanzung, was in nicht allzu nachwuchsreichen Arten umso heftiger ins Gewicht fällt. Hinzu kommt freilich, dass die Jungvögel – so wenigstens sie überleben – als Halb- oder Vollwaise auf sich allein gestellt sind und so ihrerseits den Gefahren umso hilfloser ausgesetzt sind. Zwar wären sie nach 4 bis 5 Wochen bereits flügge, werden dann eigentlich aber noch elterlich versorgt. Erwähnenswert, dass die Art der Brandseeschwalbe ohnehin auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands steht, wohin man nur unrühmlich gelangt, wenn man sowieso vom Aussterben bedroht ist. Minus und Minus ergebe Plus, so jedoch nur in der Mathematik: diesseits der Populationsbiologie sieht man bei so einer Rechnung zunehmend nur noch rot.

Die globale Perspektive hierzu liest sich noch verheerender:

Nun wütet eine besonders aggressive Variante des Vogelgrippe-Virusstammes H5N1 seit Ende 2021 in Europa, Asien und Afrika. Zum Jahreswechsel wurde sie in Kanada und den USA nachgewiesen – sowohl bei Wildvögeln als auch bei Nutzgeflügel. Das Besonders an der Situation: Die Grippe zieht nicht mehr wie früher üblich mit den Wasservögeln um die Welt, sondern ist in Europa seit zwei Jahren präsent. Und das Virus ist hochgefährlich. Es kostete bislang weltweit zahllose Wildvögel das Leben und gilt inzwischen sogar als Bedrohung für ganze Arten. Seit Oktober wurden mehr als 77 Millionen Vögel weltweit gekeult, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, und weitere 400.000 Wildvögel sind bei 2.600 Ausbrüchen gestorben – doppelt so viele wie bei der letzten großen Welle 2016/17, berichtet „Nature News“. Technology Review: Infektionskrankheiten – Rollt eine gewaltige Grippewelle auf uns zu? (03.06.2022)

Artsprung zum Menschen

Das als akute Hintergrundfolie für ein realitätsbetrübliches, inhaltlich aber zutiefst bereicherndes Interview mit dem Soziologen Mike Davis beim Schweizer Magazin Die Republik: „Covid-19 ist erst der Anfang“. Mike Davis forscht schon seit Langem in der Zwielichtzone zwischen rein soziokultureller Anthroposphäre, in der anthropozentrisch alleinig der Mensch zählt und auf der ein übergeneralisierter Fokus der Aufmerksamkeiten gelegen hat, und der „Natur“, in die und auf die der Mensch freimütig zugreift. Worum es ihm geht, lässt sich mit folgendem Zitat fassen:

Wie wir sehen werden, besteht die Bedrohung durch die Vogel­grippe im Folgenden: Eine mutierende, albtraumhaft ansteckende Influenza ist nur wenige Genmutationen davon entfernt, mit horrendem Tempo und auf dem ganzen Globus durch eine dicht urbanisierte und grösstenteils verarmte Menschheit zu rasen. Eine Influenza, entstanden und schlummernd in ökologischen Nischen, die durch den globalen Agrar-Kapitalismus geschaffen wurden.Mike Davis in „The Monster at Our Door“ von 2005

Das Monster ist winziger als selbst ein Bakterium und gilt nicht einmal als Leben, übertrifft aber jeden Massenmörder in seinem Handwerk.

Doch wieso zielt er derart pedantisch auf die Vogelgrippe ab und erklärt sie zum „Monster“, wo es an der Qual der Auswahl an epidemischen Seuchenherden nicht mangelt? Mike Davis erklärt:

Leider gibt es viele Monster, die vor unseren Türen lauern. Unter den bedrohlichsten ist tatsächlich die Vogelgrippe: Das sind Influenza-A-Viren, die in Wildvögeln hausen, welche Haustiere anstecken. Dort können sie sich zu Hybridviren verbinden und auf Menschen überspringen. Diese Bedrohung ist nicht kleiner geworden. Mike Davis im Die Republik-Interview

Und genauer zum Spillover, dem Schanierbereich, wo und wann es zum Artensprung letztlich bis zum Menschen kommen kann:

Wilde Vögel sind das natürliche Reservoir für Influenza­viren. Die Viren sind für diese Vögel nicht gefährlich – genau so, wie das Coronavirus für die Fledermäuse auch nicht gefährlich ist. Die Viren leben in den Därmen dieser Vögel sowie im Wasser der kanadischen und sibirischen Seen, zu denen sie jeden Sommer zurückkehren. Nun migrieren die Wildvögel. Auch nach Südost­asien, wo eines der genialsten landwirtschaftlichen Systeme der Welt erfunden wurde, ein sehr produktives System: Man pflanzt am selben Ort Reis, wo man auch Hühner oder Enten sowie Schweine aufzieht. Die Enten oder Hühner picken Insekten und Unkraut aus den Feldern, und die Wildvögel gesellen sich dort zu ihnen – und übertragen ihre Viren auf die Hausvögel. Und diese stecken dann die Schweine an. Mike Davis ebenda

Und noch dieses Zitat, wie der kleine Schritt für ein Virus zum zu großen Schritt für die Menschheit wird:

Schweine haben sehr ähnliche Immun­systeme wie Menschen. Ein Schwein kann sich sowohl bei einem Menschen als auch bei einer Ente mit Influenza anstecken. Diese verschiedenen Influenzaviren können nicht nur punktuell mutieren, sondern gleich ganze Stücke ihres genetischen Materials miteinander austauschen innerhalb des Schweins. Am Ende haben Sie also einen Hybriden mit menschlichen Virenstämmen sowie mit Stämmen von wilden Vögeln, die für den Menschen tödlich sind. Und diese Hybride können von den Schweinen auf den Menschen überspringen. So entstand die Spanische Grippe 1918. Mike Davis ebenda

Aktuell perspektiviert obiger Technology Review-Artikel hierzu:

Eine beispiellos hohe Zahl an infizierten und toten Vögeln bedeutet ein deutlich größeres Risiko, dass sich infizierte Vögel und Menschen so nahe kommen, dass das Virus auf den Menschen überspringen kann. Dort wo Zugvögel ihre Sammelgebiete haben – beispielsweise in Ägypten – ist die Vogelgrippe seit Jahrzehnten eine reale Bedrohung für die Bevölkerung. In Asien, wo Mensch und Tier traditionell eng zusammen leben, gibt es immer wieder Virusübergänge. Seit 2003 wurden insgesamt über 800 Infektionen von Menschen mit H5N1 bestätigt. Technology Review: Infektionskrankheiten – Rollt eine gewaltige Grippewelle auf uns zu?

Im dringend lesenswerten Republik-Interview geht es dann en detail darum, wie und wieso speziell die industrielle Viehhaltung, Massenviehhaltung – um es zu betonen, Durchlauferhitzer, Brutstätte und Treiber für das virale Ungemach par excellence ist. Davis‘ Beschreibungen wären, wäre ich nicht vorinformiert, erschütternd und umwerfend, so sind sie nur zu leider bekannt und deprimierend wie resignativ. Er sagt eindrücklich zu dem System des agro-industriellen Komplexes, das wir perpetomobilisieren:

Die Massentierhaltung ist eine Teilchenbeschleunigerin. Mehr Körper auf weniger Raum bedeuten mehr Chancen für die Entstehung von Mutationen oder Hybridviren und für ihre Verbreitung, egal bei welchem Virus. Jetzt versuchen wir gerade, dieses Coronavirus in den Griff zu bekommen. Das heisst aber nicht, dass die anderen Monster nicht weiter vor unseren Türen lauern. Die bedrohlichsten sind, wie gesagt: die Vogelgrippe­viren. Wir wissen heute, dass wir wohl nur eine einzige Mutation davon entfernt sind, dass einer der tödlichsten Stämme der Vogelgrippe pandemisch wird.Mike Davis im Die Republik-Interview

Das brodelt aber nicht nur durch Vogelzugverkehr verteilte Influenzaviren in asiatischen Reisfeldern, sondern genauso ungut bei uns inmitten gehegter und gepflegter massentiergehaltener Kulturlandschaft:

Auch in Europa droht die Gefahr neuer Viren aus dem Tierreich – unter anderem durch die Schweinehaltung. Bei Stichproben aus 2.500 Schweineställen in Europa haben Forscher neue Varianten von Influenza-Viren nachgewiesen, von denen einige erste Anpassungen an einen Artsprung zum Menschen besitzen. Die Forscher bescheinigen einigen dieser Viren bereits ein präpandemisches Potenzial. Nadja Prodbregar 2020 bei scinexx.de Schweine-Viren mit Pandemie-Potenzial – auch bei uns

In Massenställen scheinen die Tiere den Menschen zwar entrückt im Gegensatz zu den bäuerlich begehbaren Reisfelder-Kulturen, doch schwelt gerade in dieser fleischeslüsternen Monokultur Stall ein Ausbruchspotenzial. Und gerade wenn Schweine immunsystembedingt so gefährliche ‚Mittler zwischen den Welten‘ Vogel / Mensch sind, ist es umso fragwürdiger, sie en masse zusammenzupferchen. Nicht, dass wir das Echtzeitexperiment nicht auch in Putenställen akribisch durchführen würden. Was bei all diesen Stalllaboren, die wir uns leisten, nicht aus dem Kurzzeitgedächtnis fallen darf: die einleitend skizzierte Vogelgrippe, wie sie entlang der Nordseeküste wie ein Sturm durch die Wildvogelpopulationen braust, ist kein singuläres Ereignis. Nein, aufmerksame Geister erinnern sich, dass wir bereits voriges Jahr, 2021 sich weltweit verbreitende Vogelgrippe beklagen mussten. Daher die – noch umstrittene – Vermutung, dass wir von einer inzwischen endemisch gewordenen Vogelgrippe sprechen dürften, die gekommen ist, um zu bleiben. Das hieße, die durch vielerlei gestressten Populationen müssten demnach dauerhaft statt nur saisonal auch noch die viralen Auswirkungen durchstehen. Zwar zu hoffen, dass sich die Vogelgrippe infolge dessen abschwächt, dafür wäre zuvor jedoch die Frage zu klären: Warum zum Teufel ist sie zurzeit derart massenmörderisch? Obig zitierte Aussage von Mike Davis, das Vogelgrippe-Virus sei an seine Zugvogelwirte so gut angepasst, dass es ihnen gar keine Probleme bereite, WAR ja durchaus zutreffend uns Status quo – bisher. Annahme, der nachzugehen wird, ob es eine signifikante Mutation und folgerichtige Selektion bei H5N1 gegeben hat, die sich jetzt brachial austobt.

Perfekt formuliert, dass es einem den Atem verschlagen sollte: „Viren, das ist Evolution auf Steroiden.“ (Mike Davis) Highspeed-Evolution, wie wir nach nunmehr zweieinhalb Jahren Corona und 6 Haupttypen (Wildtyp, Alpha, Beta, Gamma, Delta, Omikron) und je zig Untertypen (bei Omikron allein BA-1 bis BA-5 – BISHER) mitbekommen haben sollten. Hauptschuldig das Spike-Protein, womit SARS-CoV-2 wie die Wilde 13 den lahmen Kahn Mensch bzw. dessen Zellen entert und kapert. Bei Spektrum schreibt Lars Fischer über eine Studie in Science Advances: „Socioecological vulnerability and the risk of zoonotic disease emergence in Brazil“, welche Faktoren zu einer Epidemie kulminieren könnten: abgelegene Ortschaften ohne eigene medizinale Infrastruktur, durch deren Mangel Erkrankte weite Wege bis in die nächste Stadt auf sich nehmen müssen, wo sich daher die Menschen nur so enggedrängt nahekommen. Liegen diese abgelegenen Orte zusätzlich noch in zunehmend entwaldeten Gebieten, biodiversitär verarmt, schnellen die Risikofaktoren in die Höhe. Niemand hat die Absicht, hierbei allen voran an den Amazonas-Regenwald zu denken, der gemäß auf rot springender Indikatoren dem ökologischen Kollaps immer näher rückt. Der Verlust von Bäumen lässt, wäre sonst alles prinzipiell im Lot, die Nahrungsnetzeeinbrechen, was weltweit anzuschwellen droht, da dreiundachtzig Prozent der Baumarten gestresst unter Druck stehen!

Man muss zu den landwirtschaftlichen Umgebungen dieser Welt, wie sie Mike Davis hervorhebt, auch hierfür unverdächtige Orte einbeziehen, die weit jenseits agrarisch erschlossener Räume liegen (können). Größter Anlass für epidemisch gefährliches Verhalten sei Armut, die lokale Bevölkerung dazu verleitet, alles zu essen, was essbar ist, um zu überleben. Hierzu zählt dann auch sogenanntes „Bushmeat“, also das Fleisch von wilden (Busch)Tieren aller Arten, insbesondere aber von Nagern – Reservoir-Wirte der ‚Affenpocken‘ – oder Primaten. Das Sprengstoffgemisch ist in einer Studie 2021 bereits näher bestimmt worden: China,

[a]ber auch Regionen in Indochina, Thailand und anderen Ländern bieten den „perfekten Cocktail“ für die nächste, potenziell globale Infektionskrankheit. Dieser besteht aus den Zutaten: Abholzung und Zerstörung natürlicher Lebensräume von Wildtieren, Ausbreitung landwirtschaftlicher Flächen, wachsender Bestand von Nutz- und Haustieren, Nähe dieser Nutztiere zu Wildtieren, Bevölkerungsdichte und last but not least das Vorhandensein von bestimmten Fledermäusen – die Hufeisennasen gelten als natürliche Reservoire von SARS-Coronavirus-ähnlichen Viren – sowie die Beschneidung ihres Lebensraums.Science.ORF.at: Die Hotspots der nächsten Pandemie

60 bis 75 Prozent aller neu auftretenden Infektionskrankheiten werden von Erregern ausgelöst, die von einem Tier auf uns Menschen übergesprungen sind. Auch das neue Coronavirus Sars-CoV-2 entwickelte sich ursprünglich in Fledermäusen und erwarb dabei Eigenschaften, die ihm den Befall menschlicher Zellen und damit den Artsprung ermöglichten. Viele dieser Zoonosen entstehen dort, wo Mensch und Tier in engem Kontakt beieinander leben, beispielsweise in der Nutztierhaltung. So sind beispielsweise Schweine oder Geflügel häufige Reservoire für potenziell zoonotische Influenzaviren. Gefährlich kann es aber auch dort werden, wo der Mensch in zuvor unberührte Gebiete eindringt oder den Lebensraum von wilden Tieren zerstört. Denn dies schafft dann plötzlich neue Kontakte zwischen Mensch und Wildtier, die auch dessen Parasiten und Erregern die Chance zum Überspringen bieten. Wissenschaft.de: Zoonosen: Gefahr Tier präzisiert

Damit ist im Kern und dem Prinzip nach ausreichend geklärt, warum Zoonosen zunehmen. Über Bande wirkt dann auch ANTHROPOGENER Klimawandel noch mit, der die Zahl der Artsprünge drastisch erhöhen wird, weil hitzebedingt die lokal Biodiversität einbricht, überlebende Arten aus- und ergo anderswo einwandern müssen. Das läuft dann jedes Mal aufs Neue auf nicht länger mehr nur kolumbische, sondern allgemein menschliche, allzu menschliche Austauschprozesse hinaus, wo Mal für Mal ein invasionsbiologisches Exempel statuiert wird.

Pandemisches Panoptikum

Und was heißt das summa summarum? Haben die rezitierten Schlaglichter nicht widersprüchliche Hotspots benannt, auf je ganz andere Aspekte Augenmerk gelegt? Ja, was es meines Erachtens gerade so erschreckend sein lässt. Fokussiert Mike Davis asiatische Agrarräume, weil dort die Dominosteine vom Wild- über Hausvogel, über weitere Haustiere zum Menschen umkippen können, sind genauso relevante Gefährdungsräume im vermeintlich abgelegenen Gegenden zu beachten. Gerade amtierende „Affenpocken“-Nochnichtpandemie steht dafür Pate: Abgetan, sie sei ja bloß in wenigen afrikanischen Ländern endemisch und käme mutationsträge erwartungsgemäß eh nicht aus ihrer angepassten Nische raus, ist sie innerhalb weniger Monate verbreiteter denn je (nach absoluten Zahlen des Hellfeldes wie der apodemisch besuchten Länder). Ein Grund, dass Variola, so der Fachausdruck, so sehr um sich greift, ist, dass es entgegen der Expertenmeinung zu plötzlich doch 50 Mutationen gekommen ist, die auf Selektion auf den Menschen hindeuten. Waren zuvor afrikanische Nager bevorzugtes Reservoir, schon Affen nur Ausweichquartiere, hat Variola nun ein unschönes Interesse für diese Art Homo sapiens entwickelt. Dass ist – wie zuvor schon Corona – ein Armutszeugnis für den reichen Norden, spätestens wenn man diesen Artikel von Sonia Shah in Übersetzung bei Spektrum aus dem Jahr 2014 nachliest: „Die Rückkehr der Pocken – Die eigentlichen Pockenviren mögen ausgerottet sein – doch in Form ihrer nahen Verwandten wie der Affen- und Kuhpocken könnten sie uns demnächst wieder gefährlich werden.“ Dieser Dschinn wurde gerufen und ist aus seiner Flasche entwichen – Respekt und alle Achtung Homo sapiens, mal wieder phänomenal beeindruckend, wie vorausschauend weitsichtig du doch wissend und bewusst zu handeln weißt!

Was mich empört und ankotzt, ist, wie arrogant man die afrikanischen Endemiegebiete sich überlassen hat. Gerade wenn sich die ‚Affenpocken‘ bisher größtenteils netterweise nur dort aufzuhalten beliebten, hätten Philanthropen sich doch befleißigen können, mithilfe der altgedienten Menschenpocken-Impfstoffe eben auch gegen die Tierpocken über Kreuz zu immunisieren. Ja, das ist nämlich möglich, war damals bei tobenden Menschenpocken bloß ein als irrelevant missachteter Nebeneffekt. Welch Absatzmärkte für die Pharmakonzerne – Win-Win-Verhältnisse allerorten. Stille… Dankenswerterweise hat Lars Fischer genau das auch in seinem Blog angesprochen. Die jetzige Nochnichtpandemie wäre vermeidbar gewesen, würde man nicht nur beim Zahnarzt Prophylaxe betreiben.

Trotz allem sind die Tierpocken vorerst noch das geringste unter den Infektionsproblemen: Corona bleibt nicht vorbei, Omikron BA-5 geht wieder exponentiell, was für den Herbst nichts Gutes verheißt. Denn in beiden Vorjahren sind wir wenigstens mit (sehr) niedrigen Fallzahlen in den Herbst gegangen, jetzt dürften die Nachwirkungen von BA-5 bis dahin spürbar sein und ein angeschlagenes „immunologisches Profil“ in der Bevölkerung hinterlassen. Ob angepasster Impfstoff bis dahin mengenmäßig zur Verfügung steht UND angenommen wird, bleibt abzuwarten.

Und Influenza? Die Zugvögel leiden momentan am Meisten daran, erhöhen vielzitiert aber das Spillover-Potenzial enorm. Zunehmend antibiotikaresistente Schnitzel in spe wären nur zu empfänglich für vogelzügige Infektionen – nicht zuletzt mischen selbstredend auch die geliebten Haustiere von Hund bis Katze mit, über deren Rolle im Ganzen Achim Gruber in der WDR5-Redezeit (abrufbar bis 02.06.2023) berichtet. Derweil holzt und brennt Homo suizidalis Rückzuggebiet um Rückzuggebiet für gestresste und belastete Tiere ab und drängt sie förmlich in die Arme der meist selber entwurzelten, daher stressbedingt immungeschwächten Menschen. Das Spike-Protein oder entsprechende Äquivalente bei den wütigen Viren sind ergo mitnichten die biologistischen Hauptschuldigen – der ökozidalen Dummheit angeklagt bleibt alleinig der Mensch! Und so weiter! Und so fort! Ein weiteres Jahrhundert der Pandemien, wie es scheint – man lese Mark Honigsbaum!

EDIT vom 06.07.2022: ROFL LOL Mir allen Ernstes erst jetzt posthum aufgefallen, was mir die Rechtschreibprüfung da verschlimmbessert hat. Lustig allerdings: aus „Bushmeat“, dem Fleisch von ‚Busch-/Wildtieren‘, ist „Bosheit“ gemacht worden 😀 Halten wir fest: eine künstliche INTELLIGENZ ist noch sehr weit, weit entfernt;-) Gut, meine lektürische Intelligenz auch, so einen Verwirrer darf man eigentlich keinmal überlesen 😀

Smoke in the lungs

Hallo Mitwelt!

Apropos Weltnichtrauchertag vom 31.05. – daran schließt nur zu hörenswert das WDR-ZeitZeichen vom 27.06.2022 an. An dem Tag vor 65 Jahren: 27. Juni 1957 – Kampagne in Großbritannien warnt vor Lungenkrebs durch Rauchen. Die erste Kampagne ihrer Art, nachdem zuvor das kolumbische Erbe Tabak über Jahrhunderte hinweg als Heilkraut in zahllosen Aufbereitungen in Europas High Society die Runde gemacht hatte.

Schuldlos schuldig hieran sind die Indigenen, deren Rache für Eroberung, Ermordung und Infektionskrankheiten die Nikotinabhängigkeit und Lungenkrebs geworden sind, die sich die Europäer nach Hause geholt haben. In der alten Welt als „Genuss der Götter“ gepriesen und verklärt, gerieten im Nebel behaupteter Heilkräfte die geschnupften und sonstwie inhalierten Risiken und Nebenwirkungen gar nicht in den Fokus oder die angelegentlichen Spötteleien wurden gekonnt ignoriert. Schon im Popol Vuh, dem „Heiligen Buch des Rates der Quiché-Maya im heutigen Guatemala aus dem 16. Jhdt. heißt es: „Das Rauchen ist die ewige Freude der Götter, die, wenn es blitzt, Feuer schlagen, sich ihre Tabagos anzünden und Wolken in alle vier Winde blasen.“ Und wer wäre nicht göttlicher als die Götter, wenn nicht die Europäer? Was Götter können, können Europäer immerschon!

Kolumbus brachte den Tabak nach Europa. Hier wurde er in Apotheken als Arzneimittel gehandelt. Das nikotinhaltige Kraut sollte helfen gegen Kopf- und Zahnschmerzen, Schwind- und Wassersucht, Geschwüre, Krätze, Pest und Ruhr. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Tabak in Form von schnell konsumierbaren Zigaretten zum Massenprodukt. Weil die Glimmstängel Hunger und Gefühle unterdrücken, wurden sie im Ersten Weltkrieg kostenlos an die Soldaten in den Schützengräben geliefert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde schließlich in Europa mehr geraucht denn je.„Klappentext“ zum ZeitZeichen

In eigentlich doch nur 14 Minuten Hörzeit wird anhörlich eine kurze Geschichte der Nikotinsucht komponiert: in allen erdenklichen Aufbereitungsformen und der schönen Blüten wegen machte die Importpflanze in Europas Adel die Runde und brachte wie sonst nur „der eine Ring“ seine Gebrauchswarennutzer in lebenslange Abhängigkeit. Das blieb gut 300 Jahre weitgehend auf diese ehrenwerten kreise beschränkt, bis gegen Ende des 19., noch mehr zu Beginn des 20. Jhdt. die Darreichungsform sich verglimmstängelte und in seiner Griffigkeit unwiderstehlich wurde. Rauchen wurde zur massenhaften Beschäftigung, die sogar in die sonst so gestrenge Taktung des Fordismus, der fabrikmäßigen Fließbandarbeit, als Raucherpause Einzug hielt. Gegen manches ist kein Kraut gewachsen…

Erschütternd, weil mit ihm möchte man partout nicht gleichstehen, dass Adolf Hitler energetischer Widerstreiter gegen das Rauchen war. Doch das wirklich Allereinzigste, das man „dem Führer“ hätte glauben sollen und dem man bereitwilligst hätte Folge leisten sollen, blieb ein bloßes appellatives Rauchwölkchen, das vom Winde verweht wurde. Das Statistische Reichsamt stelte nämlich desillusioniert fest, dass sich von 1907 bis 1940 das Verglimmstängeln verfünffacht habe – bloßes Vorspiel, bloße Fingerübung für das, was da noch massenhafter folgen sollte. Bei allem sonst verdrängungsvermögend weggeguckt, bereitwillig ignoriert und einfältig gutgläubig alles hingenommen, aber selbst vom Führer ließ sich der Deutsche nicht die Zigarette aus dem Munde nehmen. Wer viel verdrängt, muss kompensieren – vielleicht sollte man den Siegeszug des Rauchens nach dem Zweiten Weltkrieg als unausgesprochenes Eingeständnis der Deutschen lesen, als Selbstgeißelung zur Strafe der vorigen zwölf Jahre der Verirrung. Eine erneute Rache für verbrochenes Leid in der Welt.

Und dann in einem Britannien weit vor BoJo kam es dann zur ersten Aufklärung über zuvor sukzessive eben doch wahrgenommener Nebenwirkungen und Langzeitfolgen des Tabakkonsums. Leider nicht erwähnt im Beitrag wird Robert N. Proctor, dessen fundamentale medizinhistorische Studie weiter auf Übersetzung wartet. Dafür ist Experte der Sendung Thomas Richter am Start und kann selber als Medizinhistoriker und Apotheker kundig aufwarten. Denn diese Skurrilität gab es einst auch, dass dieses Wundermittel aus der neuen Welt in Apotheken aufbereitet und verkauft worden war. Heutzutage gibt es zwecks Entwöhnung bevorzugt noch Nikotinkaugummis, die zwar der Lunge guttun, aber trotzdem abhängig halten. Ob Nikotin oder Nikotin, Hauptsache abhängig. Zugegeben, es vermag die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und neuronal wohlwollende Gefühle auszulösen, an die man sich nur zu gerne gewöhnt. Es gibt also sehr wohl Effekte jenseits stumpfer Rationalisierungen, deretwegen überhaupt irgendwer zum Glimmstängel greift und dabei bleibt. Gut es dennoch nicht ist.

Kemet – das Schwarze Land der Klimaflüchtlinge

Hallo Mitwelt!

Heute erneut ein Medientipp, den ihr alle auch schon bezahlt habt für das meines Erachtens beste Abo, für das man zahlen kann: GEZ für die Öffentlich-Rechtlichen. Bisweilen erbost sich eine versammelte Trollheit zwar ingrimmig, wittert Inhaltslosigkeit und staatsgelenkte Desinformation, um sich dann wahrscheinlich werbeüberschütteten Konsumsendern zuzuwenden. Das Fass will ich hier und jetzt gar nicht weiter öffnen – das Rinnsal genügt manchen vermutlich auch schon. Wer freilich die luftigen Talkshows und ähnliche Formate als Teil von ARD, ZDF und Dritten mit dem Ganzen verwechselt, ist offenkundig einer Täuschung erlegen. Aber Reality TV-Formate (Joan Bleicher in der WDR5-Redezeit, abrufbar bis 27.05.2023) lohnen sich da ganz sicher total viel mehr, ganz bestimmt. Absolut bereichernd und gar keine Lebenszeitverschwendung.

Ich wüsste gar nicht, wie ich geendet wäre, hätte ich nicht hier nicht aufzählbar viele und vielfältigste Formate der ÖR vor allem zum Anhören stets an meiner Seite gehabt. Allein meine Feed-Liste von WDR5, WDR2, WDR3, SWR2 und dem Deutschlandfunk (Kultur sowie Nova) ist … lang. Komme da schon kaum beim Hören hinterher … Konsequenterweise erschloss ich mir vor nicht allzu langer Zeit daher auch wieder das TV, das jedoch nicht linear, sondern in der Mediathek. Lang plus mehr =? JA ABER, da gibbets das Zeug doch auch bloß i.a.R. für 7 Tage und entschwindet dann doch auch ins Nirvana. Diese und jene Sendung, ja. Aber wenn man wiederum auf Mediathekviewweb.de zurückgreift, kann man mittels Suchbegriff z.T. noch mehrjährige Schätze aus dem letzten Jahrzehnt aufstöbern. Weiß nicht, wie und wonach da bisweilen bis zu 6 Jahre eine Doku abrufbar bleiben kann und darf, manche tatsächlich hingegen gerade einmal 7 Tage drin sind. ÖR-Magie, die wahrlich suspekt ist.

Eigentlich läuft es dieses Mal ganz harmlos auf einen Doku-Tipp hinaus, ausgestrahlt bei ZDFinfo, allein dieser Sender die GEZ wert ist. Außer man hasst natürlich Dokus, dann wüsste man damit nichts anzufangen. So taucht mit mir ein ins faszinierende Schwarze Land!

ZDFinfo-Doku-Reihe „Ägypten: Welt der Pharaonen“

  1. Ägypten – Welt der Pharaonen: Lebensader Nil: „Der Nil – die Lebensader Ägyptens. Er verwandelt trockene Böden in fruchtbares Ackerland. Aus seinem Schlamm entstehen Häuser und Siedlungen. Ohne ihn wäre Ägypten wohl nichts als Wüste.“
  2. Ägypten – Welt der Pharaonen: Götter & Könige: „Götter und Könige beherrschen das alte Ägypten. Sie sind allgegenwärtig, führen das Land zu ungeahnter Größe und in tiefe Krisen – und hinterlassen ein Erbe, das bis in unsere Zeit reicht.“
  3. Ägypten – Welt der Pharaonen: Metropolen : „In Ägypten entstehen einige der ältesten und größten Städte der Menschheit. Eine urbane Revolution – lange übersehen, denn die meisten Siedlungsspuren sind heute nahezu verschwunden.“
  4. Ägypten – Welt der Pharaonen: Totenkult
    : „Der Totenkult ist von enormer Bedeutung für die alten Ägypter. Die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod inspiriert sie zu herausragenden Leistungen. Und gibt noch heute Einblick in ihre Welt.“
  5. Ägypten – Welt der Pharaonen: Pyramiden
    : „Pyramiden sind die Ikonen des alten Ägypten. Mit ihren riesigen Gräbern haben Ägypter Monumente für die Ewigkeit geschaffen – und sind dadurch am Ende tatsächlich unsterblich geworden.“

  6. Ägypten – Welt der Pharaonen: Frauen & Macht: „Kleopatra, Nofretete und Hatschepsut – die Geschichte des alten Ägypten ist auch eine Geschichte der Frauen. Bereits vor 4500 Jahren regiert die erste Frau alleine über das Reich am Nil.“
  7. Ägypten – Welt der Pharaonen: Kriege
    : „In seiner langen Geschichte führt Ägypten viele Kriege. Teils, um neue Länder zu erobern, teils, um Angriffe von außen abzuwehren. Oberster Kriegsherr und Garant für den Sieg ist der Pharao.“

Alles nicht nur im Stream, sondern auch als MP4-Download via mediathekviewweb.de! Anempfehle der Datensparsamkeit wegen das niedrige Format auszuwählen, auch das je Folge rund 200MB ausmacht, dafür auch für zukünftiges Nochmalschauen abgespeichert werden kann.

Besonderer Tipp

Jede Folge ist 44m lang, womit diese Sendereihe sich noch am linearen TV orientiert. Kann daran aber nichts Negatives finden, jeder Beitrag nutzt die Zeit sehr gut aus und ist randvoll mit Geschichte angefüllt. Die Reihenfolge bleibt allen selbst überlassen, ich empfehle aber schon die oben gelinkte. Vor allem aber kann ich nur anraten, mit der „Lebensader Nil“ zu beginnen. Faszinierend!

Kemet, wie Ägypten im Altägyptischen geheißen hat, bedeutet so viel wie „Schwarzes Land“. Schwarz ist das Land geworden, wenn sich der aus dem vulkanischen Äthiopien kommende Nilschlamm während der Nilschwemme im Niltal und Nildelta ablagerte. Die Vergangenheitsform hier bewusst gewählt, denn im Ägypten des 19. Jahrhunderts ist er im Ausmaß und seiner Bedeutung zurückgedrängt worden, als man auf ganzjährige Landwirtschaft – nach Vorbild der kolonial nach Afrika drängenden Imperien – umstellte. Das Alte Ägypten war eine sog. hydraulische Gesellschaft, deren Wohl und Weh vom Wasser des Nils abhing, die quasi flussabhängig war – mit allen jahreszeitlichen Vor- und Nachteilen inklusive Überflutungen über gewohnte Flutungsareale hinaus. Heutzutage und hierzulande trifft das noch am ehesten auf die Niederlande zu, die schon seit dem 12. Jahrhundert durch Wasserbehörden Zu- und Abfluss vom Rhein sowie Anbrandung der Nordsee reguliert haben. Ein Viertel des Landes liegt unter dem Meeresspiegel und ist in Zeiten klimakriselnder Pegel zunehmend existenzbedroht.

Aber zurück nach Kemet: die Folge „Lebensader Nil“ holt zunächst überraschend zeiträumlich weit aus und statt des Nilwassers geht es ins „Meer ohne Wasser“, in die Sahara. Die heutige Sahara wird tagsüber bis zu 60°C glutheiß und je nach genauer Region hat es dort auch schon mehrere Jahre kein einziges Mal geregnet. Wir assoziieren wohl kaum lebenserschwertere Bedingungen mit einer Gegend. Und doch war einst alles anders: als die Eiszeit endete, die Gletschermassen sich zurückzogen, es im Zuge dieser Massenveränderungen zu einer Abänderung der Erdachse kam, gelangte regenreicher Monsun bis in die Sahara. Diese war von vor etwa 12.000 bis etwa 5.000 vor unserer Zeit daher gar keine Wüste, sondern vielmehr eine begrünte Savanne, vielfach baumbestanden und belebt. Doch im Zuge eines Klimawandels änderten sich auch diese Umstände und die Gegend verwüstete und wurde sukzessive zu dem, was wir unter Sahara kennen.

Klimaflüchtlinge begründen Kemet

Die Nomaden der grünen Sahara zogen sich nach und nach in verbleibende Oasen zurück und mussten schließlich auch aus diesen fliehen, als sie gnadenlos versandeten. Ihr Weg führte sie ins Paradies: an einen prächtig nassfeuchten, sprudelnden Fluss voller Wasser. Das Wasser ist nass, nass ist das Wasser. in Unterägypten, dem südlichen Bereich, ließen sich die Flüchtlinge nieder und begründeten das, was viel später als prädynastische Zeit bezeichnet werden sollte, dem Präludium zum dynastischen Ägypten von Pharao um Pharao in einer kühlen Gesellschaft. „Die kalten Gesellschaften verändern sich in sehr langen Zeiträumen und passen entsprechend laufend den Inhalt ihres kulturellen Gedächtnisses an. Allerdings merken sie das nicht, solange keine schnellen und gravierenden Veränderungen durch äußere Einflüsse auftreten. Weil sie ihr Wissen für ewig gültig halten und geschichtliche Inhalte in zeitlose Mythen umwandeln, fehlt ihnen die Möglichkeit des Vergleichs zwischen vorher und nachher.“ (zit. n. Wiki)

Ich finde den Gedanken äußerst eindrücklich und faszinierend, dass die ersten Ankömmlinge in Kemet, die am lebensquellenden Nil ansässig wurden und einer Jahrtausende überdauernde Hochkultur den fruchtbaren Schwarzboden bereiteten, keine vom Himmel hinabgestiegenen Götter, keine Übermenschen sonst irgendeiner Art waren, sondern zutiefst entwurzelte Klimaflüchtlinge, die zwangsweise und notgedrungen ihre verwüstete Heimat verlassen und zu neuen Gestaden aufbrechen mussten! Auch sie wurden zu „Ansässigen Fremden“ in einem „planetaren Exil“, in das wir alle jederzeit hineingeraten können! Die Sahara-Nomaden hatten keine Wahl und nutzten diese, um ein zivilisatorisches Zentrum par excellence zu begründen, deren kulturelle Hervorbringungen bis heute fesseln. Und die Doku-Reihe fängt diese spannenden Aspekte vortrefflich ein, lässt Expert*innen aus Ägyptologie und Archäologie kenntnisreich beitragen und bereitet die altägyptische Geschichte anregend auf. So begreift man diesen Teil der Weltgeschichte der Flüsse, die die Menschheit so tiefgreifend und nachhaltig beeinflussten.

maa alslama!

ATLANTIS 06 In der Methanhölle

Hallo Mitwelt!

Erneut eine Heftbesprechung, die leider erst weit nach Erscheinen des Folgebandes publik wird. Nr. 06 von ATLANTIS steht hier an, Nr. 07 ist derweil bereits zu lesen gewesen. Aber Gräserjäger pollend mich jagten… Dabei wusste „In der Methanhölle“ mehrfach zu gefallen und damit Vergnügen zu bereiten, dass im Blog manch lang und breit erörterte Perspektive zu Hintergründen und Handlungsverlauf sich A) konkretisierte und B) ich sogar mal Zeichen richtig deutete. Zugegeben, zum Teil kontingenzkaskadierte ich auch mit den Spekulationen und erwog allerlei, wovon sich jetzt aber eines der Szenarien pfadabhängig bahnbricht. Sense of Wonder – ATLANTIS (resp. ihr Expokrat) greift also doch in die höchste perryversal mögliche Schublade für einen Handlungsrahmen…

Zur Handlung

Dietmar Schmidt mit ATLANTIS 06: „In der Methanhölle – Wettlauf um das Talagon – wer bekommt die ultimative Waffe?“

Dietmar Schmidt verfasste »In der Methanhölle«, und mir hat die Darstellung einer schönen Giftgaswelt mit all ihren spannenden Episoden sehr gut gefallen. Das war mal ein Blick auf die Maahks und ihr Leben, den man so bislang nicht kannte.KNF zu „In der Methanhölle“ auf seinem Blog

Doch auch eine Welt voller Gefahr kann ihre Schönheit zeigen. Das beweist der sechste Band der Reihe, den Dietmar Schmidt verfasst hat. »In der Methanhölle« – so der Titel des Romans – erzählt von Perry Rhodan und seinen Begleiterinnen. Die ungewöhnliche Gruppe ist auf einem Planeten unterwegs, der für Menschen absolut lebensfeindlich ist.
Dabei stellt Rhodan immer wieder fest, dass bei dieser unfreiwilligen Reise in die Vergangenheit offensichtlich nichts so ist, wie es anfangs ausgesehen hat.Dietmar Schmidt schrieb »In der Methanhölle« – Band sechs der Miniserie PERRY RHODAN-Atlantis zeigt phantastische Schönheit“

Ich dachte in etwa: Hm, das ist aber eine Menge. In dem Roman gibt es drei Perspektiven: Perry Rhodan, Atlan und Quartam da Quertamagin, einen arkonidischen Wissenschaftler, der in völliger Finsternis aufwacht und keine Ahnung hat, was los ist. Rhodan wiederum ist mit seinen Begleiterinnen auf der Flucht vor Atlan und den wenigen arkonidischen Soldaten auf dem Planeten Galkorrax. Alle legen in dem Roman weite Wege zurück, erleiden Rückschläge und haben letzten Endes jeder für sich Erfolg – nur um dann vor etwas ganz Unerwartetem zu stehen.Dietmar Schmidts „erste Gedanken“, als er das Expo gelesen hat – laut PROC-Interview

Larsaf III.: Quartam lebt doch noch! Er erwacht im Dunkeln an Bord eines, wie er nach und nach erkundet, abgestürzten Arkonraumers. Niemand hat überlebt, alle sind mumienhaft wie nach einer Beuleninfektion gestorben. Quartam orientiert sich, nutzt sein breites Wissen und kann so schrittweise rekonstruieren, wo er ist – in einer atlantischen Wüste, und wieso es zum Absturz kam – „etwas“ tauchte in der Zentrale auf, woraufhin der Tod um sich griff. Als er mangels Funkkontakt, aber mit den gesicherten Daten gen Arkonis aufbrechen will, tauchen wie ‚grauen Zwerge‘ auf, die ihn vermeintlich umgebracht und den Transmitter zerstört hatten. Zeitweise entgeht er ihnen, bis deren Anführer ihm klarmacht, dass er mit Absicht ‚ausgesetzt‘ worden sei. Der Zwerg babbelt für Quartam unverständliche Namen und Begriffe wie Temporales Superpositionstor, ARCHETIM und Weiteres, das selbst Quartam nicht einzuordnen weiß. Man lässt ihn ziehen. Doch auf dem Weg gen Arkonis sieht er wahre Flüchtlingstracks von Atlanter*innen und später dann die Silberne Stadt, Arkonis – in Rauch und Flammen!

Galkorrax: Team Rhodan entfliehen unter Rowenas Führung in die Methanhölle dieser Welt, entgehen einer Maahk-Patrouille, um dann doch – wie von Rowena hintertrieben – unter Maahks zu geraten. Doch nicht als Gefangene, sondern als Kooperationspartner auf Zeit. Nur hier kann man mit xenomedizinaler Fürsorglichkeit Caysey widmen, die just jetzt ihre Wehen bekommt und mit Hilfe der Maahk-Ärztin über die akute Bedrohung hinwegkommt, allerdings auch in Tiefschlaf gelegt werden muss. Doch kaum ist der Geburtsfluch auf Zeit ausgesetzt, geht die Flucht weiter zur BEST HOPE, von wo aus und mit der man wieder weiter agieren will.

Verfolgt wird Team Rhodan jedoch von Team Atlan, das jedoch aus sehr unausgebildeten, heißblütigen und dünkelnden Jungarkoniden besteht. Mehrfach muss Atlan, zunehmend zähneknirschend, überreagierenden Soldaten die Grenzen aufzeigen und angesichts deren Verhalten Partei für die zivilen Maahks nehmen, durch deren Wohn- und Lebensraum man mit Geektors Hilfe trampelt. Auch das Team gerät in die Methanhölle, in enorme Stürme, die Technik ausfallen lassen. Letztlich doch bis zur LT4 gekommen, belauern sich beide Gruppen, stellen einander Hinterhalte, spielen in der Zentrale ihre Trümpfe gegeneinander aus. Als dann ein Notruf von Atlantis eingeht, kurz darauf eine gewaltige Walze nahe Galkorrax erscheint, diese Maahk-Schiffe nur so aus dem All wie beiläufig bläst, ist die ultimative Bedrohung aufgetaucht: eine Kobaltblaue Walze, wie sie die maskierten Perry und Sichu blasswerdend erkennen. Per Funk wird das Talagon eingefordert…

Zum Autor

Dietmar Schmidt, seines Zeichens eine ähnlich wie Olaf Brill schon etablierte Miniserienfachkraft, die sich mit zwei STELLARIS-Kurzgeschichten ins Herz der Leserschaft geschrieben hatte. Seither hat es bereits neun miniseriale Beiträge gegeben, verteilt auf 5 Zyklen. Von Anfang an und viermal waren gleich zwei Streiche je Miniserie Standard – nur bei letztjähriger WEGA-Miniserie blieb es bei einem Heftroman aus seiner digitalen Feder. Mit Band 10 „Das Talagon“ ist ein wohl kaum weniger gewichtiger Roman für ATLANTIS bereits geteasert. Denn gewichtig, kosmischer Hauch durch eine spaltweit geöffneten Cosmic Door wehend, war „In der Methanhölle“ ganz sicher. In der Perrypedia nicht vermerkt, dass Dietmar sich auch als Lektor verdient gemacht hat bei Perry Rhodan, bevor er selbst vom Rot- zum Schreibstift wechselte und seine Schreibe dem Rotstift anderer aussetzte. Nichts auszusetzen meiner Höre nach!

Das PROC-Interview anempfohlen, wo er sehr red- aka schreibselig antwortet, eine maahkosphärische Tiefenanalyse zu Galkorrax liefert – studierter Chemiker und sich von allen Figuren begeistert zeigt:-)

Biografische Nachwehen

Zuvorig in präzisionsloser Ausführlichkeit meine Bauchschmerzen mit perryversalen Biografien und biografischen Erzählperspektiven beklagt, wirkt Rowenas Biografie noch nach. Nämlich, indem sie NICHT(!) nachwirkt! Eine der ganz leseschwierigen Nebenfolgen, die umso falltiefer aufschlägt, je biografisch egozentrierter die Erzählung war. Soll heißen: je mehr die biografische Person mit allem – Gedanken, Gefühlen, [asexuellen] Intimitäten des Lebenslaufes – im Zentrum steht, das Erzählzentrum ausfüllt, umso sollbruchverstellter ist es, wenn das folgend GAR KEINE Rolle mehr spielt!

So leider auch in diesem Roman, dem man bzw. in ihm man den handelnden Figuren nicht anmerkt, dass Perry und Rowena sich sozusagen nähergekommen sind. Zumindest sie ihm, so teilweise intim sie ihm von intimen Dingen wie ihrer Asexualität offen erzählt hat. Nichts, was man einfach so erzählt und einem – obendrein: Gefangenen – aufbindet. Erst recht, wenn das Detail zwar ihren Charakter vertieft und zugegeben manches klarer verstehen lässt. Etwas, was dennoch kein bisschen miterzählnotwendig war. Wieso erzählte sie es dennoch? Weil es ihr so wichtig war, es mal auszusprechen, es jemandem, der nicht arkonidisch standesdünkelnd eingebunden ist, zu sagen. Es sich so vielleicht auch selber – trotz Extrasinn – erst richtig deutlich zu machen und als biografierelevant einzugestehen.

Doch von alledem, diesem Vertrauensvorschuss, dem Wissen um auch solcherlei intime Biografiedetails nichts. Sie re-agieren aufeinander, als wären sie sich inhaltlich weiterhin fremd. Rowena geht kein bisschen vertrauter, wenigstens bekanntgewordener mit Perry um. Dieser wundert sich zwar zurecht über ihre Verschlossenheiten und Alleingänge, nicht aber deshalb, weil sie ihm kurz zuvor doch so entgegengekommen ist. Einmal einsame Kämpferin, für immer einsame Einzelkämpferin – das hat sich ihr wohl zutiefst eingeschrieben, ist ihr inkorporiert (in Fleisch und Blut eingegangen). Ich hätte mir da mehr bekanntheitliches Sprechen erhofft, dass Perry – gerade in Rowenas Egogängen – auf ihre Biografie anspielt, das für ihn ja kurz zuvor erst Gehörte aufgreift und auf oder gegen sie anwendet. Von wegen: eben hieß es doch noch … – jetzt aber scheinst du dem entgegenzuhandeln. Vor allem in der Szene, wo sie die Gruppe verraten zu haben schien, sie den Maahks vorzusetzen schien. Dass Perry da nicht biografiebezüglicher reagiert hat…

Eventuell standen diesbezüglich keine Hinweise im Exposé, die Dietmar Schmidt angehalten hätten, penibel hierauf zu achten. Für mich, FALLS dem so war, zerschneidet man sich so intradiegetische Glaubwürdigkeit und versäumt narrative Anschlussfähigkeit. So war Rowenas Biografie, was mit der für mich so künstlichen Erzählweise doch sicher vermieden werden sollte, letztlich bloße Ein-Heft-Exposition, ohne in der Handlung des Folgebandes Minuten bis Stunden später überhaupt noch wichtig zu sein. Wichtig wird’s: ich halte an meiner Vogelschau fest, dass Rowena sich gerade ihrer Biografie wegen statt Atlan für die Galaxis opfert und samt Talagon ins Schwarze Loch gehen wird. Dass wir dann intensiver mitfühlen und ihre Motivation nachvollziehen können, wurde uns biografisch aufgetischt. Angelegt scheint es mir auch schon zu sein: Rowena spielt in ATLANTIS 06 mehrfach auf ihre zukunftslose Zukunft an, um die Perry doch wisse und deretwegen er ihr davon nichts sagen wolle. Zeitparadoxal verkomplizierter es freilich ist. Sie geht merklich davon aus, diese fragliche Zukunft läge gerade nur Jahrzehnte voraus, umfasse ein normallanges Arkonidenleben. Dass dem so überhaupt nicht sein wird, in wenigen Jahren sich für Atlan jegliche Zeittaktung durch einen Zellaktivator fundamental ändert, will und darf Perry nicht sagen, kann Rowena freilich mitnichten auch nur ahnen. Sie sieht aber lesbar zunehmend schwarz und finster, als ob ihr Ende durch Perry Schweigen bezeugt und besiegelt fix sei. Wenn sie wüsste…

Ihre Zeit auf Galkorrax hat sie offenbar für sich genutzt und ihre urtypischen Alleingänge gepflegt: wie sonst hätte sie Kontakte knüpfen können, von denen Atlan nichts auch nur zu ahnen scheint? „Konspiriert“ zum Besten aller mit Maahks und speziell der Xenomedizinerin, die in ihrer ruhigen Logik richtiggehend ‚einfühlsam‘ mit ihrer Ad-hoc-Patientin umgeht. Was Rowena nicht alles in die Wege zu leiten vermag, wen sie nicht in den Hinterzimmern alles begegnet ist. Und dezidiert agiert sie auch FÜR(!) Caysey, auch wenn sie das Perry gegenüber nur sehr brummig eingesteht. Insgeheime Anerkennung für die Barbarin?

Mutti Caysey

Erneut offiziell Hauptperson, bleibt Caysey auch in diesem Roman erneut weitestgehend passiv, ist dennoch wiedermal die insgeheime Heldin. Ein Kind unter diesen Vorzeichen und unter diesen speziellsten Umständen, quasi in Feindeshand nur mit xenomedizinaler Hilfe zur Welt zu bringen, ist meines Erachtens die größte Leistung aller handelnden Personen. Dass sie wegen finaler Schwangerschaft zuvor ziemlich mitgenommen war, mehr mitgeschleppt werden musste, als dass sie eigene Akzente setzen konnte – geschenkt.

Nun ist der vorhergesagte Sohnemann zwar immer noch nicht geboren, die Geburt ‚auf Eis‘ gelegt bzw. in den Tiefschlaf verschoben, doch das Ärgste scheint abgewendet. Doch während die kompetente Maahk-Ärztin mit enormem Xenogespür die Wehen und übrigen Umstände erstaunlich dirigieren konnte, scheinen die liebevollen Zuwendungen der Venusrobben (ATLANTIS 03) ins Leere gegangen zu sein. Keine Vorteile, kein Benefit aus der, zugegeben nicht rundherum freiwilligen Behandlung durch das Xenozeremoniell der Larsarobben. Erstaunlich, sollte das zu meinem Unglauben doch nur ‚heiße Luft‘ gewesen sein, die uns Sascha Vennemann da herbeigeschrieben hatte? Innerhalb der Handlung bloß die Funktion, Caysey von der wracken LT4 wegzulocken, damit top ausgebildete Kralasenin Rowena leichteres Spiel hat? … um dann trotzdem von behandelter Caysey überwältigt zu werden? Nene liebe Leute, das glaube ich nicht. Das war keine bloß nostalgisch anmutige Lückenhandlung, um die Larsarobben mal auftreten zu lassen. Ich wette, da ergibt sich noch etwas hinterrücks und unerwartet. Letzteres schon deshalb, weil es ja quasi amtlich weggeschrieben wurde: keinerlei Effekte, keine Nachwirkungen, schon gar nicht im Positiven – so scheint es. „Nichts zu sehen, weitergehen.“

So oder so: angesichts all der Umstände wäre ein gerade so überlebendes Neugeborenes sogleich einem galaktischen, wenn nicht gar kosmischen Handlungssog ausgesetzt, in dem sich wohl kaum in aller Ruhe in der Welt ankommen lässt. Bin gespannt (was andere ja schon wissen werden), wie man Mutter inklusive Sohn als HandlungsträgerInnen beibehalten kann, während die totale Vernichtung droht, unbesiegbare Truppen aufmarschieren, die Stimmung zwischen Maahks und Arkoniden auf Galkorrax ohnedies zum Reißen angespannt ist.

The Return of Atlan

Ich habe mich spontan entschieden, die Atlan-Passagen aus der Ich-Perspektive zu schildern, und gebe offen zu, dass ich geschluckt habe, als ich zum ersten Mal Bericht Atlan getippt hatte. Da kamen Jugenderinnerungen auf. K. H. Scheers Atlan-Erzählungen gehörten für mich zu den absoluten Höhepunkten der frühen Serie, und ich hatte ein mulmiges Gefühl dabei, in solch große Fußstapfen zu treten. Aber mir hat jede einzelne Szene mit Atlan Spaß gemacht. Man muss sich dabei ein wenig zusammenreißen, denn er ist noch nicht der Atlan, den wir kennen und der hinter den Materiequellen gewesen ist. Er ist nicht einmal der erfahrene Schlachtenlenker, als der er in Band 60 in die Serie eingeführt wurde. Er kommandiert nur ein Geschwader. Er kann also nicht die überlegene Perspektive haben, die wir von Atlan gewöhnt sind. Er ist zwar schon mit dem Kosmischen in Berührung gekommen, denn »Der Held von Arkon« liegt hinter ihm, aber er hatte noch keinen Kontakt zu ES. Er hat weder Zellaktivator noch Konverterkanone erhalten, und er muss deshalb etwas engstirniger gezeichnet werden als in der Hauptserie. Die Toleranz, die er später besitzt, fehlt ihm noch. Deshalb nennt er die Maahks »Methanatmer« oder »Methans« und ist ihnen gegenüber sehr skeptisch. Im Laufe des Romans zeigt sich aber, dass er seine Vorurteile infrage stellt, und er sieht sich gezwungen, gegen Prinzipien zu verstoßen. Damit löst er sich auch ein Stück weit aus dem Einfluss seines Mentors Tarts da Rhegant, dem Kommandanten seines Flaggschiffs, der in dieser Miniserie endlich einen Nachnamen erhält.Dietmar Schmidt im PROC-Interview

Damit hat DS im Grunde schon alles gesagt – zumindest aus Autorperspektive. Als Leser (aka Hörer) kann ich mich dem nur anschließen und explizit betonen: HE’S THERE! Da issa! Damit hat die Miniserie gefühlt begonnen: Kapitel 1 – Ich-Perspektive – Atlan! Selbstredend ist das nostalgisierter Unsinn, aber wie DS schon sagt, Atlan ist von Heft 50 an von Altmeister K. H. Scheer eingeführt worden und das mit nichts anderem als der Ich-Perspektive. Die ist Atlan eingeschrieben, gehört zu ihm, macht und zeichnet ihn perryversal aus. Wenn einer so geschildert wird, sich so selber schildern kann und narrativ darf, dann er, Atlan da Gonozal. Und ja, natürlich – in 61 Jahren Serienverlauf sind seither ungezählte Unmengen an Figuren auch derart perspektiviert worden. Auch andere als Atlan können und dürfen Ich-Perspektive! Und andersherum tritt Atlan mitnichten immer ebenso auf. Er kann sehr wohl Akteur inmitten der heißesten Handlung sein und trotzdem nur in üblicher Er-Perspektive geschildert werden. Ja mitunter gab es sogar die Skurrilität, dass er inmitten der Handlung thront, um quasi von der Seite, von einer hierfür nützlichen Nebenfigur in Ich-Perspektive beobachtet zu werden. Und so weiter. ABER SO IST ES RICHTIG!:))

Und obwohl wir unseren Beuteterraner nun also genauso präsentiert bekommen, wie es für ihn maßgeschneidert wurde durch Scheer, ist er nicht schon der, der er vor 61 Jahren bereits war. Das ist vorab aber angedeutet worden und kontextuell auch nur konsequent richtig so:

Er ist kein junger Mann mehr, sondern längst ein erfahrener Admiral und Diplomat. In mehreren Schlachten hat er gegen die Maahks gekämpft, er ist Arkonide von hohem Rang und weiß, was er kann. Der Atlan dieser Zeit ist sicher nicht zu vergleichen mit der kosmischen Person, mit der Perry Rhodan in der Handlungsgegenwart zu tun hat. […] Atlan ist eine wichtige Figur dieser Serie, aber es wird den einen oder anderen Unterschied zu dem Atlan geben, den heutige Leser kennen. Die Autorinnen und Autoren der Miniserie werden ihn anders darstellen müssen …„Der ehemalige Kristallprinz und seine Aktivitäten – Welche Rolle spielt Atlan in der Zeit von PERRY RHODAN-Atlantis?

Zuvor schon angelegentlich geschildert, wird das gerade dank ‚SEINER Perspektive‘ umso klarer, dass ihn seine Zeit als „Einsamer der Zeit“ im Exil auf Larsaf III. noch bedeutend prägen wird – aus ATLANTIS-Zeitsicht.

Denn letztlich nur so durch die Handlung pflügend, wie er es bisweilen sonst vermag, kann dieser Jungspunt von noch nicht kosmisch angehauchten Atlan noch nicht. Er ist ein, sicherlich nicht der schlechteste, bei weitem aber auch nicht der beste aller Anführer. Er ist, das trifft es vielleicht am besten, noch nicht proaktiver Akteur, sondern noch bedeutsam mehr eingewobenes Handlungsglied neben anderen. Noch nicht durch die erdende Schule irdischen Daseins gegangen, dünkelt er noch ziemlich arkonidisch und hat seine Perspektive noch nicht ambiguitätstolerant erweitern können. Er ist noch Gefangener der Umstände, noch ohne über sie ‚hinwegblicken‘ zu können. Er dirigiert und manövriert das Geschehen noch nicht wirklich, sondern ist nur der beste Schwimmer im Strom der Handlung, der häufiger als seine MitarkonidInnen übers Wasser blicken kann.

So ist er zum Beispiel Geektors Wohlwollen und Eingreifen ausgesetzt und auf es angewiesen, um mehrfach überhaupt zielgerichtet voranzukommen. Seine liebe Cousine tanzt ihm ebenfalls über die Maßen auf der Nase herum, womit er in späteren Zeiten m.E. auch souveräner und vor allem zielführender wird umgehen. Er muss mehrfach über den arkonidischen Schatten springen, immerhin das er im Gegensatz zu seinen Leuten und selbst Tarts vermag – hörbar zähneknirschend und nur durch die Umstände erzwungen. Das aber pragmatisch gekonnt;-)

Liest sich sehr interessant. Bin gespannt, wie das fortgeführt wird, denn leicht scheint es nicht zu sein. Zum einen ist er jetzt endgültig in ein höheres Handlungsniveau hineingesogen und hat andererseits mit Perry, aber auch Sichu gleich zwei, die unübersehbar mehr von diesen Umständen verstehen als er. Zwei ach so einfache Arkoniden, wenn auch unter falschen Namen segelnd, die eingeweihter als ihr Flottenadmiral sind? Und wie bleibt Perry unerkannt? Er darf sich schlicht partout nicht unverhüllt zu zeigen geben. Und egal wie geschickt er das zu managen versteht, eigentlich kann Atlan auch kaum jetzt schon über Kobaltblaue Walzen und Kosmokraten Bescheid wissen. Irgendwie müsste ihm das alles passieren, ohne dass er es begrifflich vermittelt und erfasst bekommt. Oder er müsste es vergessen, egal wie viele Details ihm zu Ohren kommen. ABER das wäre mir zu lame. Auflösung dieses Spagats, ohne dass Sehnen und Bänder reißen?

Kriegs-Arkoniden

Sehr interessant inszeniert sind die Arkoniden um Atlan herum, also sowohl Tarts als Flaggschiffkommandant als auch und für mich noch mehr die ‚einfachen Truppen‘. Dass Tarts nun einen Familiennamen erhalten hat, hat mich nun nicht so vom Sessel gerissen – Rhegant wie Regent? Keine Familie des Hochadels. Viel interessanter die Struktur der gemeinen Flottensoldaten, die nach den ersten(!) Jahrzehnten des heißen Methankrieges schon spürbar ausgedünnt sind. Ausgedünnt in erster Linie die Führungsspitze, wo gar nicht in nötiger Geschwindigkeit aus- und nachgebildet werden kann. Es mangelt hier an Ark Summia-Absolventen, der Führungselite par excellence. Dementsprechend mangelt es wohl auch zusehends an Extrasinnen, die erst nach Absolvierung dieser elitären Ausbildung aktiviert werden. Wenn die Maahks die Arkoniden daher als emotionalisiert und logikverarmt wahrnehmen, mag das AUCH hieran liegen. Mit Extrasinn aka LOGIK-Sektor ließe sich noch jede Emotion rationalisieren. Hierfür Atlan das beste Beispiel, der wohl nur dank der ‚Einflüsterungen seines sensus rationale‘ über seinen arkonidischen Schatten zu springen vermag. Nicht aus entflammter Xenophilie oder gar Kumpanei mit dem Kriegsfeind, sondern aus pragmatisch logischen Erwägungen des Not-Wendigen heraus. Hierfür der Extrasinn als Brücke zum situativ Sinnvollen. Ohne ihn flippt Arkonide auch einfach mal aus, kann sich nicht beherrschen, nur weil auch Maahks ihre Welt „Kristallwelt“ nennen – als wäre der Begriff für Arkon I (Link zum PR-Sternenatlas von Stefan Koch), der Haupt-, Wohnwelt sowie des Regierungssitzes des gesamten Imperiums. Ein quasi-heiliger Planet, vergleichbar auf Erden vielleicht mit der „Ewigen Stadt“ – Rom.

Doch es bleibt ja nicht nur bei diesem einen Aussetzer, für den sich Atlan letztlich zu entschuldigen hat. Die Strahler sitzen erschreckend locker, Disziplin und Stressresistenz scheinen Fremdwörter. Die Verluste an der Front werden nominell zwar nachbesetzt, das aber bei stetig abnehmender Qualifizierung der nachrückenden Teams. Unerfahrenheit herrscht vor. Da wären wohl Kriegsverbrechen nicht weit, wenn die ArkonidInnen nicht in der Minderzahl und auf – aus ihrer Sicht – feindlichem Gebiet wären. In solchen Verhältnissen ist – vom Extrasinn nicht regulierte – Angst, wenn sie sich panisch Weg bahnt, schlimmste aller Kanalisierungen. Arkon schickt nicht nur junge, sondern auch an adäquatem Training arme Soldaten ins Gefecht. Nebeneffekt: Frauen an der Front. Unschöner Umstand, allzu lange überleben auch sie hier nicht, aber so können auch Frauenfiguren in die Handlung kommen, obwohl sie früher unbeschrieben blieben. Damit wissen wir beinahe schon mehr über arkonidische Verhältnisse der Truppe als über aktuelle Kriegsparteien O_o

Zivile Maahks

Demgegenüber und im maximalen Kontrast gezeichnet die Maahks: inmitten eines Krieges gibt es Zivilisten und sie leben ihr Leben umständehalber so gut wie möglich. Und zumindest auf Galkorrax bisher auch wohl weitgehend verschont von kriegerischen Handlungen, die schon kollaterale Schäden hinterlassen hätten.

Galkorrax ist eine Welt, die von Maahks bewohnt wird, eine von vielen Planeten, die zum Einflussbereich dieser Wasserstoffatmer gehören. Für Menschen ist seine Oberfläche eine lebensfeindliche Hölle; sie können sich dort nur mit einem technisch hochstehenden Schutzanzug aufhalten.
Man kann aber davon ausgehen, dass Galkorrax für seine Bewohner viele Schönheiten aufzuweisen hat. Die Maahks werden seine Landschaften nicht bedrohlich finden, sondern vielleicht sogar – in ihrer emotionsarmen Art – zu schätzen wissen. KNF zu ATLANTIS 06 auf seinem Blog

So sehr es dem ersten Anschein nach für Sauerstoffatmende eine „Hölle“ zu sein scheint, was technikloses Überleben betrifft, so wunderschön erweist sich die Landschaft samt ihrer atmosphärischen Kristallisationen. Eine Landschaft, die den Maahks lebenswerte Heimat, ein Ort zum Leben ist. Nach chemosynthetischen Begeisterungen fasst es DS so in Worte:

In dem Roman streifen wir das Alltagsleben der Maahks, nicht der üblichen Militärs und Geheimdienstmitarbeiter, sondern der Zivilisten. Wir begegnen in dem Roman Maahks, die einer Art Priesterkaste anzugehören scheinen, und Kristallwachstum beobachten. Wir erfahren zwar, dass die Mystik dabei nur einen geringen Stellenwert hat, aber auch, dass die Maahks durchaus einen Sinn für Ästhetik besitzen.Dietmar Schmidt im PROC-Interview

Und als lebensweltliche Zivilisten gehen sie erstaunlich ruhig und besonnen mit den Kriegsfeinden um, die da durch ihre Wohnstätten stampfen und sich nicht einmal zu benehmen wissen. Sprich, sie handeln unlogisch und inkonsequent, nicht zielführend.

Anstelle von Meteorologen oder Vogelschau gibt es die Kristallschau und In-die-Kristall-SeherInnen. Ja, das wirkt zunächst mystisch, eben nicht gewohnt verwissenschaftlicht, entlang SF bekannter Parameter aufbereitet, wo man nur mal kurz auf den Bildschirm oder neumodisch ins Holo gucken, greifen braucht. Big Data per Sonden, Satelliten und derlei scheint – zumindest unter den Zivilisten Galkorrax‘ – nicht Usus zu sein. Und wenn man den Strahler nicht gegen sie richtet, nicht unlogisch hastig agiert, lassen diese Maahks ziemlich freimütig gewähren und laufen.

Eigentlich eine hervorragende Grundlage, in beredter Ruhe zu diskutieren und gewissenhaft zu erörtern. Das führt für mich nur noch krasser vor Augen, wie widersinnig ein jeder, speziell aber der Methankrieg ist. Ein Krieg um was denn eigentlich? Sehr zugänglich wirkende Maahks, die viel zuzugestehen und zu akzeptieren scheinen, in dem Sinne also sehr tolerant gegenüber dem Artfremden sind. Sie bewohnen für Arkoniden „Höllen“-Welten, was andersherum selbstredend genauso gilt. Die Maahks könnten wohl kaum Arkon I würdigen, eventuell hie und da Schönes erblicken, was für nutzbringendes Interesse kaum ausreichen dürfte. Man hätte sich allerbestens nebeneinander entwickeln können. Doch mehr als Maahksche Logik stand arkonidischer Dünkel dem entgegen – das wird immer klarer. Zugeständnislose Intoleranz, wo das arkonidische Greenhorn schon bei Kleinigkeiten an die Decke geht, während Maahks die Notwendigkeiten und Bedarfe erkennen, hinnehmen und danach handeln. Und ja, frei nach dem Soziologen Zygmunt Bauman kann auch Logik überrationalisiert werden und dann irrelaufen: „Ambivalenz und Moderne“. Wie wiederum die Militärs dieser Zeit ticken, ob sie sich der Logik der Massenvernichtung zur Auflösung des Krieges verschrieben haben (Stichwort: Talagon), wird nicht erzählt. Man darf daher auch nicht den Fehler machen, von diesen so angenehm anmutigen Maahk-Zivilisten dieser einen Welt induktiv aufs Ganze zu schließen. Wenn rigorose Anhänger einer Kriegslogik an den Schalthebeln der Macht sitzen, sie zu konsequenten Militopathen werden, nützt alle Logik nicht – verkommt diese auch nur zur Rationalisierung als Abwehrmechanismus!

Der Quartamback der Handlungstiefe

Quartam still alive! Wie überraschend… So totgeschossen er durch den garstigen Grauen zwerg schien, so bloß betäubt er nur war. CLIFFHANGER. Darüber wird im PROC-Interview sinniert, wozu ich mir direkt keine Gedanken gemacht hatte. Ob es nicht zu oft und sehr jedheftig mit einem Cliffhanger endet und ob die zu schreiben Spaß mache, sind die investigativen Fragen. Vermutlich dachte ich gar nicht an Cliffhanger als Begriff und der Bedeutung nach, weil es für mich am Heftende vielmehr „Abbrüche“ waren, dass vorgeblich und anscheinend etwas zu Ende geht, abbricht, vorbei sein soll. Nur, dass dem kaum so sein dürfte und bisher auch nicht war. Ausnahme, wie es scheint, dass die armen Unither mit Maahkscher Logik gnadenlos aus dem All geschossen wurden – ohne doppelte Böden und einen zweiten Auftritt. Bisher. Freilich hätte auch in diesem PROC-Interview hochgelobter Expoautor-Newbie BCH den inneren GRR Martin in sich entdecken und entfachen können – dann wäre vermeintlich tot auch wirklich tot und ein Umbruch der Handlung erfolgte folgerichtig daraus. Doch in sechs Heften mutierte Hary nicht zum Martin, es wird mit klassischen Cliffhangern gearbeitet, von denen sich die Handlung wie an Griffen im desaktivierten Antigravschacht entlanghangelt. Per se nicht schlecht, nur bei andauerndem Gebrauch voraussehbar. Nun lebt also Quartam weiter, obwohl er tot schien. Erfreulich, aber auch nicht erstaunlich. Aber ob kommender Romane wohl auch nur ein beabsichtigtes Trittbrett zum Schwungholen…

Zugangsberechtigung eines ermächtigten Zugangsberechtigten erforderlich

Nun muss sich der weiterlebende alte Zausel also anfangs wie blind, dann als digital native mit eingeschränkter Digitalität wie dishanced am eigenen Wissen aus dem Sumpf ziehen. Mit ihm erleben wir fern der personenvielkonstellierten Haupthandlung auf Galkorrax wichtige Hintergründe, die wir Lesenden Perry und Co voraus haben. Der Autor charakterisiert das schwarze Schaf hochwohlgeborener Familie inmitten seiner One-Man-Handlung so:

[…]Seine Handlungsebene hatte zwar den gewaltigen Nachteil, dass er fast die ganze Zeit allein vorgeht und Dialoge, die eine Szene flotter machen können, erst gegen Ende vorkommen, aber an ihm hat mir gefallen, dass er in einer völlig unklaren Situation beginnt und sich langsam hinaus arbeitet, mit seinem Verstand als einzigem Hilfsmittel. Dazu kommt noch eine mürrische, eigenbrötlerische Sicht auf die arkonidische Zivilisation. Er lehnt die sozialen Gegebenheiten als ungerecht ab und muss sich zugleich eingestehen, dass er zu den Profiteuren der Verhältnisse gehört. Für ihn folgt daraus eine besondere Verpflichtung zur Verantwortlichkeit. Noblesse oblige wird oft bemüht, aber selten gelebt. Für Personen, die dieses Prinzip leben, obwohl es auch anders ginge, habe ich höchsten Respekt.
Quartams Charakter hat aber auch seine dunklen Seiten: die arkonidische Dünkelhaftigkeit, zu der man im Großen Imperium erzogen wird und nur schwer abstreifen kann, und einen leichten Hang zu Verschwörungserzählungen.DS im PROC-Interview

Seine Art und Haltung gegenüber der Welt wird für mich gegen Ende besonders deutlich: schon auf dem Weg gen Arkonis trifft er auf den Massentrack an Atlanter*innen, die dem Einsturz des Himmels zu entfliehen suchen. Wie ein Gott und ehrerbietig angesprochen, ist ihm das zwar zu viel des Guten, aber dass Arkoniden über den Atlantern stehen, ist für ihn hingegen (rassistisch) grundklar. Immerhin reflektiert er kurz, aber noch nicht handlungsleitend, dass demnach auch die Grauen Zwerge in Sachen Technik und Wissen mindestens genauso weit über den Arkoniden stehen. Fügt er sich dann auch so in diese rassische Rangfolge ein oder rebelliert er, nur indem er sie nicht als Götter anerkennt?

Kosmische Weiten

Die zugegeben noch spannendere Ebene ist die zeiträumliche, die der Oberzwerg aufmacht. Hierzu grübelte ich ja langatmig, was da nicht alles hineinspielen könnte, welche höheren bis hohen Mächte da nicht ihre Finger im Spiel haben mögen. Mehrfach meine dann doch argwöhnische Frage bzw. Anmerkung, dass das dann allerdings schon je die höchste perryversale Schublade sei, der man sich bediene. Und genau in die greift man jetzt also!

Der Zeittransmitter 20 Millionen Jahre alt – so Quartam zu Beginn seines Alleingangs. Damit waren meine Überlegungen zu ES, der lokalen Superintelligenz, ad acta gelegt. ES existiert seit gut 18 Millionen Jahren, die er auch gar nicht durchweg vor Ort – in der Milchstraße – verbracht hat. Er ist ein Eingewanderter, der seine Welt nicht grundlos WANDERER und sich nur zu gerne Peregrin (Lat.: Wanderer) nennt. Doch die Zeit vor ES ist uns bekannt, dass ist die Zeit von ARCHETIM, der zu Quartams Unverständnis wie allseits bekannt genannt wird. Eine Zeit, als die Milchstraße noch Phariske-Erigon hieß. Doch ARCHETIM ist längst verloschen, was eine langschweifige eigene Geschichte ist. So wenig wir über diese Superintelligenz eigentlich wissen, so sehr sind ihre „Überbleibsel“ langwirkmächtig, um es vorsichtig auszudrücken.

Ob dieser zeitlichen Orientierung assoziierte ich die Grauen Zwerge ganz kurz als Schohhaaken, eines der sog. Hilfsvölker ARCHETIMS. Ich hatte jedoch nicht vor dem aphantastischen Auge, dass die blassgelbe bis ockerfarbene Haut haben – nicht philosophisch grau. Schon drollig, woran man als PR-Leser*in dann doch noch mit kriminalistischer Prägnanz handelnde Haudegen erkennt: die großen, kindlich anmutenden Augen der Grauen Zwerge. Das war für mich einige Kapitel später das ultimate Erkennungszeichen, womit Schohaaken passé waren und an ihrer Stelle die Standardbesatzung von Kobaltblauen Walzen die Bühne betreten hatte. Nicht erst am cliffhängeligen Heftende wurde mir klar, es definitiv mit einem Raumer der Kosmokraten zu tun zu haben, als dieser so vernichtungsmächtig unaufhaltsam auf dem Bildschirm der LT4 aka BEST HOPE unseren Protagonisten entgegenfliegt. Wir kennen die, nur den Körpermaßen nach kleinen Kerle als Besatzung der Kobaltblauen Walze LEUCHTKRAFT, die über Zyklen hinweg eine maßgebliche Rolle spielt. So auch wieder in der Miniserie SOL (1). Es sind keine Grauen Zwerge, sondern Zwergandroiden! Jawohl, zwerghafte Androiden, deren namhaftester Eroin Blitzer gewesen ist. Dieser fungierte an Bord der LEUCHTKRAFT als sog. Commo’Dyr, eine Art Kommandant eines Beiboots mit größeren Befugnissen und als stellvertretend Kommandierender. Kommandant*in des Schiffes ist hingegen ein*e Beauftragte*r der Kosmokraten – für die LEUCHTKRAFT lange Samburi Yura, dann Alaska Saedelaere.

Und jetzt tritt Tolcai auf oder ist es für alle außer mir längst, der in ATLANTIS 07 seine „Totenspiele“ treibt. Eigentlich nicht das, was man Kosmokraten als Freizeitbeschäftigung zuschreibt. Zuvor zu vernichten / auszuschalten war das Temporale Superpositionstor, wie man eine Zeitmaschine auch einfach mal nennen kann 😀 Temporal und Tor sind in dem Zusammenhang klar und auch im Praxistest erwiesen. Ob Schrank oder Tor, Hauptsache anderswo hin. Superposition? Super als „über, darüber, hinaus“ zur Position – welcher Position? Wenn das ein Relikt aus ARCHETIMS Zeiten ist, wieso hat sich das dann nicht reaktiviert, als Schohaaken aus der Vergangenheit aufgetaucht waren (Zyklus STERNENOZEAN, hefte 2200-2299) oder als ARCHETIMS Überbleibsel eine Rolle spielten (Zyklus NEUROVERSUM, hefte 2600-2699)? Es blieb über weitere Jahrhunderte passiv, um just dann zu funktionieren, wenn erst Rowena in die eine, dann Perry&Co in die andere Richtung zeitlaufen? Derjenige, der es positionierte und reaktivierte, wird noch eine gewichtige Rolle spielen. Und ich mutmaße trotz allem noch immer: ES, der um kosmokratische Machenschaften in ’seiner Zeit‘ wissen muss, erst recht wenn es auf ’seiner Welt‘ passiert. Vielleicht lässt er altgediente Perry und Team aufmarschieren, indem er sie temporal nudget und ein wenig an einstzeitige Brennpunkte ungefragt entsendet. Ihm kann nicht recht sein, was mit dem Talagon droht und wozu auch nur diese eine Kosmokratenwalze imstande ist.

Fazit nach der Hälfte

Es zieht an, es nimmt Fahrt auf! Diskutabel enden die Hefte nur zu sauber cliffhängelig wie abgeschnitten im dramaturgisch nur zu passendsten Moment. Etwas, was bis hierhin aber auch schlicht präzise gelingt. Keine Fehltritte oder Unsauberkeiten diesbezüglich.

Eventuell hatten meine Überlegungen zur kosmischen Erweiterung der Handlung dann und wann so geklungen, als befände ich ein Einbrechen des Kosmischen nach ATLANTIS für falsch und zu viel. Das per se nicht. Im Gegenteil: gerade des Kosmischen, des damit einhergehenden Sense of Wonder wegen finde ich die Perry-Serie, das Perryversum so faszinierend. Allerdings entfaltet sich derlei i.a.R. in 100 Hefte umfassenden Zyklen, die aneinander anschließend auch mal 200 Hefte erzählweit sein können. Diese narrativen Unendlichkeiten in eine nur 12 Hefte verknappte Serie zu holen, ist wagemutig. Das kann krachend misslingen, weil alles viel zu verkürzt nur angerissen wird UND WERDEN KANN, obgleich es doch so endlos ausufernd zu sein vorgibt. Das auf den Punkt zu bringen, den Spagat zwischen besagtem Sense of Wonder des unglaublich Superpositionierten;-) und dann doch bodenverhafteter Handlung auf Atlantis und bspw. muttergewordener Caysey hinzubekommen, ist anspruchsvoll. Erst recht für einen noch so vielgelobten Expo-Neuling wie BCH. Man hätte auch kleiner beginnen können, nehme ich an. Finde ich zunächst alles spannend und gut, beobachte es aber schon mit auch argwöhnischem Blick, ob sich die Fäden zu einem auslesbaren Khipu verknoten oder schlussendlich nur Wollknäuel bleiben…

Bloomsday – Odyssee eines Tages

Hallo Mitwelt!

Es gibt ja die Sentenz „Ich habe nichts gegen Musik, aber ich höre Rap“. Die möchte ich aufgreifen und abwandeln zu: „Ich habe nichts gegen Literatur, aber ich lese Science Fiction“! Fantasy auch noch, wie zu ergänzen ist, auch wenn diese hier im Blog noch sehr stiefmütterlich vernachlässigt worden ist. So oder so, beide Genres gelten nicht als, schon gar nicht Hochliteratur, anerkannte Weltliteratur. Außer so einen Kanon stellt Denis Scheck zusammen, der hierbei keinerlei Berührungsängste hat, damit meiner Wahrnehmung aber ziemlich alleine ist oder zumindest allzu lange einsam geblieben ist. Aber um beide Genres geht es diesmal nicht, denn ich kann vom wagemutigen Sprung in diese „Literatur“ berichten. Zugegeben wie so oft vermittelt durch ein taugliches Brückenmedium, das mir die windumtoste Hängebrücke ins Land der Literatur erst gelegt hat. Dieses Land der Dichter und Denker, gekonnten Schreiberlinge, die in wohlformulierter verbaler Präzision pointiert oder in ausufernder Anschaulichkeit ausführlich Worte auf (e)Papier bannen und so vom „Menschlichen, allzu Menschlichen“ tiefengründig erzählen.

Ein Meister dieser Zunft der Literaten (und Literatinnen!) soll, so hörte ich es flüstern, James Joyce sein, der mit einem Werk überragt, herausragt, berghoch weitsichtig auftürmt wie ein felskrönender Leuchtturm: ULYSSES! Davon anerkennend Raunen hatte ich es schon gehört, wusste trotzdem mit den in die Runde geworfenen Schlagworten nichts anzufangen. Aliterarische Sozialisation… Denn neben aller Meisterlichkeit hieß es dann auch stets auf dem Fuße folgend, es sei auch so unglaublich anspruchsvoll zu lesen, wortreich verdichtet zu einem zwischen zwei Deckeln gebannten Weißen zwerg der Narration. Er – James Augustine Aloysius Joyce, so viel Zeit muss sein – wart am 02. Februar 1882 geboren, also zehn Jahre vor hier immerhin einmal gewürdigten J.R.R. Somit Kind des ausgehenden viktorianischen Zeitalters, dem sich Joyce aber hörbar weniger verpflichtet sah als Tolkien. Denn dieser stand – wie es ein Fachmann wie Helmut W. Pesch klar zu benennen weiß – insbesondere mit dem Herrn der Ringe und zuvor kindgerecht verpackt auch mit dem Hobbit in der Erzähltradition des viktorianischen Reiseromans. Joyce seinerseits steht Pate für die literarische Moderne aka moderne Literatur, die sich gerade auf die Fahnen geschrieben hat, mit den bis in die Antike echolotend zurückreichenden Traditionen zu brechen und eingedenk der industrialisierungsgetriebenen soziokulturellen Umbrüche wortfinderisch neue Pfade einzuschlagen. Nicht nur Ulysses sei „ein Stil eigen, der auf jeweils spezifische Art und Weise die Zersplitterung von Erfahrungswelten reflektiert und nach neuen Formen des Ausdrucks suche.“ (zit. n. Wikipedia)

Foreshadowing eines Tagesausflugs

Aber wie konnte dann selbst so ein Literaturbanause wie meiner einer die ‚richtige‘ Abzweigung auf dem Pfad der Literatur doch noch nehmen, um im Haus solcherart Literatur einzukehren? Einer, der Lem für vielbedenkenswert hält und selbst Asimov für lesenswert, obgleich dieser doch nahezu nur in Dialogen schreibt? So einer ist doch längst wie das Kind mit dem Bade verschütt gegangen… Manchmal, aber nur manchmal überkommt mich dann doch der Hauch des Literarischen, wenn ich nämlich mit großer Aufmerksamkeit und stetem Interesse das SWR2 Forum auch zu diesen Themen höre: sonst zunächst Forum für aktuell(er)e Wandlungen des Weltgeschehens inklusive manch Zeitenwende verhandeln Moderator*in und stets drei GästInnen vielfach ebenso Themen der Literatur. Für mich auf tauglich geeicht durch eine Sendung 2019 zu 50 Jahre Der Herr der Ringe auf Deutsch (wiederholt 2021), war zum Ulysses schon am 01.02. eine Sendung ausgestrahlt und online gegangen. Darauf ließ ich mich nur zu bereitwillig ein, das Format hatte schließlich bewiesen, über Literatur und ihre Autor*innen profund und anregend diskutieren zu können. Anlass war „100 Jahre Ulysses“, da das Werk 1922 als Buch veröffentlicht wurde, dessen 18 Kapitel zuvor bereits als fortlaufender Roman in Zeitschriften Kreise gezogen hatte. Und so habe ich wahrlich und frei eingestanden erst an diesem Tage erhört, was diesen Roman ausmacht, welche Wirkgeschichte er genommen hat, was den Zugang zur Lektüre allerdings auch für Unvorbereitete erschwert. Dass diese Sendung de facto ein Foreshadowing war, ahnte ich da noch nicht. Bevor wir zu dem kommen, was da lange Schatten warf, noch zu einen zweiten Beitrag, der jüngst am 09.06. beim SWR2 lesenswert Magazin zu hören war und online noch ist: fünf Fragen zum 100. Geburtstag des Ulysses. Was den Roman ausmacht, wie er konstruiert ist, welches größte Vorbild er sich nimmt, aber auch was der Roman schon verhandelt hat und uns daher heute noch sagen kann. Als „Schnelleinstieg“ in die Materie sehr tauglich.

Ich schrieb, dass Joyce einer der Literaten für eine literarische Moderne sei und sich dafür schreibtechnisch wie inhaltlich experimentell Neuem bediente, das prototypisch schon hier und da zu lesen gewesen sein mag, im Ulysses aber seine veredelte Verdichtung findet. Durchweg neu ist der Stoff, aus dem er schöpft, hingegen nicht. Konstruktiv genau genommen so überhaupt nicht. Mit Ulysses verweist nicht nur der Titel auf die eine Odyssee Homers (schlicht englische Bezeichnung), die 10-jährige Irrfahrt des alten Zausels Odysseus, der nach Ende des ebenfalls 10-jährigen Trojanischen Krieges doch nur zurück in seine Heimat Ithaka will. Geradlinig zielführend verläuft die journey to home allerdings nicht, göttliche Kräfte werfen ihn stets aufs Neue zurück, um zum Teil Jahre an Orten weit der Heimat festzusitzen. An eben diesen zweiten großen Text der europäischen Literatur schließt Joyce an und lässt statt Odysseus seine Hauptfigur Leopold Bloom in Dublin seine Odyssee eines Alltags durchlaufen.

Und wie die Homerische Odyssee nicht, wie es verkürzte Erzählungen Glauben machen, nur von Odysseus episch erzählt, geht es auch in Ulysses mitnichten nur um die Alltagsreise des Mister Bloom – so sehr auch diese das Ganze überstrahlt und prägt. Voraus gehen drei Kapitel, die an die Rahmenhandlung der Odyssee gemahnen, wie sie im Troja Alert in Vorabfolge ZWEIUNDVIERZIG zur Odyssee in ihrer Funktion und Bedeutung besprochen wurde. Das Epos beginnt, wohin es Odysseus zieht, nämlich in seiner Heimat, wo wir über beharrlich treubleibende Ehefrau Penelope und beider Sohn Telemachos erfahren. Im Ulysses ist, so viel Spoiler darf sein, die Ehefrau Blooms untreu und mit Stephen Dedalus ist die zweitwichtigste Figur auch nicht Blooms Sohnemann. Dennoch ist diese „Telemachie“, wie der ‚Prolog‘ des ersten Teils bei Homer genannt wird, bedeutend fürs Kommende, die eigentliche – zwölf Kapitel umfassende – „Odyssee“ des Mittel- und Hauptteils. Zuletzt endet es mit den drei kapiteln des „Nostos“, der Heimkehr.

Auch verweisen die Kapitelnamen auf antike Stoffe bzw. Gestalten. Die partout nicht zu kennen oder nur so vage, dass man deren Essenz nicht kennt, wäre einer der Punkte, die den Zugang zum Sinn der unkonventionellen Handlung arg versperren dürften. So nimmt in Kapitel 1 „Telemachos“ Stephen Dedalus die Rolle des Sohnes ein, um sich in Kapitel 2 „Nestor“ gleich dem Odysseischen Vorbild von einem alten Ratgeber letztlich nur untaugliche Beredseligkeit anhören zu müssen, die zu nichts führt. Kapitel 3 „Proteus“ verweist auf den verwandlungsfreudigen Meeresgott gleichen Namens, der sich hier als Hund am Strand in Stephens wüster Fantasie verformt. Und so weiter. Es lohnt sich, hierfür wissende Wiki begleitend zur Hand zu haben, um die antiken Widerhalle hören und verstehen zu können. Sonst, so mein Eindruck, wird es doch recht chaotisch, bleibt doch sehr unkonventionell unromanhaft und scheint außer fortschreitender Tageszeit keinen roten Faden zu haben.

Aus Text wird Ton

Nun zum Kern des Beitrags: dem 18-teiligen Hörspiel des SWR, das schon zum 90. Jubiläum des Ulysses 2012 herausgebracht worden ist, nun nur zu passend wiederholt wird: „Vor 100 Jahren ist der „Ulysses“ von James Joyce erschienen. SWR2 wiederholt aus diesem Anlass seine vielfach gerühmte gut 23-stündige Hörspielfassung in 18 Teilen. Das Meisterwerk der klassischen Moderne läutet eine Zeitenwende in der Romanliteratur ein: In 18 Kapiteln wird aus verschiedenen Perspektiven und über zahlreiche Stilregister ein Tag in Dublin erzählt.“ (zit. aus der Internetpräsentation)

Je Kapitel des Buches gibt es eine Hörspielfolge, benannt nach obigem Muster nach antiken Haudegen, die symbolträchtig den Inhaltskern der jeweiligen Episode pointieren. Online anklickbar ist ein digitales Booklet, das gut möglich damaligem Hörspiel beigefügt war. Hier finden sich – unbedingt durchzulesen – kapitelweise Zusammenfassungen der Handlung, der mit diesem kompakten Wissen m.E. echt besser zu folgen ist. Übersichtlich aufgelistet sind alle Sprecher*innen, darunter nur zu namhafte Größen der Szene. Da sollte jede*r, wer nicht gerade erst geboren ist, prägende Stimmen wiederfinden. Interessant: für mich klang Stephen Dedalus (Jens Harzer) anfangs verdächtig nach „2. Detektiv Peter Shaw“, auch firmierend unter den Decknamen Jens Wawrczeck, der sehr ähnlich klingen und tönen kann, es dennoch nicht ist. Dietmar Bär, den ich am Intensivsten durch die Millennium-Trilogie Stieg Larssons her kenne, ist niemand geringeres als Leopold Bloom höchst persönlich. Und auch Arthur Dent (unwahrscheinlich, aber soll auch Felix von Manteufel gerufen werden, der auch der Professor der Narnia-Hörspiele ist) ist mit von der Partie:))

Insgesamt dreiundzwanzig Stunden, was somit auch diesbezüglich ziemlich genau – und nur zu passend – der Eintagodyssee Blooms entspricht. Ich hatte beinahe vier Monate nach gelinktem SWR2 Forum die ersten drei Hörspiele verschlungen, um in manch Irritation gestürzt zu werden. Nicht nur, dass es keine altbekannten Handlungsbögen zwischen den Folgen – bisher wenigstens – gibt, nein, auch innerhalb einer Folge wird die Handlung nicht nach altgedienten Spannungselementen entwickelt und vorangetrieben. Hinzu dann meine Irritation, dass dieser Bloom fehlt, keinmal auch nur erwähnt wird, während der Tag von Dedalus doch schon nennenswert voranschreitet. Bedenke Bloom. Und auch wenn ich noch längst nicht zu Ende gehört habe, wollte ich auf dieses Hörspiel, an diesem Tag bereits aufmerksam machen. Auf weitere Beobachtungen komme ich dann bei Zeiten zurück.

Und dieser Bloomsday?

Dieser Bloomsday ist heute – am 16.06. dieses Jahres, just deshalb heute auch die finale Folge 18 PENELOPE online gegangen ist. Denn die Handlung von Ulysses spielt eben an diesem Tag, dem 16.06. des Jahres 1904, auch wenn wir – die Buchveröffentlichung zählt – davon erst seit 1922 wissen. Und am Tag des Leopold Bloom, am „Day of Bloom“, am Bloomsday lohnt es sich, des Ulysses zu gedenken und je nach Zeit sich doch wenigstens ein Kapitel / eine Hörspielfolge lang seinen irrwegigen Pfaden durch einen Dubliner Tag anzuschließen und ihn zu begleiten.

Weiteres, was mich an alledem eigentlich anspricht und derlei, in Bälde

Weltnichtrauchertag – Ehre, wem Ehre gebührt

Hallo Mitwelt!

WELTNICHTRAUCHERTAG!

Für mich ein Feiertag, den es dementsprechend hier wohlwollend zu gedenken gilt. Harte Lektüre für Zugequalmte – ein Teil des Inhalts könnte beunruhigen und irritieren. Doch geht es ohnehin längst nicht mehr – wenn denn je – um individualisierte oder gar singuläre Befindlichkeiten, das libertäre Ausleben suchtzwanghafter Freiheiten. Zwanghafte Freiheit – Homo sapiens bekommt noch alles kognitiv dissonante zusammen, was seine verruchte Intelligenz ausmacht.

Vom Feuer…

Da waren wir in die Grote Lazaret an eine „Feuerstelle der Menschheit“ gereist, um mit Erstaunen zur Kenntnis zu nehmen: die Neandertaler haben intuitiv und mit Köpfchen hinbekommen, wofür Homo sapiens sapiens eine Supercomputer-Simulation brauchte. Entgegen sapienter Annahmen einer anständigen Platzierung war die rauchqualmende Feuerstelle nicht im Höhlenhinten, sondern ziemlich zentral in Nutzung.

Mitautor Ran Barkai sagte: „Unsere Studie zeigt, dass frühe Menschen auch ohne Sensoren und Simulatoren in der Lage waren, den perfekten Platz für ihre Feuerstelle zu finden.“ Diese Fähigkeit beweise „Findigkeit, Erfahrung und planmäßiges Vorgehen sowie das Bewusstsein für die gesundheitlichen Schäden durch Rauchbelastung[.]Science.ORF.at

Noch weit vor jedweder Public Health verstanden es Neandertaler also bereits, sich nicht mehr als nötig gesundheitsschädlichem Rauch auszusetzen. Das kann man von Homo sapiens so leider nicht mehr behaupten, hier muss ein kognitiver Schwund von evolutionärem Vorteil gewesen sein.

Die These, dass die Verwendung des Feuers die entscheidende
Wendung im Schicksal der Hominiden bedeutete, lässt sich überzeugend
belegen. Es war das älteste und wichtigste Werkzeug der Menschheit
für die Umgestaltung der natürlichen Welt. »Werkzeug« ist jedoch
nicht ganz das richtige Wort; anders etwa als ein lebloses Messer hat
das Feuer ein Eigenleben. Es ist bestenfalls ein »Halbdomestikat«, es
erscheint ungebeten und kann gefährlich werden, wenn es nicht sorgsam
gehütet wird.

Und weiter:

Die Nutzung des Feuers durch die Hominiden hat historisch tiefgreifende und allgegenwärtige Folgen. Erste Anzeichen reichen mindestens 400000 Jahre zurück in eine Zeit, in der unsere Spezies noch
lange nicht auf der Bühne erschienen war. Dank der Hominiden besteht
ein Großteil der Flora und Fauna der Welt aus feuerangepassten
Spezies (Pyrophyten), die bei Bränden im Vorteil waren. Die Wirkungen
des anthropogenen Feuers sind so massiv, dass man bei einer unvoreingenommenen
Darstellung des menschlichen Einflusses auf die natürliche Welt zu dem Schluss kommen könnte, sie seien noch überwältigender als die Domestikation von Pflanzen und Vieh. Dass das
menschliche Feuer als Landschaftsarchitekt in unseren historischen
Darstellungen nicht so vorkommt, wie es angebracht wäre, liegt vielleicht
daran, dass seine Wirkungen sich über Hunderte von Jahrtausenden
erstrecken und das Werk »vorzivilisierter« Völker – der »Wilden«
– waren. Im Vergleich mit unserer Epoche von Dynamit und
Bulldozern war es eine sehr langsam voranschreitende Art der Landschaftsgestaltung,
doch ihre aggregierten Folgen waren weitreichend.James C. Scott: „Die Mühlen der Zivilisation – Eine Tiefengeschichte der frühesten Staaten“, S. 52F

Mehr Rauchexposition durch Feuer(stellen) haben Homo sapiens zum allesfräßigen Topprädator werden lassen, den (nicht nur, s.u.) Lungenschäden nicht haben abhalten lassen. Hingenommene Nachteile zwecks Bevorteilung an anderer, wichtigerer Stelle? Das klingt nach Praktizierung des Handicap-Prinzips, wie es die Verhaltens- und Soziobiologie kennt:

Es war der israelische Ornithologe Amotz Zahavi, der einer lange Zeit skeptischen Fachwelt die Logik des „Handicap-Prinzips“ erläuterte. Er erkannte, daß die Evolution nicht nur im engen Sinn nützliche Merkmale hervorbringt, sondern auch „teure Signale“, eben Handicaps wie der Pfauenschwanz. Die Botschaft der teuren Signale ist einfach und logisch: Nur wer es sich leisten kann, Extrakosten in Kauf zu nehmen, kann es sich tatsächlich leisten. Fälschung ausgeschlossen.Eckart Voland in der FAZ-Reihe Grundkurs in Soziobiologie (15) Angeberei als Hochkultur – Link durch den Blogautor

Dieses Prinzip weit aufgefasst, nimmt Homo sapiens die Nachteile =Handicaps durch Rauch und Rauchen in Kauf, weil gerade das Vorführen solcher Handicaps beweise, dass man es sich schlicht leisten könne und trotzdem noch groß auffährt. „Vergeudung kann sinnvoll sein, weil man dadurch schlüssig zeigt, daß man mehr als genug besitzt, und etwas zu vergeuden hat. Gerade der Aufwand – die Verschwendung selbst – macht die Aussage so zuverlässig.““ (zit. n. Wiki) Feuer (und Rauch als sein Symbol) der extensionale Pfauenschwanz des Homo sapiens? Es einfach so in die Luft zu pusten (Rauchen), zunehmend kostspielig obendrein, kann nur diesem Prinzip folgen: Man(n) hat’s schlicht und ergreifend! Schau her, wie viel ich von meinem Vermögen in Rauch auflösen kann, ohne dass es mich auch nur tangiert. „Was teuer ist, ist wahr.“

…zum Rauchen

Jetzt aber mitten hinein in die Zelebration des Weltnichtrauchertages, den zu begehen schon seine Gründe hat. Zugestehen müssen wir allerdings, dass die Erfindung des Rauchens ausnahmsweise mal nicht dem imperialistisch wollüstigen, kolonialherrlich getriebenen alten weißen Mann anzulasten ist. Auch die Schweizer haben es nicht erfunden – heißt es. Schon vor 12.300 Jahren wurde – natürlich an einer Feuerstelle – geschlotet und zwar in Amerika, heutige USA. Die Indizienlage ist jedoch indirekt, da man sich nur auf – exakt vier – Samen der Tabakpflanze berufen kann, die man nebst allerlei Gebräuchlichem von Jägerinnen und Sammlern vorfand. Aber die Vermutung liegt nahe, dass es sich dabei nur um Reste handelt, nachdem nikotinhaltige Blätter und Stängel in Rauch aufgegangen waren. Tabak als allseits verwendetes Suchtgut ist hingegen „Kolumbus‘ Erbe“. Erst in seinem Kielwasser machte Tabak die Runde – Charles C. Mann widmet diesem Teil der Globalgeschichte einen höchst lesenswerten wie eindrücklichen Abschnitt. Nur des Tabaks wegen drängte England darauf, UM JEDEN PREIS in Amerika (Virginia) anzulanden, koste es, was es wolle (80% der hingeschickten Siedler). Und wiederum durch den Tabakanbau kollabierte der durch indigene Feuer gestaltete für Europäer wie Wildnis anmutende „Garten“ monokulturell, wurde der Boden nur so dystrophisch ausgesaugt und hinterließ triste Einöd. Dafür aber profitabel!

Das führt sogleich in die Jetztzeit, die sich nicht gebessert hat, nur mehr vom Übel weiß:

Rauchen schadet laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht nur der Gesundheit, sondern auch der Umwelt enorm: Jedes Jahr kosteten Herstellung und Konsum von Tabak mehr als acht Mio. Menschenleben, 600 Mio. Bäume, 200.000 Hektar Land sowie 22 Milliarden Tonnen Wasser und setzten rund 84 Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) frei.
Wie die WHO in einem neuen Bericht unter dem Titel „Tabak: Vergiftung unseres Planeten“
außerdem berechnet hat, entspricht die CO2-Menge dem Ausstoß von etwa 17 Millionen benzinbetriebenen Autos jährlich. Tabakprodukte enthielten über 7.000 giftige Chemikalien, die beim Wegwerfen in die Umwelt gelangten[.]Science.ORF.at

Zum erwähnten WHO-Bericht „Tobacco: prisoning our planet“ (nur auf Englisch) hier entlang!

Das ist jetzt allerdings nicht neu, nur beharrlich ignoriert. So hat es bereits 2018 geheißen, dass es mehr Zigarettenkippen als Mikroplastik gibt:

Für die Herstellung von sechs Billionen Zigaretten im Jahr 2014 seien 32,4 Millionen Tonnen grüner Tabak auf vier Millionen Hektar Land angebaut worden. Die Herstellung habe 0,2 Prozent des weltweiten Ausstoßes von klimaschädlichen Emissionen verursacht, 84 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.Science.ORF.at: Tabakanbau zerstört die Umwelt

Ein Raucher, der 50 Jahre lang 20 Ziggis täglich durchzieht, hätte in dem Zeitraum auch alternativ 1,4 Millionen Liter Wasser trinken können, um die Zeit rumzukriegen und die Finger beschäftigt zu halten. So viel Wasserbedarf hatten die zu 90% in Entwicklungsländern angebauten Tabakpflanzen nämlich, wenngleich der Gewinn für das ‚veredelte Endprodukt‘ dieser Kulturtechnik nur den rauchentwickelten Ländern zukommt. GUT…, die Gesundheitsschäden müsste man vom Gewinn noch abrechnen, womit es mutmaßlich auch ein Minussummenspiel hinausliefe. Aber so beliebt ist Mathematik dann auch nicht, sie wirklich praxisnah anzuwenden… Bzw. diesem dyskalkulatorischen Schock weiß der rauch-industrielle Komplex mit finanziell aufwendigem Lobbying erfolgreich entgegenzuwirken. Wenn man nur genügend Rauchbomben wirft, verschleiert sich die Sicht und vor lauter Desorientierung folgen die Lemminge dem rauchstimmlichen Sirenengesang.

«In Industrieländern angesiedelte Tabakkonzerne verbrennen im übertragenen und im wahrsten Sinne des Wortes die Ressourcen und die Zukunft der am wenigsten geschützten Menschen auf dem Planeten», meint einer der Autoren, Nicholas Hopkinson vom Herz- und Lungeninstitut am Imperial College in London.Science.ORF.at erneut

O, apropos schlechte Sicht und noch miserablere Navigation im trüben Dunst: Tabakrauch schädigt die Hornhaut des Auges! Das war jetzt also nicht nur metaphorisch gemeint 😛 Aber nur weil „Die Magie unserer Sinne“ zu 70% Input übers Sehen bezieht, ist der Spielraum hier freilich auch noch groß genug, um das downzuleveln. Da denkt man, der Computer- oder Smartphonebildschirm wäre der Teufel fürs Auge, der kurzsichtig macht und massig Folgeprobleme schafft. Dabei läuft da längst ein 500-jähriges Gesellschaftsexperiment, wie man die Hornhaut loswird und die Optikerindustrie am Laufen halten kann. Hoffen wir mal, dass man da innovative Einflussfaktoren findet, um das Wettrüsten gegen die Folgeschäden in ein Patt umwandeln zu können. Ich sehe da jedoch rauchschwarz, weil selbst Forschende, die das selbstverursachte Leid vor dem Argusauge haben, als Fazit nur das im Sinn haben:

Die Ergebnisse regen dazu an, die Wirksamkeit von Augentropfen zu untersuchen, die Ferroptose-Hemmer enthalten. Somit könnte man Raucherinnen und Rauchern womöglich eine langfristige Linderung und Schutz vor trockenen Augen bieten. »Vielleicht können wir diese Substanzen in künstliche Tränen einbringen. Damit eröffnet sich ein ganz neuer Weg zur Behandlung von trockenen Augen«, sagt Altinörs.Nochmal bei Spektrum.de über die Hornhautauflösung durch Rauch

Die Ergebnisse beziehen sich darauf, dass man mittels bestimmter eisenhaltiger Augentropfen gegensteuern könne. Ich will ja nicht spoilen, aber ich kenne ein industrieloses Gegenmittel, das extrem günstig ist und überall erhältlich, keinerlei Infrastruktur- bzw. Verteilungsprobleme oder dergleichen: NICHTRAUCHEN! Aber bloß nicht weitersagen!

Sonst käme auch obig genannte rauch-industrielle Lobby: „Tabakindustrie verhindert Tabakkontrolle – neuer Index für Deutschland“ – worüber Klaus-Dieter Kolenda 2020 bei Telepolis berichtet hat. Er bezieht sich auf diesen Index bei UNFAIRTOBACCO, der das Lobbying detailreich aufdröselt und so als Entrauchungshilfe dienen kann – wenn man sich traut.

In vorigen Artikeln hat KDK schon wider die Glimmstängel informiert. Um der Größenordnung gewahr zu werden, um die es vom Tabakanbau bis in die Särge der Folgewirkungen geht:

Bekanntlich ist die Tabakindustrie der Industriezweig, der mit seinen Produkten wahrscheinlich direkt nach der Rüstungsindustrie weltweit die meisten Todesopfer fordert. In dem 2011 erschienenen herausragenden Buch des US-amerikanischen Medizin- und Wissenschaftshistorikers Robert N. Proctor über die Geschichte der Zigarettenkatastrophe mit dem Titel „Golden Holocaust“ wird die Zigarette als „tödlichstes Kunstprodukt in der Geschichte der menschlichen Zivilisation“ beschrieben. Proctor schätzt ein, dass das Tabakrauchen im 20. Jahrhundert weltweit etwa 100 Millionen Todesopfer gefordert hat.KDK im Telepolis-Artikel „Hauptsache nikotinabhängig – ein notwendiger Nachtrag zum diesjährigen Weltnichtrauchertag“ vom 01.11.2020

Robert N. Proctors „Golden Holocaust. Origins of the Cigarette Catastrophe and the Case for Abolition.“ ist auch heute immer noch nicht auf Deutsch erhältlich. Warum nur? Immerhin in Österreich, bei Der Standard gibt es wenigstens eine Rezension: „Das tödlichste Ding der Welt“! By the way: 100 Mio. Tote dürfte in etwa der spanischen Grippe entsprochen haben, als sie nach dem Ersten Weltkrieg ihren tödlichen Siegeszug antrat. Ihr verdanken wir wohl heute Influenza. Dem Rauchen verdanken wir auch manch letales Gimmick wie ab einem Kipppunkt irreversibel geschädigte Arterien und zwar von Kopf bis Fuß. Sie sind anfälliger für Corona, umso langwirkmächtiger, je mehr die schwangere Mutter Nikotin zu sich nimmt. Usw. ABER wenn individuelle Schädigungen je ein Grund gewesen wären, es sein zu lassen bzw. aufzugeben, gäbe es ja längt keine Raucher mehr. Da es sie noch gibt, geht es dann um ihre egozentrischen Umweltzerstörungen, die ihnen egal sein mögen, den Betroffenen aber nicht. Es geht also mitnichten um rein private, bloß persönliche Neigungen und ein wenig ureigenes Vergnügen, das schlicht sozialer Gruppendruck oder schon Sucht ist. Es zieht seine letalen Kreise, die weit über zuzugestehende Selbstzerstörungsfreiheiten hinausgehen!Entwöhnung der Pyrophyten, wenn sie mit dem Feuer ihr Exposom im sozialen Nahbereich vernebeln! Um was damit zu verhüllen???

ATLANTIS 05 – Die Kralasenin

Hallo Mitwelt!

The story goes on and ever on… ATLANTIS 05 heute mit weitreichenden, tiefschürfenden Enthüllungen, richtungsweisend, Ich-Du-graphisch sowie mit einer galaktozidalen Metaebene, um die es überbaulich geht. Die Handlung verdichtet sich zuhörends mit Altgeschriebenem. Doch lese UNVERKNAPPT (*HUST*) selbst!

Inhaltsverzeichnis

Die Handlung


Michelle Stern – ATLANTIS 05 „Die Kralasenin: Ein Terraner in Gefangenschaft – er stellt sich seiner erbitterten Feindin“

Im fünften Band gibt sich eine Autorin die Ehre, die sonst für die wöchentliche PERRY RHODAN-Serie schreibt: Michelle Stern stellt in diesem Roman eine ungewöhnliche Arkonidin vor.
Sie erzählt in »Die Kralasenin« die Herkunftsgeschichte von Perry Rhodans aktueller Gegenspielerin. Wer ist die mysteriöse Rowena, die am Anfang der Atlantis-Geschichte steht? In welcher Beziehung steht sie zu Atlan, und warum jagt sie Rhodan so unerbittlich?„Michelle Stern und ‚Die Kralasenin'“ auf der PERRY RHODAN-Homepage

Der Roman selbst geht in die Tiefe des Arkon-Imperiums; man erfährt mehr über die titelgebende Kralasenin und ihre Herkunft, und man versteht, warum sie und Atlan sich so gut verstehen. Aber natürlich geht es auch um die aktuelle Situation, in der sich Perry Rhodan, Sichu Dorksteiger und Caysey – die drei sind ja gemeinsam unterwegs – derzeit befinden. Das gibt durch die Perspektivwechsel eine abwechslungsreiche Handlung, die sich wunderbar in die bisherige Story unserer Miniserie einordnet …KNF auf seinem Blog zu ATLANTIS 05 „Die Kralasenin“

Maahks-Welt Galkorrax: Das Trio atlantis wird von Atlan kurzerhand zur Exekution freigegeben! Doch Rowena kann mit Verweis auf deren Wissen rund um das Talagon erfolgreich intervenieren, denn man orte es auf der LT4. Das scharfe Verhör alleine durchzuführen, konnte sie jedoch nicht durchsetzen. Atlans Flaggschiffkommandant der TOSOMA und alter Freund Tarts soll sich auf Atlans Befehl beteiligen.

Dieser kümmert sich nicht zielführend um die beiden Damen, derweil Rowena separiert festgesetzten Perry alleine sprechen kann. Dieser ‚beredet‘ sie so gekonnt, dass sie ihm zuerst ihre Lebensgeschichte erzählt, bevor er seine Herkunft offenbaren soll: im Strudel der Usurpation Orbanaschols III. 8040 v. Chr., der Atlans Vater Imperator Gonozal VII. zum Opfer fiel, folgte eine weitere „Säuberung“ gegen den Khasurn der Gonozal. Rowenas Eltern wurden exekutiert, diese konnte als Baby von ihrem Leibwächter Konoth gerettet und fern von Arkon aufgezogen werden. In Dagor-Techniken und dem psimystischen Zhy unterwiesen, wollte jungerwachsene Rowena der für sie bedrückenden Enge jedoch durch eine „Zwangsehe“ entkommen, die im Sinne Orbanaschols III. mit ihm genehmen Khasurn arrangiert ist. Obwohl ihr Gatte in spe sie mit Minne umgarnte, fühlte sie sich abgestoßen und trickste beim „Kristalledikt“ (Ehevertrag), indem sie ihn einer Nichtehe zustimmen lässt. Von da an hatte sie einen Feind fürs Leben.

Dennoch wurde sie weiters als Kralasenen-Azubi zugelassen, nachdem sie vor Orbanaschol erniedrigend ehrerbietig niederkniete. Sie musste die elitäre Ausbildung zum „Bluthund des Imperators“ aber familiennamenlos bestreiten – eine soziale Degradierung und Demütigung sondergleichen. Sie bestand aber alle Prüfungen und Hürden, entging einer Vergewaltigung ihres rachesüchtigen ‚Freiers‘ und bekam sogar im Zuge der Ark Summia ihren Extrasinn freigeschaltet. Als es gegen Atlans Rebellenarmee zum Showdown auf Arkon I im Kristallpalast kam, verdichtete es sich zum Duell, in das Rowena zugunsten Atlans eingriff. Auf dessen Seite konnte sie sich nach Obsieg des Kristallprinzen schlagen, dem sie als einzig verbliebenes Familienmitglied zutiefst treu ist.

Bevor Perry Rowena in seine zeitreisenden Verstrickungen einweiht, erfährt er von ihr noch, wieso Atlan mit Maahks inmitten des Methankrieges paktiert: diese hätten mit dem Talagon eine ultimative Vernichtungswaffe „gefunden“, mit der sie die Arkoniden ausrotten könnten, jedoch auch Zigmilliarden Maahks sterben würden. Zwar nicht in der Lage oder willens, wider Befehle zu handeln, wollte der Maahk Geektor das dennoch vermeiden und sponn Atlan ins Komplott ein, das Talagon zu vernichten – notwendig nur in einem Schwarzen Loch und unter Aufbietung eines Opfers, da nur ein Lebewesen das bewerkstelligen könne. Das will und kann Rowena nicht zulassen, dass Atlan dieses Opfer für sein Volk wird, weshalb sie wiederum wider seine Befehle eingegriffen und das Talagon zu entsorgen versucht hat.

In der Handlungsgegenwart (30.03.8005v.Chr.) konspirieren nun Rowena und das Trio atlantis, um an das von Caysey irgendwo an Bord der BEST HOPE versteckte Talagon zu gelangen, um es nun aber wirklich zu vernichten. Doch ihre Aktion bleibt nicht unerkannt, sie werden kurz vor dem Ziel aufgegriffen …

1. Vom Veteranen zur Stammautorin


Das letzte Mal war mit Olaf Brill ein altgedienter Veteran miniserialis am Griffel, der schon in zwei Dritteln der Miniserien mit elf Heftromanen beitrug – mit noch mehr in spe. Dieses Mal hat sich das Blatt gewendet: Michelle Stern als zweite atlantisch beitragende Autorin, hat mit „Die Kralasenin“ das wahrlich und echt erste Mal ihre Hand in die Schreibmühle einer Miniserie gelegt. Trotz achtfacher Chance hierzu hat sie erst jetzt den Weg in die skriptoralen Minikosmen von Perry Rhodan gefunden.

Das wohl auch, weil sie auch so schon gut zu tun hatte, denn: Michelle Stern, die als Frankfurterin von letzter Mittwochnacht an anhaltend ggf. vielleicht aus dem Feiern nicht mehr rauskommen dürfte, ist ihres Zeichens Stammautorin, griffelnder Bestandteil des Autorenteams der Erstauflage. Sie ist, mit anderen Worten, Inte-Grals-Hüterin im Olymp der schreibenden Perry-Zunft! Berufen durch die Entität KNF ist sie seit November 2013 dabei, wo sie mit 2727 „Am Gravo-Abgrund“ debütierte und Nr. 2728 sogleich von sich folgen ließ. Gute Erinnerungen an beide Romane! Seither – es geht mit schneller Hand und strammer Schreibe auf Heft Dreitausendzweihundert zu – hat sie siebenundfünfzigmal zum schriftlichen Fundament und Sockel des Perryversums beigetragen – Weiteres in Mache. Nebenher, was so nicht stimmt, ist sie noch unser aller LKS-Tante, kontinuierliche Betreuerin der jedheftigen LKS-Seite, wo mehrseitig Fans und Freunde mit ihren Zuschriften veröffentlicht und von MS resonant kommentiert werden. Jedheftig? Zugegeben, wenn manch Autor – keine Namen! – sich übernimmt und an Griffelsucht erkrankt ist, nicht aufzuhören oder zu kürzen vermag, muss die (meist dreiseitige) LKS-Seite ihrerseits gekürzt oder gar gestrichen werden. [Nur gut, dass es hier sowas nicht gibt! 😛 ] Von solchen verschriebenen Malheurs abgesehen, ist Michelle Stern als LKS-Tante Gestalterin des Johari-Fensters von den sowie zu den Fans – there and back again, deren wohl- oder misswollende Kommentierungen, Ideen, Vorschläge und Anregungen so ins Lesefenster fortzuführender Diskussionen gestellt werden. Wichtig! Ihre Beobachtung zur aktuellen Rückmeldungslage speziell bzgl. ATLANTIS:

Leider gibt es so wenige. Allgemein gibt es seit Kriegsausbruch in der Ukraine gefühlt weniger Rückmeldungen. Ob das aber wirklich ein Zusammenhang besteht, weiß ich nicht. Die Rückmeldungen, die eintrudeln, sind positiv mit kritischen Einschlägen.Michelle Stern im PROC-Interview zu ihrem ATLANTIS-Heftbeitrag

O und der anscheinend ernsthafte Grund, wieso sie jetzt erst eingestiegen ist – auf die Frage hin, ob sie etwa knapp bei Kasse gewesen sei:

Nein, eher umgekehrt. Es geht mir so gut, dass ich mir auch einen nicht so gut bezahlten Auftrag leisten kann. Das erlaubt mir etwas zu tun, was mir Freude macht. Natürlich wäre es schön, wenn das finanziell mehr gewürdigt werden könnte. Wenn Mini-Serien besser bezahlt werden würden, würde ich noch lieber mitmachen.Michelle Stern ebenda

Und ob sie sich für die ganze Handlung interessiere oder das Manuskript nur so runterschreibe, fragt RRR gestreng ab:

Mich interessiert die ganze Handlung, allerdings sehe ich das Projekt für mich nach dem Schreiben auch als abgeschlossen an. Ich höre mir in Ruhe die Hörbücher an und werde sie genießen.MS ebenda

Offen und ehrlich!

2. Die Handlungszeit!

Die Handlungszeit, sie ist nun klar und deutlich fixiert: dieses Heft spielt am 30. März des Jahres 8005 vor Christus. Die Genauigkeit des Datums, einem Kapitel vorangestellt, irritiert etwas, weil es zuvor diesbezüglich vage geblieben war. Schon in Heft 01 assoziierte (=wusste) Perry, dass es das Jahr 8005 v. Chr. sein müsse, was mir da noch zu unklar war. In der Annahme, da sei Atlan just aus dem Larsaf-System ins heiße kriegsgeschehen abgeflogen, aus dem er erst zwei Jahre später zurückkehren würde, hielte ich zeitlich das Jahr 8003v. Chr. genauso für realistisch.

Im ersten PROC-Interview erwähnte Expotarch BCH den PIN-Code 8005 jedoch auch, womit das im Grunde schon fix war. Nun aber die Präzisierung, die so nicht weiter aus der Handlung hervorgeht. Klar, wenn Perry auch nur einmal – Zeit genug dafür hatte er – ein arkonidisches Datum zu Gesicht bekommen hat, hat er das dank Wissen um die arkonidische Zeitrechnung flugs umrechnen können. Davon hörten wir so explizit bisher nichts. Nun gut – jetzt schon. D.h. auch, Atlans offizielle Rückkehr nach Atlantis ist immer noch gut anderthalb bis zwei Jahre hinkünftig. Wir sind inmitten eines so gut wie völlig unbeschriebenen Zeitfensters, das sich BCH schamlos zunutze gemacht hat:-) Bin gespannt, wie viel Handlungszeit wir hier noch verbringen – erst recht WANN wir mit Perry zeitzurück finden werden… Und wie, wo der Schrank durch die Zeit geschlossen ist.

3. Kritik der lesenden Vernunft


Umso erstaunlicher, dass ich ausgerechnet just den Beitrag einer so schreibfuchsig erfahrenen Autorin derart erstmals erzählperspektivisch und stilistisch kritisiere. Bis dato war ich mit ATLANTIS lesbar zufrieden, habe en masse an Assoziationspunkten ausgemacht und mich an vielerlei Detailschichten erfreut. Davon gibt es auch in diesem Heft genug – s.u. -, aber:…

Exkurs: individuelle Biografien inmitten kosmischer Weiten

Das Perryversum ist groß und die Handlung wird gerne kosmisch – unendliche Weiten, die sich da auftun und kosmologisch tiefer und tiefer gründen. Inmitten solcher sense of wonder-Verheißungen des Allergrößten treffen mich „biografische Heftromane“ zumeist auf völlig falschem Fuß. Man blickt in die Unendlichkeit von Raum und Zeit, ringt mit höheren und höchsten Mächten, sieht sich universellen Kräften ausgesetzt, um dann in endloser räsonierender Ausführlichkeit von den letztlich nichts als „menschlichen, allzu menschlichen“ Wehleidigkeiten und bedürfnisüberfrachteten Larmoyanzen dahergelaufener, versprengter unteilbar Unterworfener (=individueller Subjekte) lesen zu müssen. Ein bisschen aua hier, ein wenig Liebe dort und irgendwas hat auch nicht geklappt.

Das war jetzt ziemlich gemein formuliert, aber die Faustformel dahinter stimmt für mich schon: je weitreichender und tiefgründiger die Handlung des Zyklus in die Weiten des Perryversums hinausschreitet, desto fehlplatzierter erscheinen mir die nanoskopischen Beschränktheiten biografierender Dampfplauderer. Es geht ums Ganze, das Wohl und Weh ganzer Völker, Galaxien, woraufhin weniger als ein Sandkorn am Strand von nichts anderem als sich erzählt.

Das ist meine Irritation bezüglich des Settings, in dem es zu Biografien kommt. Auch und meist noch viel mehr erbost mich die dargebotene Erzählweise, die mir gar zu künstlich in aller Regel erscheint: inmitten mitreißender Handlung, die gipfelstürmt, wo es zutiefste Rätsel wundersam aufzulösen gilt, setzen wir uns für meist – immerhin nur – ein Heft in „die Oase der Redseligkeit“, wo unseren Helden – nie nur, aber schon sehr gerne Perry himself – die Lebensgeschichte gepredigt wird. Das aber nicht so, wie ich dir oder du mir einen Schwenk aus dem Leben erzähltest, sondern als wäre das Leben – in narrativ nur zu passenden Ausschnitten – wie in 3D Hologrammen dokumentiert. Die Erzählweise ist meist so, als wären wir mitten drin statt nur dabei, als wären wir in die Aufnahmen des Lebens hineingezogen, schauten einen gut produzierten Film. Manch Unterform gibt es, wo

  • nur im Pro- und Epilog der Zugetextete Atem holen und erste Gedanken zum Vernommenen auf Papier bringen darf (auf die sich die Leserschaft spekulationskaskadierend stürzt), dazwischen pausenlos in ausgesuchten Episoden das Leben von der Wiege bis zur Bahre ungefragt präsentiert wird;
  • ähnlich wie im hiesigen Roman zwischen den biografischen Episoden Pausen zum Durchatmen eingefügt sind, in denen erste Gedanken oder gar Rückfragen geäußert werden (dürfen);
  • oder ziemlich am Schlimmsten die Erzählung erfolgt, während es eigentlich gar keine Zeit zum Erzählen gibt. Weil man bspw. inmitten einer Hetzjagd ist und Erzähler*in und Zuhörer*in das Jagdvieh. Alternativ nimmt man sich auch die Zeit, während man belagert oder sonstwie zur Untätigkeit verdammt an einem Ort hockt. Das wäre ja okay, Dampf ablassen, nur dass auch dann die Erzählung nicht so formuliert wird, als wäre die Erzählperson gerade in Gefahr und von der Umgebung überwältigt.

Inkurs: zurück zu „Die Kralasenin“

Hier kommt Variante zwo zum Tragen, wobei das Setting Gefangenenbefragung wenigstens die Zeit lässt hierfür. Dennoch finde ich ganz fürchterlich, dass Rowenas Biografie von ihr in dritter Person, in Sie-Perspektive geschildert wird. Sie sitzt Perry gegenüber, der sie hierzu aufgefordert hat, um bekommt dann von der Arkonidin den Worten nach zwar eine Erzählung geboten, dem Erzählstil nach aber einen Bericht, als wäre sie nur halb beteiligt. Das kontrastiert umso schräger (für mich), da mehrere der Zwischenspiele und finales Kapitel auch aus Rowenas Sicht sind, jedoch in Ich-Perspektive! Das ist für mich genau falsch herum!

Erklären und nachvollziehen kann ich das zwar, mag es trotzdem so gar nicht. Die Ich-Perspektive fungiert hier genau dafür, wofür sie m.E. gedacht ist, worin ihre Stärken liegen: mitziehen, uns an die Seite der Ich-Person katapultieren, mit der wir uns sogleich persönlich verbunden fühlen, da wir ach so sehr in ihre Gedankenwelt eintauchen und quasi durch ihre Augen mitmachen. Und besagte Interludien und letztes Kapitel stehen ja auch mehrfach Spitz auf Knopf, ob Rowena Perry oder/und Caysey erschießt bzw. ob sie es inmitten feindlicher Station unbehelligt bis zur BEST HOPE schaffen. Die biografische Sie-Perspektive schafft wiederum Distanz, die formal freilich angesichts von 15 und noch viel mehr Jahren durchaus passend ist. Erst recht, da Rowena im Laufe dieser Zeit mehrere richtungsweisende Statuspassagen durchlaufen hat und am Ende einer jeden biografische Quantensprünge gemacht hat. Die Gegenwarts-Rowena, mit der Perry redet bzw. ihr zuhört, blickt auf buchstäblich alteregos von sich (mit der Wortspiel-Betonung auf Alter), die vergangen sind, mit der sie gefühlsmäßig nichts mehr zu tun hat. Zeiten, die sie überwunden hat, nachdem sie nicht nur die politische Seite wechselte, sondern nach langer Freiheitssuche erst an Atlans Seite ihren Platz gefunden hat. Allein ihr Leben vor Aktivierung des Extrasinns (und eigentlich auch eines fotografischen Gedächtnisses) muss erlebens- und erfahrungsgemäß für sie ein so derart anderes sein, als wäre es von einer Fremden, von der sie nur einen eindrücklichen 3D-Holofilm verfolgt hat. Demnach ist eine auf Distanz gehende Sie-Perspektive schon stilistisch gut durchdacht. ABER TROTZDEM DERART KÜNSTLICH, wenn Rowena Perry gegenübersitzt und von sich und keiner dritten Person redet. Ich bleibe perryversalen Biografien weiterhin auf Kriegsfuß – sorry.

4. Die Kralasenin

Eine gute Frage. Ich sehe es weniger als Biografie. Mich interessiert die Psychologie und wie Menschen oft genau das in ihr Leben ziehen, was sie fürchten oder ablehnen. Rowena will Unabhängigkeit und ein freies Leben. Sie hat Angst davor, ewig eine Gejagte oder Abhängige zu sein. Doch ihr handeln macht sie lange Zeit genau dazu. Auch die Darstellung einer Figur, die mit Sexualität wenig anfangen kann, fand ich interessant.MS ebenda – vom Blogautor erst nach seinen folgenden Worten gelesen

Trotz dieser grundsätzlichen Skepsis gegenüber individualisierter inmitten großrahmiger Erzählung war Rowenas Lebensgeschichte – in sehr selektiven Ausschnitten – prallvoll mit Informationen zu ihrer Person. Gleichzeitig aber auch zu arkonidischen Verhältnissen rund um die Usurpation Orbanaschols. Am Interessantesten, was mehrfach angesprochen wurde, wie in vielerlei Aspekten ihr Leben parallel zu dem Atlans verlaufen ist. Im Strudel der Usurpation von Arkon I geflohen und im Exil unter wohlwollender Aufsicht Konots (Konoths?) angeleitet, wächst sie entwurzelt auf. Klein-Atlan war seinerseits vom Bauchaufschneider seines Vaters Fartuloon gerettet und auf über 25.000 Lichtjahre von Arkon gelegenem Gortavor aufgezogen worden.
Doch statt dann wie Atlan in die Rebellion zu gehen, scheint sie der dunklen Seite der Macht zuzuneigen oder sie zumindest opportunistisch zu unterstützen. Erinnert ein wenig an die dritte Star Wars-Trilogie, nur dass die Rollen vertauscht sind, Rowena nicht wie Ray „dem Guten“ nachstrebt, sondern vermeintlichen Freiheiten wegen dem Sith-Lord-Äquivalent Orbanaschol und seinem Schergen Sofgart dienstbar wird.

Bis es dann zur fokussierten Verdichtung sich zuspitzender Handlung kommt, dem Duell zwischen Atlan als siegreichen Rebellen im Triumph über Orbanaschol und dem irrläufigen Beinahe-Gatten Rowenas. Auch recht starwarsig, auch wenn es nur Dagor-, keine Lichtschwerter gab. Durch ihr beherztes Eingreifen wider alle ‚Kameraden‘ gewinnt sie Atlan für sich und es kommt zu einer zwiefältigen Ich-Du-Verbundenheit (WDR5-PhiloRadio über Martin Buber und sein Hauptwerk „Ich und Du“, abrufbar bis 02.05.2023). Als Elternlose in biografischer Verlaufskurve leidvoll seelenverwandt, kompensiert offenkundig vor allem Rowena nachholend das Gefühl verlorener / nie gehabter Familie, indem sie in platonischer Liebe als Leibwächterin Atlans auftritt. Und das mit aller Vehemenz und ohne Kompromisse – latent überkompensierend.

Das ist alles sehr interessant, aber doch in erster Linie reaktiv und suchend, lange Zeit mehr ziellos als wirklich orientiert. Sie will Freiheit, weil sie die abgeschiedene Einsamkeit am Rande des Imperiums nicht länger aushält, als bedrückend, wie abgekapselt empfindet. Naiv vermeint sie, Freiheit von diesen Ketten der Einsamkeit in einer „Zwangsehe“ finden zu können – Hauptsache, sie kommt weg von dort. Doch als ihr minnevolle Liebe verheißt wird, prallt sie von dieser ab wie eine Rakete in falschem Winkel von der planetaren Atmosphäre. Auch und selbst Liebe, die unerwidert dann in reaktiven Hass umkippt, ist für sie einengend, zu viel des Guten, Zwang auf ganz andere Art und Weise.

Auch, weil sie schlicht nicht an aufdringlichen Körperkontakten interessiert ist – weder vom Ehemänneken in spe noch selbst in Form eines Abschiedskusses von allerbester Freundin Ilora. Sprich: Rowena ist asexuell! So nicht expliziert, dem Verhalten nach aber durch und durch genau das. Schön, aber erstaunlich, es just bei Perry Rhodan zu lesen. Egal in welcher Teilserie, das Perryversum ist in seiner verschriftlichten Form keine Lustgrube, kein Hort romantischer Sentimentalitäten, kein Papierbett ausgelebter Wolllüste. Es geht sexlos zu, bleibt sittsam, höchstens mal in Andeutung des noch Kommenden. Größte Ausnahme noch Atlan höchst selbst, ausgerechnet dem sie sich nun – sittsam – zu Füßen wirft. Gerüchte besagen, die Hälfte der Menschheit stamme von Atlan ab, nachdem er einmal auf Erden gestrandet war und als „einsamer Mann“ die Tage – und manch Frau – rumkriegen musste. Keine Zeitabenteuer-Geschichte ohne weibliche Begleitung und – eben nur angehauchte – Intimkontakte mit der Auserwählten auf Zeit. Man weiß aber doch immer, dass Mann Frau mag und will und diese unbedingt ihn. Rowena will keine*n, nur ihre unberührte Ruhe. Durch den zu frühen Tod ihrer Eltern eventuell ein unsicher-vermeidendes Bindungsverhalten, das sich im Erwachsenenalter dann nachempfindbar in dieser Art Distanzierung flüchtet, durch vorauseilende Vermeidung der unerträglichen Unsicherheit so entgeht. Meine Sympathie hat sie.

Das erklärt auch ihre anhaltende Reaktanz gegenüber ihrem Extrasinn, der sie doch nur beraten will – und m.E. weitgehend gut -, dem sie vorzugsweise aber trotzdem keine Aufmerksamkeit schenken mag. Und das, obwohl er doch Ausdruck und Statussymbol gelungener Integration in die arkonidische Highsociety ist. Nur Arkons Elite wird überhaupt zur Ark Summia zugelassen und vermag sie erfolgreich zu durchlaufen. Sie ist demnach angekommen, ist sozial reintegriert, wenn auch familiennamenlos mit stetem Makel. Ständischer Dünkel, bei dem es auf die Khasurn-Zugehörigkeit ankommt, um sich distinguieren zu können. Da reicht das formale Erlangen dieses „kulturellen Kapitals Ark Summia“ alleine nicht, da greifen dann noch ganz andere feine Unterschiede zur Abgrenzung von ansonsten Gleichen. Vermutlich gereicht ihre Asexualität ihr auch zum Nachteil, da sie alternativ oder/und komplementär nicht auch noch ihr – den Worten nach – ansehnliches „körperliches / sexuelles Kapital“ ‚einbringen‘ kann bzw. will. Doppelte Außenseiterin, während die anderen Familiennamen haben und ihre Körper juvenil leidenschaftlich einsetzen…

5. Isogames Coniugium da Ark

Dieses Kapitel ist so nerdfern vom eigentlichen Heft wie meine Sinnversuche über perryversale Sprachfamilien. Für mich diesmal vom größten Interesse die Heiratspraktiken da Ark, wie man im arkonidischen Imperium und speziell innerhalb des Hochadels zu heiraten pflegt.

Rowena sucht ihrerseits die, ihren Worten nach, „Zwangsehe“ als Ausweg aus gefühlter Einsamkeitsisolation. Doch weniger handelt es sich hierbei um eine faktische Zwangsheirat als vielmehr um eine „arrangierte Ehe“, von Dritten eingeleitet und eben arrangiert. Dass es kein Zwang sein kann, beweist Rowena (sich selbst), indem es ihr möglich ist, die Ehe noch vor ihrem Beginn per „Kristalledikt“ zu beenden. Interessant, auf welche Weise es in dieser Zeit üblich ist, einen Ehevertrag abzuschließen, für den sich ihr mikroparanoider Gockel jedoch solange nicht interessiert, bis ihm das diktierte Ergebnis doch … missfällt. In den drei Tagen zuvor umgarnt er sie so sehr, dass sie diese aufdringliche Art der minnelichen Liebesbekundungen richtiggehend abstößt. Hätte er es doch beim gesitteten, kiltgängigen Fensterln belassen und ihr formvollendet mit gebotener Distanz nur ein paar Liebespoeme vorgetragen.

Exkurs: Arkonidischer Adelsstand – fein unterschieden

Bevor es weitergeht, zunächst zur Orientierung, wie weitläufig sich Arkons Adel ausdifferenziert hat und so eine – soziologisch gesprochen – Ständegesellschaft traditionsbewusster Fasson ausgebildet hat. Ergo gibt es auch nichtadlige Arkoniden, blaublütig verächtlich „Essoya“ genannt, benannt nach einer grünen Blätterfrucht, die in adligen Augen nicht viel wert ist. Etwa 10 Prozent der Bevölkerung gehören dem Adel an. In der Übersicht der drei Adelsstände, die sich jeweils in drei bis sechs Ränge unterteilen, sieht das so aus:

  1. Hochadel (satr.: Thi-Khasurn) – Edle Erster Klasse (Herzöge, Fürsten)
    • Anrede: Zhdopanda (Hochedle, Hochedler), Ausnahme: der Imperator als Zhdopanthi (Höchstedler)
    • Lehen (Fürsten- und Herzogtum): Selten nur Ländereien auf sehr vielen Planeten, maximal bis zu hundert und mehr Sonnensysteme
    • Präfixe: ta, ma, agh:
    • Ta-moas – Hochedler Erster Klasse (Erzherzog)
    • Ma-moas – Hochedler Erster Klasse
    • Agh-moas – Hochedler Erster Klasse
    • Ta-len – Hochedler Zweiter Klasse
    • Ma-len – Hochedler Zweiter Klasse
    • Agh-len – Hochedler Zweiter Klasse
    • Ta-tiga – Hochedler Dritter Klasse
    • Ma-tiga – Hochedler Dritter Klasse
    • Agh-tiga – Hochedler Dritter Klasse
  2. Mittlerer Adel (satr.: Tai-Khasurn) – Edle Zweiter Klasse (Grafen)
    • Anrede: Zhdopandel (Edle, Edler)
    • Lehen (Grafschaft): Von großen Ländereien auf vielen Planeten bis zu fünfzig Sonnensystemen
    • Präfixe: de, del, dom:
    • De-moas – Edler Erster Klasse (Reichsgraf)
    • Del-moas – Edler Erster Klasse
    • Dom-moas – Edler Erster Klasse
    • De-len – Edler Zweiter Klasse
    • Del-len – Edler Zweiter Klasse
    • Dom-len – Edler Zweiter Klasse
    • De-tiga – Edler Dritter Klasse
    • Del-tiga – Edler Dritter Klasse
    • Dom-tiga – Edler Dritter Klasse
  3. Unterer Adel (satr.: Kator-Khasurn) – Edle Dritter Klasse (Barone, Ritter)
    • Anrede: Zhdopan (Erhabene(r), Hohe(r), Erlauchte(r))
    • Lehen (Baronie): Häufig nur Ländereien auf einem oder mehreren Planeten oder bis zu fünf Sonnensysteme
    • Präfixe: nert, ter, on:
    • Nert-moas – Erhabener Erster Klasse
    • Ter-moas – Erhabener Erster Klasse
    • On-moas – Erhabener Erster Klasse
    • Nert-len – Erhabener Zweiter Klasse
    • Ter-len – Erhabener Zweiter Klasse
    • On-len – Erhabener Zweiter Klasse
    • Nert-tiga – Erhabener Dritter Klasse
    • Ter-tiga – Erhabener Dritter Klasse
    • On-tiga – Erhabener Dritter Klasse
    • Nert-lenim – Erhabener Vierter Klasse
    • Ter-lenim – Erhabener Vierter Klasse
    • On-lenim – Erhabener Vierter Klasse
    • Ter-wes – Erhabener Fünfter Klasse
    • On-wes – Erhabener Fünfter Klasse
    • Ter-tharg – Erhabener Sechster Klasse
    • On-tharg – Erhabener Sechster Klasse

Der Perrypedia über „Arkoniden“ entnommen

Inkurs zurück

Obwohl die Gonozal in Ungnade gefallen sind, zählen sie wie wenige andere Khasurn (Ark.: Geschlechter/Familien) unzweifelhaft zum Hochadel Arkons. Daher könnte man denken, in der Amtszeit Orbanaschols mit einer Gonozal eine Ehe einzugehen, wäre eine Mesalliance =Missheirat – eine Heirat unterhalb des eigenen Standes, eben mit Ausgestoßenen, Verachteten. Doch anscheinend ist es sehr wohl im Sinne des Usurpators, die doch noch lebenden Gonozal in ‚trockene Tücher‘ zu bringen, um sie so unter der Aufsicht und Kontrolle ihm genehmer, wenn nicht widerspruchslos ergebener Khasurn zu haben. Als „Heirater“ hat er ausgerechnet Sofgart, Ersten unter den Bluthunden hierfür ausgeschickt, das Paar zusammenzuführen. Ob und welches Schmusergeld aka welche Mitgift es da wohl gegeben hat?

Vielmehr ist festzuhalten, dass der Adel je nach Rang (hoch, mittel, unten) standesbewusst heiratet und zwar bevorzugt isogam, also in Form einer „Gleichgestelltenheirat“. Man bleibt unter sich, Hochadel heiratet Hochadel. Anders wäre es eben auch besagte Missheirat zu Ungunsten der höhergestellten Partei. Ebenfalls kann man an diesem Beispiel beobachten, wohin geheiratet wird. Nämlich entweder

  • exogam, wobei Exogamie „Außenheirat“ meint. Dieser Heiratsvektor lässt eine*n Partner*in außerhalb der eigenen sozialen Gruppe, Gemeinschaft oder sozialen Kategorie suchen; oder
  • endogam (Innenheirat), also innerhalb des eigenen sozialen Raumes.

So heiratet Rowenas verkannter Minnemann nicht innerhalb seines Khasurn, der vermutlich mehrere Hundert bis Tausend Arkoniden umfasst. Hier wären Ehen mit Cousinen oder Witwen von Cousins entfernterer Grade sicherlich – endogam – möglich gewesen. Um es zu verwirren: Die Heirat wäre sowohl endo- wie exogam geworden. Endogam bezogen auf den Stand, nämlich innerhalb des Hochadels; exogam, weil außerhalb des eigenen Khasurn. So sehr er ihr danach auch ans Leben gehen will, so wenig wird sie seitens Sofgart sanktioniert. Demnach sind Verzicht und genauso wohl auch Scheidungen möglich. Das lässt vermuten, dass besagte isogame Coniugien (Lat.: Heiraten / Verbindungen) nicht fest und fix vorgeschrieben (präskriptiv), sondern doch nur anempfohlen und bevorzugt (präferentiell) sind.

Und um abschließend noch ein paar Worte zum Vergewaltigungsversuch zu sagen, der ebenso wenig Sanktionen nach sich zieht: insofern die mittelalterlich anmutende Standesgesellschaft Arkons auch in weiteren Aspekten traditional geblieben ist, wäre die eheherrliche Gewaltanwendung so juristisch einzuteilen – nach

  1. “Potestas“, der legitimen, innerhalb allgemein anerkannter Norm ausgeübten Gewalt wie Ohrfeigen oder Maulschellen sowie
  2. “Violentia“, der über diese Norm hinausgehenden, körperlichen Gewalt; diese wiederum zu präzisieren wäre in
    • “Saevitien“, tätliche Misshandlungen sowie
    • “Insidien“, Taten und Äußerungen, die das Leben des Opfers bedrohen.

Ganz klar reden wir beim – zum Glück misslungenen – Versuch von Violentia, wobei man noch mit maximalem Wohlwollen nur von Saevitien sprechen könnte. Ich neige jedoch standrechtlich zu Insidien! Angesichts dessen, wie es Rowena vorausschauend richtig gemacht hat: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“!

Michelle Stern kommentiert es im Übrigen pointiert so:

So wie früher in den Adelshäusern auch. Es geht um Machterhalt und Machterweiterung. Einer will etwas vom anderen und bietet eine Ehe an oder arrangiert sie. Im Übrigen war es ja nicht Rowenas Mentor. Die Adelsfamilie wollte das so. Es war ein Angebot, um Rowena in gewisser Weise durch Imperatorentreue unschädlich zu machen und sich ihr Elternhaus anzueignen.Michelle Stern prägnant im PROC-Interview

6. Die Geister der Jugend


Auch wenn es während Rowenas biografischer Erzählung meist nur Kulisse ist, so eine doch bedeutsame: sie wächst auf just in DER ZEIT, die für Atlan, der gut 5 Jahre älter sein dürfte, so entscheidend war. In Heftromanen ausführlich erzählt und zwar im Großzyklus Der Held von Arkon der Atlan-Serie; Handlungszeit 8024-8020 v. Chr.; Hefte 88-299. Zum Teil gestrafft wiederveröffentlicht in den Hardcovern der Atlan-Blaubände des sog. „Der Kristallprinz“-Zyklus. Mehrfach in Unterzyklen gegliedert, umfasst die Erzählung von Atlans Jugendjahren die Bände 17 bis 45. Letzterer mit dem Titel „Vorstoß der Rebellen“, wo Rebell Atlan bis in den Kristallpalast vorstößt und dort Orbanaschol besiegen kann. Das ursprüngliche Heft dieses Finales heißt (und ist wie besagter Blauband separat als eBook erhältlich) 299 „Orbanaschols Ende: Eine neue Ära beginnt – und ein langer Traum geht zu Ende“ – Handlungsjahr 8020 v. Chr. Das ist also genau dann, wenn ihrerseits Rowena als Kralasenin Orbanaschols zu seiner Verteidigung und zu seinem Schutz ausrückt, um sich dann jedoch dem siegreichen Atlan anzuschließen. Je nach Perspektive gewiss Wendehälsigkeit wie ein Fähnchen im Wind der Sieger. Wenn alle Daten so stimmen, dann ereignete sich dies 15 Jahre vor ATLANTIS – seither ist sie Atlan als seine persönliche, eben „Die Kralasenin“ treu ergeben.

Und der Blinde Sofgart, der hier irgendwie ziemlich verhalten auftritt und noch verhaltener auf einmal einfach weg (tot) ist, war mehr noch als Orbanaschol sein ‚praktischer Feind‘. Mit Sofgart und mit dessen – allerdings ziemlich tumb und schlägertyp gezeichneten – Kralasenen hatte Atlan es mehrfach zu tun und es ging jeweils um Leben und Tod. Und die Kralasenen-Welt Ganberaan, die im ATLANTIS-Roman als nahezu ehrenwerte Ausbildungswelt für eine glanzvolle Elite hochstilisiert wird, galt für Rebell Atlan eher als Hort der Folter, Unterdrückung und Brutstätte für brutalste Schlägertruppen des Tyrannen Orbanaschol. Wie sich ganze Welten in der Perspektive ändern können… Spannend, wie Rowena in diese wilden Jugend- und Jungerwachsenentage Atlans hineingewoben worden ist. Sie war an Orten, die auch ihm wichtig wurden, sie hatte Kontakt zu Menschen, die auch er nur zu gut kannte. In so vielen Tangentenpunkten berühren sich deren Biografien, aber – wenn man so will – stets mit gänzlich anderem Vorzeichen: bei ihm alles vorgezeichnet, von Fartuloon nur zu zielsicher angeleitet. Die Wiedergewinnung des Kristallthrones das ultimate Ziel von allem, Atlan im Zentrum aller Bemühungen. Demgegenüber Rowena auf der Suche nach Freiheit, die sie stets in nächstneue Unfreiheiten stolpern lässt, denen sie sich auf verbogene Weise hingibt in der Hoffnung, über dieses Trittbrett dann doch noch frei zu kommen. Und am Ende führen beide biografische Lebenslinien zusammen und laufen seit zumindest 15 Jahren parallel.

7. Von Kriegsfeindschaft zum Nadelöhr des Überlebens


Da hatte ich mich zitatreich über das Zweckbündnis zwischen Maahks und Atlan irritiert gezeigt, um jetzt einiges an Aufklärung präsentiert zu bekommen. Nach alten Zitaten schien es mir seitens Atlans keinerlei Spielraum für so etwas gegeben zu haben. Das Ganze ging folglich auch nicht von Atlan aus, sondern von Greg3475 – in den Militärs dieser Welt liebevoll auch als „Schütze Arsch“ bezeichnet. Hinterster der Letzten in der Befehlskette, der dem Erzfeind als Lockwurm für den Greifvogel vorgesetzt wird, um eine ‚diplomatische Brücke‘ zu schlagen. Die Initiative geht also von den Maahks aus. Den Maahks? Nein, ganz im Gegenteil: eine zahlenmäßig kaum erwähnenswerte Untergruppierung, die inmitten heißen Krieges m.E. nichts anderes macht als Hochverrat zu begehen. Neutraler gesagt: sie whisteblowen, nur dass es nicht bei bloßen Informationen bleibt.

Während Greg3475 also nicht der namhafteste seines Volkes ist, ist Geektor das entgegen aller Gepflogenheiten sehr wohl – nämlich wortwörtlich namhaft. Das ist außergewöhnlich in Reihen militärischer Hierarchie und erst recht gegenüber Nichtmaahks. Deucht mir ein ungemeiner Vertrauensvorschuss zu sein, dass Geektor seinen Namen offenbart. Andererseits verschleiert er so seinen Rang im Gefüge, der anhand der Bezifferung für alle ablesbar ist. So oder so schert er aus der Reihe des obersten Militärs aus und will sich nicht am galaktischen Massenmord beteiligen. Das jedoch nicht aus Nächstenliebe dem Feind gegenüber, sondern aus Sorge um sein Volk. So eierlegend exponentiell vermehrungsfreudig Maahks auch sind, die Zigmilliarden Opfer, die es durchs Zünden des Talagon gäbe, wären auch für Maahks verheerend und maßlos weit über allen Kriegsgräueln. BTW: Star Trek DISCOVERY-Staffel2 und deren vieldiskutierte Überhöhung des verhandelten Problems: Auch dort – durch irrläufige KI CONTROL – drohte freilich nichts Geringeres als die totale Auslöschung aller, zunächst innerhalb der Galaxis, dann ggf. unaufhaltsam universumsweit. Anstelle von fehlprogrammierten und -datengefütterten CONTROL haben wir es hier mit dem Talagon (s.u.) zu tun, dessen genozidales Verwüstungspotenzial unermesslich ist.

Im Heft mir zu lakonisch kurzgefasst und drüber hinweggegangen: ich kann Geektors „Logik“ nicht verstehen: er könne das Talagon nicht vernichten, obwohl man seitens der Maahks ziemlich sicher um den Weg dorthin weiß, weil er damit einem Befehl widerhandeln würde bzw. es nur auf Befehl könne. Nachdem er also

  • Hochverrat beging, mit dem Erzfeind des Volkes konspiriert,
  • ihn gar auf ggf. den Flottenstützpunkt der Maahks schlechthin in diesen Tagen holt,
  • diesem Feind freimütig das Talagon-Original aushändigt,
  • nachdem er eigenmächtig die Militärführung mittels eines Duplikats in die Irre geführt hat,
  • sprich, OHNE Befehl, auf eigene initiale Anmaßung hin täuschte, hinterging, verriet,

kann er angeblich den letzten Schritt nicht selber gehen, einen von Zigmilliarden Maahks opfern, um das Talagon zu vernichten, die Gefahr aus der Welt zu schaffen? Kann ich nicht nachvollziehen, zumindest nicht intradiegetisch, aus der Handlung heraus und den Logiken der Handelnden.

Extradiegetisch hingegen sonnenklar: würde Geektor auch den letzten Schritt selber gehen, wäre die Gefahr aus der Welt, bevor je jemand davon auch nur gehört hätte. Es bedarf also eines narrativen Tricks, um Atlan „ins Boot zu holen“, ihn an die fixe Idee einer genozidalen Bedrohung zu fesseln. Die Maahks haben das Problem – bildlich: das Leck – zwar ins Boot geholt, können aber „aus Gründen“ es nicht abdichten, wozu nur der eine Einzige in der Lage ist. Nur der Kristallprinz, hier noch designierte Nachfolger seines Oheims Imperator Gonozal VII. kann hierfür herangezogen, ins Vertrauen gezogen und ins Komplott involviert werden. HM! NOCH(!) mehr gewollt und gesollt, als für mich schon konstruktiv gekonnt. Betonung auf „NOCH“, da sich hier gewiss noch Relevantes ergeben mag. Zumindest wissen wir nun, wieso, auf welchen Anlass hin es zum „Pakt der Erzfeinde“ hat kommen können.

Und all das auf Galkorrax, (einer) der Maahk-Stützpunktwelten, wie es klingt. So nur möglich, weil man die Arkoniden als Kriegsgefangene vorführt und uneingeweihten, nichtkonspirativen Maahks gegenüber diese Schau inszeniert. Ein Grund mehr, wie man da nicht an Geektors Logik zweifeln kann. Wehe dem, die Lage kippt (ggf. schon im Folgeband) und die übrigen, erzfeindschaftlichen Maahks werden den Hintertrieben gewahr und beginnen mit der Hatz gegen Atlans und Geektors Leute…

8. Das Meta des Talagon


Nun ist es amtlich: das Talagon gemahnte zwar in Größe und Tragweise an Zellaktivatoren alter Prägung, verhilft dem Träger jedoch nicht zu relativer Unsterblichkeit, sondern dem vielbelebten Spiralarm der Galaxis zum ultimativem Genozid. Zwar noch unklar, ob „nur“ Arkoniden und Maahks betroffen wären, ob nicht vielmehr alle (raumfahrenden?) Intelligenzwesen daran glauben müssten oder gar das Leben an sich geopfert würde. Letzteres wäre der totale Biozid – und dann wohl kaum nur dieses einen Spiralarms, außer man hätte das Talagon in der Reichweite irgendwie diesbezüglich geeicht. Wenn es gezündet würde, nähme es mutmaßlich auch das Leben in den übrigen Quadranten mit sich in den Tod. Zur Erinnerung: Das Tai Ark’Tussan (Link zur Karte beim PR-Sternenatlas.de) erstreckt sich mit dem Larsaf-System an seinen ausfransenden Rändern „nur“ im Nordwest-Quadranten der Galaxis und ist damit streng genommen gar kein galaktisches, die Galaxis umspannendes Imperium wie das Große Tamanium der Lemurer.

Ob sich die „Talagon-Katastrophe“ wirklich nur hier im galaktischen „Nordwesten“ ereignet hätte oder um sich greifen würde, ist eine entscheidende Frage. Gut, die Antwort kennen wir – zweiundvierzig aka nein, nachzulesen ab Heft 0001 der fortlaufenden Perry Rhodan-Erstauflage;-) Nichts ist hochgegangen – SPOILER. Wäre es das aber, dann ist besagtes Larsaf- aka spätere Sol-System im Südwest-Quadranten quasi nebenan und dringend mitbetroffen. „Gegenüber“ von Arkons methanbekriegten Wildnordwest befinden sich im Nordost-Quadranten namhafteste Welten wie Apas, Halut oder Trakarat. Erstere eine der Welten des Zweiten Imperiums, das ab 2326 n. Chr. nach und nach von den Terranern „entdeckte“ Imperium der Jülziish aka Blues in
der Eastside der Galaxis.

Wer kann ein Interesse haben, hier einzugreifen? Und das auf Seiten der Maahks, egal wie hoch deren eigene Opfer wären? Im Gegensatz zu den niedrigen Reproduktionsraten individualistisch gesinnter Arkoniden könnten die Maahks diesen Todesschock trotz allem ziemlich sicher durch- und letztlich überstehen. Ja sie wären bei aller genozidalen Grausamkeit mutmaßlich die Gewinner des Ganzen. Doch wer will das? Erst recht ob des Treppenwitzes der Geschichte, der in wenigen Handlungsjahren folgen wird: 8002 v. Chr., also in etwa drei Handlungsjahren, wird mit Maahks paktierender Atlan die die Konstruktionsunterlagen für die sog. Konverterkanone (nebst einem Zellaktivator besagter alter Prägung) ausgehändigt bekommen, womit wiederum die Arkoniden die Maahks nicht genozidieren, aber gegen ihren Erzfeind zur Zeitenwende blasen können. Nach jetzigem Kenntnisstand wird Atlan erst den Matchball gegen die Arkoniden (und evtl. das Leben an sich) abwehren, um dann den Gegenschlag einzuleiten, der wiederum die Maahks in die Flucht treibt. Erhalten wird Atlan beides von ES, dem Unsterblichen von Wanderer, der Superintelligenz, die v.a. die Milchstraße zum Kern ihrer sog. „Mächtigkeitsballung“ auserwählt hat. Doch wenn ES all das in Kürze in Atlans Hände legen wird und der Zeitverlauf dann pfadabhängig diesen Weg genommen haben wird, ja wer arbeitet dem denn hier und jetzt fundamental entgegen???

Schon nach Omen 4 im ersten Heft assoziierte ich das auf Larsaf III. zufliegende Schiff und die Personen an Bord sogleich mit höheren Mächten. Eventuell eine Kobaltblaue Walze der Kosmokraten??? Hüter, Verwalter und Bewahrer der Ordnung im Kosmos, einschließlich der Verbreitung und Förderung des Lebens. JA ABER – das sind doch „die Guten“!? Nur je nach Perspektive. Wirklich „Gute“ besäßen keine Galaxienzünder: „Er zerstört das Gravitationsgefüge der betroffenen Galaxie. Dadurch löst sich die Galaxie auf. Der Großteil der Materie wird zudem in einen energetischen Plasmazustand umgewandelt.“ „Gravitationsgefüge“ klingt doch recht passend, auf diese Weise, entlang von Gravitationslinien soll sich das Talagon ja auch auswirken – soweit die Maahks aka Geektor wissen. Doch geht es hier ja um die galaktische Materie als solche, nicht um das sich planetar ballende Leben der Galaxis. Schon gar nicht sind damit schrotschussgezielt bestimmte Völker wie die Arkoniden anvisierbar. Davon ab: so ein Galaxienzünder wird mit Großraumschiffen transportiert, ist nichts für die Brust- oder Westentasche.

Dann vielleicht die Gegenspieler der (guten) Kosmokraten, die hier eingreifen? Die (bösen?) Chaotarchen. Die hätten da auch eine Waffe auf Lager, die dem Wirkprofil des Talagon entspräche: Nekrophore, die gleich einer Amphore den Tod mit sich führt: „gelagert wird. Die Fässer sind 15 m lang und haben einen Durchmesser von acht Metern. Die Wandung hat durchgehend eine Dicke von 0,5 m. Auf den planen Deckflächen sind hunderte von Kreisen abgebildet, die aus kleinen roten Punkten bestehen und sich gegenseitig durchdringen. Dieses Muster löst bei jedem Intelligenzwesen, ungeachtet des geistigen Profils, die Assoziation der Teilchenbewegung in einem Gas aus. “ Die „Nukleotide Pest“ ergießt sich nach dem Öffnen einer Nekrophore als massenhafte „Biozide“ über das Leben. Minimale Restbestände haben verschwindende Restchancen das zu überleben. Nur ist das eigentlich keine spezieselle (spezies-spezielle) Waffe, sondern wirkt auf (nahezu) alles tödlich ein, das lebt und auf das es trifft. Doch auch Nekrophoren sind nichts zum Herumtragen. Und geöffnet werden sie auch nicht irgendwo mal so, sondern an perryversal geheimnisvollen Orten, nämlich inmitten eines sog. Kosmonukleotids. Das Perryversum ist analog zur Doppelhelix der lebewesenden DNA vom Moralischen Code (Kosmokraten-Sprech) durchzogen. Die Vorlesung zur Kosmologie erspare ich uns. Spannend ja, aber schwer – auch noch verständlich – zu ordnen und vorzutragen. Nur dass Chaotarchen in dieser Zeit nach der Milchstraße gegriffen hätten, ist neu. Das werden sie einst getan haben – so in 15.000 Jahren pi mal Daumen. Ein erster Anschlag jetzt schon?

Vielmehr erahne ich, dass das Talagon keine ausgewachsene Nekrophore ist und der Größe nach sein kann, aber vielleicht dennoch ein paar „Biozide“ enthält. Die würden reichen, wenn man – als Expotarch durch Corona mental infiziert – diese quasi ‚viralisiert‘ hätte, so dass auch schon wenige sich exponentiell rasend auszubreiten vermögen.

Aber all das wäre echt kosmisch höchste Schublade und bisher weit über den Erzählrahmen der Miniserien hinaus. Rätselhaft für mich auch die – in der Zusammenfassung unerwähnte – schnelle Eingreiftruppe besagten Omen4-Schiffes. Graue Herren, die dem armen Quartam nicht nur Zeit stehlen, sondern offenbar sogar sein Leben:-( Ich habe sie nicht wiedererkannt, wüsste nicht, worauf deren tristgrauer Look hindeuten könnte. In jedem Fall wollen sie den Zeittransmitter zerstören (oder haben es bereits) bzw. Quartam an dessen Reparatur nachhaltig hindern. Warum? Wozu? Damit halten sie doch brandgefährlichen Perry in der Zeit, der bekanntermaßen noch allen höheren Wesen ärger gemacht hat. EIGENTOR! Wenn sie ihn zerstört wissen wollen, haben sie ihn mutmaßlich nicht installiert oder/und zeitjustiert. Noch eine weitere Zeitmacht, die mitspielt? Ringt da vielleicht ES gegen ANTI-ES??? ES und ANTI-ES sind der/die/das Dr. Jekyll und Mr. Hyde des Perryversums – eine lange Zeit noch so superintelligente, aber gespaltene Persönlichkeit. Liegen die im Zwist? Ja, aber für die Terraner erfahrbar erst ab 3456 n. Chr., erst dann sie ins sog. Kosmische Schachspiel beider Entitäten verwickelt werden. Über 11000 Jahre hinkünftig.

Und die Zerstörung des Talagon – das wissen die Maahks ziemlich genau – ist nur hinter dem Ereignishorizont eines Schwarzen Loches möglich. Wie space-romantisch! Aber auch zermalmend gravotödlich. Aber mehr Singularität ist nicht möglich – eigentlich doch Sehnsuchtsziel von Angehörigen einer Gesellschaft der Singularitäten… Im Ernst: Woher will man das wissen? Oder wer, der das Talagon zwecks Zerstörung ausgehändigt hat, hätte diese Entsorgungsanleitung gleich mitgeliefert? VORERST etwas konstruiert, um es auf ein Zyklusfinale dramaturgisch geschickt hinzuführen. Und welches Schwarze Loch mag es sein? Etwa Singularität 77/3 – Eldhoverds Endlosigkeit???>

9. Summa summarum


Fundamentales Gemäkel wie noch nie zu ATLANTIS. Und kann dieses Posting dennoch von mir sein? Ich beschwerte mich doch gar nicht larmoyant über narratoferente Technik wie allen voran dauerbefingerte Hologramme. Dann muss es doch ein Bot sein, der mich hier bloß zu imitieren versucht. Keine Panik! Das Heft hat diese Art kritischer Beobachtung einfach nicht hergegeben. Mir ist nichts hierzu aufgefallen. Dafür diesseits der Realität, wo es hologrammierter zugeht denn je: jetzt soll ein Hologramm schon auf seine Umgebung reagieren und ergo dynamisch statt nur statisch anzeigen können. Wenn es das gegenwärtig schon gibt, müssen es auch 10.000 Jahre zuvor hyperraumfahrtbetreibende Arkoniden haben – erfahrungsklare Sache.

Zum Heft „Die Kralasenin“: nicht mein Erzählkonstrukt, wie ausführlich dargelegt. Davon ab aber reich an Hindeutungen, Hinweisen, manch eingeschlagenen Pflock. Und Rowena ist mir sogar sympathisch und hat mein biografisches Mitgefühl. Hier dann auch die ultimative Prognose, wie es endet: denn nicht mit Atlans Opfergang; auch nicht durch alten Tarts, so sehr er es für Atlan und die Sache gewiss würde. Beide leben – Atlan sowieso unaufhaltsam, Tarts aber noch bis kurz vor dem Untergang von Atlantis, also noch rund 5 Jahre lang (Heft 60 & 70). Rowena opfert sich! Momentan sonnenklar, GERADE WEGEN DER BIOGRAFIE! Man inszeniert ja nur so seitenraubend halbheftig, wenn die Fallhöhe der Sympathie gnadenlos für den Fall ausgenutzt wird. Erst die Leiter hinstellen, um sie dann expograusam umzustoßen und im PROC-Interview dann noch Trauer vortäuschen 😛 So läuft das, jawohl! Eh ohne Familie und durch Perry der zukunftsweisenden Bedeutsamkeit und Wichtigkeit Atlans voll bewusst geworden, wird Rowena ihr – aus ihrer Sicht verpfuschtes – Leben zum Erhalt des Lebens aller hingeben! Umso bitterer, da sie mit Atlan die einzige intensive Ich-Du-Beziehung ihres Lebens geführt hat.

Kolumbus Erbe – von Austausch, Angleichung und Imperialismus

Hallo Mitwelt!

Heute ein Lesetipp! Wobei nicht nur: auch ein Sofortkauftipp, eine dringende Leseempfehlung per Kauf. Und zwar des eBook zum Print-Exemplar. Es geht mir eindringlich um Charles C. Mann, Autor von „Amerika vor Kolumbus. Die Geschichte eines unentdeckten Kontinents“. Das hat ihn bereits berühmt gemacht oder sollte es. Hier erzählt er die Geschichte des Kontinents, seiner Flora und Fauna und menschlichen Ureinwohner, bevor Kolumbus auf der Suche nach Indien (und missionierbaren Absatzmärkten) dort anlandet, damit die (erste) Globalisierung lostritt und unchristlich massenhaft Leid über die „neue Welt“ bringt. Das zu lesen ist auch anzuraten und wäre genau genommen sogar als Präludium nur zu empfehlen. Dann wüsste man um die vielfältigen Verhältnisse auf „Prä-Amerika“, das noch nicht von Amerigo Vespucci als ‚Nicht-Indien‘ und eigener Kontinent erkannt und später nach ihm benannt worden war.

Ich möchte ins Schaufenster gehaltvoller und bereichernder Lektüre den Folgeband stellen: „Kolumbus‘ Erbe. Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen“ (Originaltitel „1493: Uncovering the New World Columbus Created“ – erschienen 2011). Während das Print stolze 36€ kostet, bei über 800 Seiten und detailtiefenschärfstem Inhalt auch so viel kosten darf, gibt es momentan UND BIS ZUM 31.05.2022 das eBook für nur 4,99€, also weniger als einem Siebentel des Printpreises. Jenseits des großen A-Schlundes ist es allerdings nur als seitenzahlloses epub erhältlich, was schade ist.

Doch worum geht es und wieso empfehle ich es so ausdrücklich? Charles C. Mann hat eine furiose, lesenswerteste, detailreichste Umweltgeschichte der anbrechenden Zeiten geschrieben, die mit Kolumbus‘ „Entdeckung“ losgetreten wurden. Das „Erbe“, das er uns dadurch hinterlassen hat und worum es Mann geht, ist jedoch keines einer Abenteuergeschichte zäher mittelalter weißer Männer und deren Gold- und Silberfunde. Das Erbe ist hier als ein ökologisches gemeint und betrifft transkontinental Amerika wie Europa, schließlich die ganze Welt. Der Sockel der Beobachtungen lässt sich anhand dreier Kernbegriffe des Buches begreifen:

  • Columbian Exchange – Kolumbianischer/Kolumbischer Austausch, womit gemeint ist, dass mit der Anlandung von Kolumbus ein sukzessiver Austausch (exchange) der durch den Atlantik getrennten Ökosysteme Europas und des karibischen, später auch restlichen Amerikas eingesetzt hat. Die seit Zeiten der Dinosaurier getrennten Landmassen und dort voneinander weitestgehend isoliert vor sich hinlebenden Getiere und Pflanzen wurden nun zwangsweise aufeinander geprallt. Das wird einen eigenen Beitrag wert sein, aber nur so viel: hier kann man noch fein unterscheiden, ob so ein Austausch gezielt stattfand, wie im Falle von sog. „Nutzpflanzen“ wie Kartoffeln, Mais, Tomaten, Paprika usw. Oder ob er sich hinterrücks und ungesehen, vor allem aber unintendiert vollzog, wenn zum Beispiel Ratten und sonstiges „Ungeziefer“ mit den Schiffen den Ozean überquerten und als invasive Arten mit den Conquistadores in Amerika einfielen.
  • Homogenozän: nicht noch im Holo- oder schon im Anthropozän leben wir seit Kolumbus‘ Anlandung, sondern im Homogenozän. Aus dem Altgriechischen geborgt bedeutet der sperrige Ausdruck „das gleichmachende Neue“ und steht damit für den Homogenisierungsprozess, der mit besagtem Kolumbischen Austausch Fahrt aufgenommen hat. Es erfolgte im Zuge dessen eine zunehmende Angleichung (Homogenisierung) der Floren und Faunen der Kontinente, was ein völlig Neues ergeben hat, wie wir es als Menschen so noch nie (vorgefunden) hatten. „Selbst ist der Mensch“, „was noch nicht ist, kann ja noch werden“ – die Sinnsprüche hierbei.
  • Ökologischer Imperialismus: „Der Begriff „ökologischer Imperialismus“ wurde 1986 von Alfred W. Crosby in seinem Buch Ecological Imperialism: The Biological Expansion of Europe, 900-1900 geprägt. Darin vertritt Crosby die These, dass die europäische Kolonisierung Amerikas vornehmlich mit ökologischen Faktoren wie eingeschleppten Krankheiten und mitgebrachten Tier- und Pflanzenarten einherging und nicht, wie häufig zu lesen, vor allem auf überlegene Waffen oder Technologie zurückzuführen ist.“ (Zit. n. Wikipedia) Es gibt über Crosby hinaus noch weitere Ausdeutungen desselben Begriffs, die hier aber außen vor bleiben.

Und damit wäre Manns Pate, auf den er sich vor allem zu Beginn seines Buchs „Kolumbus‘ Erbe“ andächtig und mit größter Anerkennung bezieht, genannt: Alfred W. Crosby (1931-2018). Historiker seines Amtes, der mit „The Columbian Exchange. Biological and Cultural Consequences of 1492“ (bereits von 1972) sowie „Ecological Imperialism: The Biological Expansion of Europe, 900-1900“ (1986/1993/2004) die beiden Werke und Begriffe vorarbeitete und prägte, auf die auch Mann baut. Crosby hat sich mit diesen beiden Streichen den Rang des global blickenden Umwelthistorikers erschrieben, der noch vor dem Boom der neoliberalisierten Globalisierung der schrankenlos anmutenden 1990er Jahre die wahren Tiefenstrukturen globalisierender Prozesse herausgearbeitet hat. Crosby wie Mann geht es dabei stets jedoch um die – von mir mal so frech bezeichnete – „grüne Infrastruktur“ dieser Globalisierung, auf die meist unbewusst, zuallermeist nebenher aufgebaut wird. Während besagte Nutzpflanzen zur Ernährung noch gezielt ihrer ökologischen Umwelten entwurzelt wurden, waren freilaufende Pferde, auf die sich die ‚Indianer‘ der nordamerikanischen Prärie nur zu bereitwillig setzten und sie sodann zu nutzen wussten gegen ihre Importeure, so nicht vorgesehen.

Mann vermag es aber mit beeindruckender Schreibe nicht nur ökologisch zu blicken, was ohnedies schon ein bereichernder Zugewinn wäre. Vielmehr verbindet er rein menschliche Kulturgeschichte mit der unterbaulichen Geschichte der Ökologie, was ohnehin stets zusammenging. Allein die Fundgruben an Details und – so in der Schule nicht gelernten – Hintergründe der Entdeckungsreisen sind selbst für ausschließlich unökologisch Interessierte hier exzellent verdichtet! Die endlose Silbergier Spaniens, die Conquistador um Conquistador vorantrieb, damit Philipp II., span. König (Geburtstag, 21.05.1527) seine Armada genauso bezahlen konnte wie seine brieflichen Korrespondenzen, ist auch in „Kolumbus‘ Erbe“ vordergründige Leitlinie der Geschichte. Doch wenn wir den Wegen des Silbers folgen, dann folgen dem Silber auch stets auf dem Fuß die Tiere und Pflanzen seiner Fundstätten.

Um ein besseren Eindruck zu zeichnen, was Manns pompöses Werk verheißt, habe ich folgend mal zu Crosbys Studien einige Beiträge rausgesucht, die das sehr gründlich rezensieren. So sei verwiesen auf

  • das Inhaltsverzeichnis als PDF zu „Alfred W. Crosby
    Die Früchte des weißen Mannes – Ökologischer Imperialismus 900 -1900“
    .
  • Markus Arnold auf stay-in-touch, der als Bruder im Geiste auch sehr gerne zitiert. So das folgende Zitat aus „Früchte des weißen Mannes“, das den Prozess der Homogenisierung verdeutlicht:

    »Die europäischen Auswanderer waren in der Lage, fremdes Land zu erreichen und sogar zu erobern. Aber zur Siedlungskolonie wurde es erst, wenn es Europa ähnlicher geworden war als im Urzustand. Zum Glück für die Europäer waren ihre domestizierten und optimal anpassungsfähigen Tiere trefflich geeignet, diesen Umwandlungsprozeß in Gang zu bringen. […] Selbst mit den technologischen Hilfsmitteln des 20. Jahrhunderts wären die Europäer in der Neuen Welt, in Australien und Neuseeland nicht im Stande gewesen, ihre Umwelt so erfolgreich zu verändern, wie sie es mit Hilfe ihrer Pferde, Rinder, Schweine, Ziegen, Schafe, Esel, Hühner, Katzen usw. erreichten. Insofern sich diese Tiere selbst reproduzieren, sind sie hinsichtlich Tempo und Wirkungsgrad der Umgestaltung ihrer Umwelt – selbst eines ganzen Kontinents – jeder bislang erfundenen Maschine überlegen.« (ibid., 287–289)Alfred W. Crosby nach Markus Arnold auf stay-in-touch

  • Und besonders spannend ein „Zeitzeuge“ der deutschen Erstveröffentlichung der bahnbrechenden Studie – Thomas Schmid in der ZEIT von 1991:

    Die Störung beziehungsweise Komplizierung dieser Kommunikation durch das einzige Wesen, das gezielt in die Umwelt eingreift, durch den Menschen also, steht am Ausgangspunkt von Alfred Crosbys Untersuchung. Der Untertitel („Ökologischer Imperialismus 900-1900“) weist die Richtung – und führt zugleich in die Irre. Denn es könnte scheinen, als ginge es dem Autor nur um die Erweiterung des bisher geläufigen Begriffs von Imperialismus um eine neue Dimension, eben die ökologische; also um die Eingriffe in nichteuropäische Ökosysteme, um den Export europäischer Viren und Krankheitserreger und um frühe Formen der „bakteriologischen Kriegsführung“. Darum geht es Crosby auch, doch er holt sehr viel weiter aus; er beschreibt eine große Schuld der westlichen Gesellschaften, hinter der sich ein der Zivilisation inhärentes Problem verbirgt: Jeder Versuch, die geschlossene Gesellschaft zu verlassen, bedeutet Grenzüberschreitung und hat einen Wettbewerb nicht nur zwischen Gesellschaften, sondern auch zwischen verschiedenen tierischen und pflanzlichen Ökosystemen zur Folge, bei dem die beweglichen Gesellschaften stets im Vorteil sind gegenüber den eher abgeschlossenen.Thomas Schmid in der ZEIT am 06.09.1991 „Ökologischer Imperialismus: Der Siegeszug des weißen Mannes. Alfred W. Crosbys Studie über den Prozeß zivilisatorischer Ungleichzeitigkeit“ (nur hinter der „Registrierungsschranke“)

Bis hierhin. Ich werde auf Crosby genauso wie auf Mann zurückkommen, gewiss auch nur zu gerne mit eindrücklichen Zitaten verziert. Denn beide denken für mich tiefenscharf vor auf global(isierter) Ebene, wozu ich mir meine Gedanken auf interplanetarer Ebene machte, ob überhaupt und wie tödlich einander fremde Biosphären sein müssten. Hierfür induktiv vom einzigen uns bekannten Einzelfall zu lernen, The Living Earth, wird den Weg weisen!

Imperativ des Tages: „Kolumbus‘ Erbe“ lesen!